Außer Atem: Das Berlinale Blog

Alles Verrat: Sally Potters 'The Party' (Wettbewerb)

Von Anja Seeliger
13.02.2017.


Als die Abspannmusik einsetzt und der Applaus losbricht, bin ich schockiert, wirklich schockiert. Schon vorbei? 71 Minuten schon vorbei? Aber es hat doch grad erst angefangen, denke ich leicht benommen.

Es war ein witziger Schwarz-weiß-Film, mit schneidenden Kommentaren und rührenden Momenten in den siebzig Minuten einer kleinen Party zu Ehren der Gastgeberin, Janet, die es zur Ministerin gebracht hat. Beim Eintreffen der Gäste wirkt ihr Mann völlig neben sich, aber da das niemandem auffällt, denkt man, so ist er eben. Es treffen ein die zynische April, die einfach Journalistin sein muss, mit ihrem Begleiter Gottfried (Bruno Ganz kann sich durch schiere Schauspielermagie seiner Rolle als deutscher Esoteriktrottels entziehen), das lesbische Paar Martha und Jinny, die Drillinge erwarten, und Banker Tom, dessen Frau später kommen soll. Gerade haben die Gäste die Gläser zum Toast auf Janet erhoben, da macht deren Ehemann Tom eine bestürzende Eröffnung: Er ist unheilbar krank.

Das bleibt nicht die einzige Enthüllung an diesem Abend. Sie löst Bestürzung aus, aber vor allem haltloses Geplapper - über den Sinn alternativer Medizin, den Kapitalismus und ob man jetzt Kinder bekommen soll. Überhaupt, was zu tun sei. Während das Gerede von Thema zu Thema springt, und immer neue private Geheimnisse an den Tag kommen, betont Sally Potter die Enge der Räume, indem sie immer wieder mit der Kamera unangenehm nah an ihre Protagonisten herangeht, die auch schon mal direkt in die Kamera gucken - als würden Fische ganz nah ans Aquariumglas schwimmen, um ihre Betrachter genauer zu studieren. Jede Falte, jedes Nasenhaar, jede Hautunebenheit ist dann scharf gestellt.



Man muss lachen, aber ich habe mich hinterher jedesmal gefragt, warum eigentlich. "The Party" ist eine Farce mit dramatischen Elementen. In manchem erinnert er an Josef Haders "Wilde Maus" und Oren Movermans "The Dinner": In allen drei Filmen sind die Hauptfiguren über fünfzig, linksliberal, Mittelklasse. Und alle drei Filme können sich nicht einscheiden, ob sie Drama oder Komödien sein wollen. Als brächten die Regisseure es einfach nicht übers Herz, ihre Figuren dem Gelächter preiszugeben, aber für ein Drama geben die persönlichen Konflikte dann offenbar doch nicht genug her.

Am Ende ist alle Liebe Verrat. Und auch das hat dieser Film mit den beiden anderen gemeinsam: Ehrlich sind ihre Hauptfiguren nur in ihren politischen Ansichten.

The Party. Regie: Sally Potter. Mit Kristin Scott Thomas, Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cherry Jones, Emily Mortimer, Cillian Murphy, Timothy Spall. Großbritannien 2017, 71 Minuten (Vorführtermine)