Außer Atem: Das Berlinale Blog

Bühne frei für Shirley Clarkes 'Portrait of Jason' (Forum)

Von Elena Meilicke
13.02.2013. Wie verstörend ein Lachen sein kann, unter anderem davon handelt Shirley Clarkes großartiger Film "Portrait of Jason" aus dem Jahr 1967. Jason Holliday ist ein selbsterklärter "Hustler", einer, der mal hier und mal dort arbeitet, einer, der auf alle möglichen Weisen Geld verdient – etwa als Haushälter bei reichen weißen Damen, manchmal aber auch mit illegaleren Aktivitäten. Eigentlich träumt Jasons davon, durch kleine Clubs und Bars zu tingeln, zu schauspielern, auf der Bühne zu stehen. "Portrait of Jason" ist genau das: eine Bühne für Jason.


Wie verstörend ein Lachen sein kann, unter anderem davon handelt Shirley Clarkes großartiger Film "Portrait of Jason" aus dem Jahr 1967. Jason Holliday ist ein selbsterklärter "Hustler", einer, der mal hier und mal dort arbeitet, einer, der auf alle möglichen Weisen Geld verdient – etwa als Haushälter bei reichen weißen Damen, manchmal aber auch mit illegaleren Aktivitäten. Eigentlich träumt Jasons davon, durch kleine Clubs und Bars zu tingeln, zu schauspielern, auf der Bühne zu stehen. "Portrait of Jason" ist genau das: eine Bühne für Jason.

Gedreht in einer einzigen Nacht in Shirley Clarkes Apartment im New Yorker Chelsea-Hotel, zeigt der knapp zwei Stunden lange Film nicht mehr als Jason beim Performen und Fabulieren. Er erzählt Anekdoten aus seinem Leben, ist laut und lebendig, spricht frontal in die Kamera. Die Geschichten sprudeln aus ihm hervor, sie folgen einander wie kurze Akte oder Revuenummern. Dazwischen gibt es Momente der Stille, in denen Jason erschöpft und leer auf dem Sofa liegt. Die Kamera entlässt ihn dann aus dem Fokus und bricht die Aufnahme ab. Bevor Jason zur nächsten Nummer ansetzt, wird wieder umständlich fokussiert, ein Verfahren, das ein filmisches Äquivalent zum theatralen Vorhang sein könnte: es geht darum, den Auftritt zu rahmen, seine Anfangs- und Endpunkte zu markieren, ihn auf diese Weise überhaupt zu konstituieren.



Schnell merkt man, dass Jason ein geborener Geschichtenerzähler und Schauspieler ist, aber eben kein professioneller. Genau darin liegt die intensive, auch unheimliche und befremdende Qualität seiner Performance begründet. Jasons Spiel kennt kein Außen und kein Aufhören, es lässt sich nicht einfach an- und abstellen. Es ist ein exzessives, vielleicht auch pathologisches Spielen, ein Acting, das immer auch Agieren ist. Wer Jason "wirklich" ist, ob seine Geschichten "wahr" und sein Verhalten "authentisch" ist, das wird im Laufe des Films immer unklarer. Das irritiert und macht misstrauisch. Man wird vorsichtig als Zuschauer, möchte sich diesem fröhlichen Mann nicht ausliefern, hat Angst, hinter's Licht geführt zu werden, zu leichtgläubig zu sein.

Und dann ist da dieses Lachen. Es ist egal, ob Jason von fingerschnipsenden Transvestiten, vom prügelnden Vater oder herablassenden Arbeitgeberinnen erzählt: immer wieder bricht er dabei in schallendes Gelächter aus, kriegt sich nicht mehr ein und kugelt sich kichernd am Boden. Erst wirkt dieses Lachen ansteckend, später erschreckend. Zu wenig lustig ist das, was Jason zum Lachen bringt. Wie eine Waffe wirkt dieses Lachen, aber auch wie eine Wunde.

Elena Meilicke

"Portrait of Jason". Regie: Shirley Clarke. USA 1967, 105 Minuten (alle Vorführtermine)