Außer Atem: Das Berlinale Blog

Szenen einer Ehe: 'The Kids are All Right' von Lisa Cholodenko

Von Thomas Groh
17.02.2010.


Eine Standardszene: Die Eltern mit dem Sohn am Tisch, unausgesprochen liegt die Frage in der Luft: "Sag' mal, bist Du eigentlich schwul?" Eine solche Szene gibt es in "The Kids Are All Right" auch, doch with a twist: Die Eltern sind in diesem Fall ein lesbisches Paar. Und weil diese nicht recht herauskommen wollen mit ihrer Frage, kommt es zum Missverständnis: Ja, er habe eine Beziehung zu einem anderen aufgebaut. Zu seinem biologischen Vater, einem Samenspender.

Die lesbische Traumfamilie - Sohn und Tochter von je einer Mutter, beide vom selben Samenspender - gerät ins Wanken, denn der Samenspender-turned-Vater Paul (Mark Ruffalo) wird zusehends zum Satelliten der Familie. Mit den Kindern versteht er sich prächtig, mit Mutter Jules (Julianne Moore) baut er bald den Garten hinter seinem Haus um - und landet schließlich mit ihr im Bett.



"The Kids Are All Right" erzählt im gelassenen Tonfall desjenigen, der eine Utopie gar nicht formulieren will, von einer fast utopischen Welt: Lesbisch verheiratete Paare sind ein Ding der Normalität, die Kinder geraten proper und Paul verdient mit einem herzensgut geführten Bio-Restaurant gutes Geld. Fehlt nur noch der Komposthaufen im Hinterhof (den Jules Nic vorschlagen wird). Doch er erzählt nicht von einem Paradies: In der Ehe von Jules und Nic (Annette Bening) kriselt es unterschwellig, die beiden Kinder zeigen deutliche Anzeichen erster Entfremdung.

Für eine Weile sieht "The Kids Are All Right" ein bisschen nach heterosexueller Errettungsfantasie aus. Was aber das kleine große Glück dieses schönen Films ausmacht: Er spielt mit dieser Aussicht, aber er ist es nicht, ganz im Gegenteil. Auf sehr souveräne Weise erzählt er davon, dass Probleme einer Langzeitbeziehung universell sind und sich, weder zur einen, noch zur anderen Seite, auf sexuelle Präferenzen zurückführen lassen. Jeder der beteiligten Figuren gehört dabei ein gutes Maß an Sympathie: Weder ist Nic, eine praktizierende Ärztin mit etwas grobem Hang zum Durcherziehen, der böse Drachen, für den ihre Kinder sie gelegentlich halten mögen, noch Paul der finstere Eindringling, für den Nic ihn hält.



"The Kids Are All Right" gelingt vieles auf sehr gute Weise: Er funktioniert als wirklich witzige Komödie genauso wie als Beziehungsdrama, als coming-of-age-Film genauso wie als Satire wiederum auf die Wendungen in Beziehungsfilmen. Dass er seine Figuren und die Beziehungen, in die er sie je zueinander setzt, von Grund auf ernst nimmt, ohne dabei agitatorisch zu ernsteln, gehört obendrein zu seinen Stärken. Das Ende schließlich, lakonisch kurz im Auto: Dann doch eine Utopie - dass auch in Langzeitbeziehungen auf Downs die Ups folgen können.

Dass das nicht wirklich wettbewerbstauglich ist, haben auch Kosslick und Co. gemerkt. Der Film läuft außer Konkurrenz. Dabei wäre es, gerade in diesem Fall, auf nur einen Irrtum mehr auch nicht mehr angekommen.

Lisa Cholodenko: The Kids Are All Right. Mit: Julianne Moore, Annette Bening, Mark Ruffalo u.a. USA/Frankreich 2009, 104 Minuten. (Vorführtermine)