Außer Atem: Das Berlinale Blog

Minimalster Minimalismus: 'Fin' von Luis Sampieri

Von Thomas Groh
17.02.2010.
Wenn es so etwas wie einen identifizierbaren "Sundance-Stil" gibt, dann gibt es sicher ebenso "den Forumsfilm" (und diese geflissentlich neutrale Bezeichnung meint nicht immer positives). Ein "Forumsfilm" ist langsam und spröde, nicht sonderlich um herkömmliche Strategien des Erzählens bemüht, eher diffus oder naturalistisch ausgeleuchtet und schließlich auf der Tonspur dem akustischen Ambiente seines Drehorts offen zugewandt (im Gegensatz zur zugerichteten, komplex manipulierten Tonspur eines Hollywoodfilms). Es steht völlig außer Zweifel, dass eine solche Filmkonzeption großartig sein kann (nur ein Beispiel: "Los Muertos" von Lisandro Alonso). Auf der anderen Seite gerinnen solche Merkmale auch schnell zur Zugehörigkeitsbehauptung.

"Fin" ist, leider, "ein Forumsfilm". Und das ist ärgerlich, denn die erste, lange Einstellung ist ziemlich großartig: Sie beginnt auf der Tonspur (angestrengtes Atmen) bei Schwarzblende, dann kommt das Bild: Ein Mädchen läuft einen Straße bergauf. Sie trifft auf einen Jungen, der sie umkreist und von oben herab behandelt. Die Kamera dreht sich mit, der Junge entfernt sich wieder, zum Rand der Straße: Erst hier sehen wir, dass da noch ein Mädchen ist - alle drei sind im Bild, trotz Handkamera im Schwung sorgfältig komponiert. So schön wie in diesem Beginn wird der Film an keiner Stelle mehr.



Der Film entblättert sich. Es ist nicht die einzige Stelle, in der eine Kamerabewegung eine entscheidende Information erst nach einer gewissen Weile preis gibt. Ein anderes Mal verändert ein simpler Gegenschnitt die Raumwahrnehmung der Szenerie von Grund auf. Die drei jungen Leute fahren in einem Auto in die spanischen Berge. Dort treiben sie sich herum, im Geäst, auf Hügeln, vor Abhängen. Er reinigt den Wagen. Die beiden Mädchen laufen, mal sprechen sie miteinander, dann geht wieder jedes ihres Wegs. Oft sitzen sie nur rum.



Was die drei vorhaben - manchmal reden sie davon, ob sie "es" nun wirklich machen wollen - erfährt man erst ganz am Schluss. Oder aus den Informationen zum Film: Selbstmord. Verabredet hat man sich kurz zuvor im Internet.

Geredet wird nur sporadisch. Die Tonspur ist, im Zusammenspiel mit der Montage, leicht rhythmisiert, aber eher Ambient. An einer Stelle - die drei fahren noch im Auto ins Gebirge - filmt die Kamera den Wagen wie er die Straße heraufkommt, entkoppelt sich dann aber von ihrer Position und fährt ihrerseits die Straße hinunter, wie um auf die gestalterische Instanz hinter der Kamera zu verweisen. Dann wieder wird aus dem Innern des Autos gefilmt und die Schärfe verstellt: Das Äußere wird zur Schliere, der Schmutz auf dem Fenster bleibt fokussiert.

"Fin" reduziert alles - Komposition der gestalterischen Mittel, Story, Dialog, Informationsmanagment - auf ein minimal nötigstes. Und das alles ist zweifellos gut gemacht. Nur fragt man sich: Wofür?

Luis Sampieri: "Fin". Mit: Sergi Gibert, Ramia Chaoui, Irene Garres. Spanien 2010, 89 Minuten. (Forum, Vorführtermine)