9punkt - Die Debattenrundschau
Neue Aufgaben
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Europa
Cui bono, fragt FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube nach den Thüringer Wirren. Nun, den Linkeren, all jenen, die Rot-Rot-Grün wollen, besonders auch in der SPD. Darum der Brustton der Empörung, so Kaube: "Die Schande kann gar nicht groß genug vorgestellt werden - nicht zuletzt um die Grünen im Bund von jedem Gedanken abzubringen, mit der CDU koalieren zu können oder gar ein zweites Mal an Jamaika auch nur zu denken." In einem zweiten Artikel wirft Michael Hanfeld einen strengen Blick auf die CDU.
Der 18-jährige Politikstudent Hadi Al-Wehaily kandidiert bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg für die FDP. Seit Thüringen wird er im Wahlkampf plötzlich als "Nazi" beschimpft, erzählt er im Interview mit Zeit online. "Im Netz ist es besonders schlimm, dort ist der Tonfall ja ohnehin um einiges rauer. Auch auf der Straße erlebe ich unangenehme Situationen. Wenn ich am Infostand stehe oder Flyer in meinem Wahlbezirk verteile, rufen Passanten mir aus der Ferne ein 'Schäm dich!' oder 'Ich rede nicht mit Faschisten!' zu. Ich werde gefragt, wie ich denn nur mit Faschisten kooperieren könne. Ich solle sofort aus der Partei austreten, meine Kandidatur niederlegen. Was mich dabei schockiert, ist die teils vulgäre Sprache und das Desinteresse an einer Diskussion. Was ich zu sagen habe, interessiert gar nicht. ... Was ich mir wünschen würde: Dass linke Parteien den Hass, der uns entgegenschlägt, deutlicher verurteilen."
Ideen
Politik
Medien
Der neue Eigentümer der Berliner Zeitung Holger Friedrich feuert die beiden bisherigen Chefredakteure, meldet Verena Mayer in der SZ: "Alleiniger Chefredakteur ist nun Matthias Thieme, der vor Kurzem als Digital-Chef angefangen hat. Er soll gemeinsam mit dem von den Friedrichs geholten Herausgeber, dem Österreicher Michael Maier, die Weiterentwicklung der Print- und Onlineausgaben verantworten. Die bisherigen Chefredakteure, Jochen Arntz und Elmar Jehn, 'werden das Unternehmen verlassen und sich neuen Aufgaben widmen'. Zu den Gründen äußert sich der Verlag nicht", so Mayer.
Über die Gründe kann nur spekuliert werden, schreibt Christian Meier in der Welt: Arntz und Jehn hatten nach den Stasi-Vorwürfen gegen Neuverleger Holger Friedrich eine unabhängige Untersuchung versprochen, die von Marianne Birthler und Ilko-Sascha Kowalczuk geleitet wurde. Sie empfahlen nach ihrer relativ milden Beurteilung des Falls die Veröffentlichung aller Akten. "Doch geschehen ist im Verlag seither - zumindest von außen betrachtet - nichts, was die Aufarbeitung der Vergangenheit des Unternehmers und Neuverlegers Holger Friedrich vorangebracht hätte."
Kulturmarkt
Kaum hatte sich erwiesen, dass die Verlegerbeteiligung an den Einnahmen der VG Wort von den Gerichten als unbillig angesehen wurde (Der Jurist und Perlentaucher-Autor Martin Vogel hatte mit seinen Klagen dagegen in allen Instanzen gesiegt), wurde sie im Rahmen der europäischen Urheberrechtsreform wieder eingeführt. Nun liegt ein "Diskussionsentwurf" der Bundesregierung zur deutschen Ausgestaltung vor. Die Verleger sind nicht damit zufrieden, dass sie grundsätzlich nur eine Quote von einem Drittel abbekommen sollen, berichtet der Buchreport: "Der Börsenverein fordert dagegen, diese 'neuartige' Vorschrift ersatzlos zu streichen. Der Gesetzgeber würde damit erstmals in die langjährig geübte Autonomie der Verwertungsgesellschaften bei der Aufstellung von Verteilungsplänen eingreifen. Die paritätisch besetzten Gremien würden durch den 'paternalistischen Eingriff' des Gesetzgebers entmündigt. Auch wenn bereits in der Vergangenheit die Urheber bei den meisten Verteilungsschlüsseln mindestens zwei Drittel der Ausschüttungen erhalten haben, sei ein wesentlicher Nachteil einer gesetzlichen Regelung, dass sie undifferenziert sei und nicht in allen Fällen sachgerecht. Beispiel Schulbuch, wo wesentliche Leistungen (wie Konzept und staatliche Zulassung von Lernmedien) durch die Verlage erbracht würden." Stellungnahmen von Schriftstellern und Übersetzerinnen sind hier resümiert.
Gesellschaft
Ausgerechnet in New York, wo der Fellhandel nach wie vor eine große Rolle spielt, wird ein Pelzverbot diskutiert. Besonders wütend darüber sind nicht stinkreiche weiße Bankergattinnen, sondern Minderheiten, erzählt Sarah Pines in der NZZ. "Insgesamt fühlen sich Minderheiten, insbesondere hispanischer und afroamerikanischer Herkunft, von dem Pelzverbot diskriminiert. Lange waren Pelzmäntel - vor allem aus Nerz - für diese Gruppen ein begehrtes Statussymbol: Bei der zweiten Amtseinführung von Barack Obama trugen Beyoncé Knowles und Jay-Z opulente schwarze Statement-Pelze. Je mehr schwarze Frauen sich seit den Befreiungskämpfen der 1960er Jahre und zunehmend in den letzten zwanzig Jahren einen Pelz leisten konnten - so die Sicht der Afroamerikaner -, desto mehr weiße Institutionen wollen ihn nun verboten sehen."