9punkt - Die Debattenrundschau

Der Bauch der Leihmutter

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
10.04.2015. Das Kopftuch einer Lehrerin ist sehr wohl ein Problem, meint Seyran Ates in der WeltQuartz.com verteidigt die nützlichen Wörter des indischen Englisch. Kamel Daoud singt im Quotidien d'Oran ein Loblied auf Tunesien. Die FAZ schildert die Kehrseiten eines neuen Kinderbooms. Und Libération wundert sich über den Vatikan, der den neuen französischen Botschafter offenbar nicht akkreditieren will.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 10.04.2015 finden Sie hier

Politik

Wer glaubt, dass Kopftuch einer Lehrerin sei kein Problem, "macht sich etwas vor und ist nicht bereit, ehrlich zu diskutieren", meint die Rechtsanwältin Seyran Ates in der Welt mit Blick auf das Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts: "Eine Lehrerin mit Kopftuch kann im tiefsten Inneren ihres Herzens eine glühende Verfassungspatriotin sein. Dennoch ist allein ihr Auftreten geeignet, ein Frauenbild zu vermitteln, welches besagt, dass Frauen sich vor den Blicken der Männer schützen und verhüllen sollen. Diese nonverbale Aussage ist des Pudels Kern. Darin ist enthalten, dass Männer und Frauen in der Öffentlichkeit nicht gleichberechtigt sind, also ein Widerspruch zu Art 3 Abs. 2 GG."

Der algerische Autor Kamel Daoud singt im Quotidien d"Oran ein Loblied auf Tunesien: "Es ist das einzige Land, das beweist, dass es noch Hoffnung gibt. Man sagt es ihnen nicht oft genug, denn die Tunesier sind sich ihres Widerscheins in unseren Wüsten nicht bewusst. Man muss ihnen wieder und wieder sagen, dass sie Erfolg haben sollen, denn für uns bedeutet das eine Verheißung, die Möglichkeit einer Insel. Sonst behalten unsere Ditatoren recht... Tunesien errät sein Gewicht nicht angesichts seiner diskreten geografischen Lage und seiner bescheidenen regionalen Ambitionen. "Ein kleines Land, das kleine Probleme hat", sagt ein Freund in den hellen Straßen seines Landes. Falsch, denn dieses Land hat die große Lösung gefunden."
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Gesellschaft

Schwule und andere Paare, die Kinder haben wollen, aber nicht können, suchen sich gern Leihmütter in Indien, wollen aber nicht deren Gene, berichtet Martina Lenzen-Schulte in einem Artikel in der FAZ über den Kinderboom bei schwulen Paaren: "Paare kaufen Eizellenspenden von anderen Frauen separat und mieten in der Regel nur den Bauch der Leihmutter. Schwangere, die ein genetisch völlig fremdes Kind austragen, sind jedoch gesundheitlich gefährdet. Deutlich häufiger als eine Frau, die ihr eigenes Kind zur Welt bringt, entwickeln sie beispielsweise einen Bluthochdruck in der Schwangerschaft, das kann bis hin zu Krampfanfällen führen."

Diksha Madhok verteidigt bei Quartz das Wörtchen "prepone", das offenbar nur im indischen Englisch verwendet wird und harmloser- und nützlicherweise "vorverlegen" bedeutet: "Das Wort ist seit Jahrzehnten Bestandteil des indischen Englisch, wird aus vielen formalen Gründen aber offiziell gemieden. Es findet manchmal seinen Weg in Zeitungsartikel, aber so gut wie nie in Bücher. Auf meiner Highschool haben die Englischlehrer immer wieder auf den niedrigen Status des Worts aufmerksam gemacht... Und das ist Teil eines größeren Problems: Indisches Englisch ist genauso originell, authentisch und triftig wie amerikanisches Englisch, Hong Kong Englisch oder jamaikanisches Englisch, aber wir feiern es nicht dafür."

Weitere Artikel: Eine Gefahr geht für die deutsche Gesellschaft nicht von irgendwelchen Parallelgesellschaften aus, sondern von "abgeschotteten illiberalen Milieus, ob nun islamistischer oder rechts- und linksextremer Prägung", meint Marko Martin in der Welt. Ebenfalls in der Welt sieht Hannes Stein Tendenzen, die Todesstrafe in den USA ganz abzuschaffen: Inzwischen sei sie "einfach zu teuer". In der NZZ resümiert Urs Hafner einen Schweizer Vortrag Heinz Budes über die Angstgefühle im Westen. Und Bernd Brunner feiert den Kosmopolitismus der Istanbuler, der gerade von "überaus selbstbewusst" auftretenden Syrern auf eine Probe gestellt werde.
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Religion

Die Römische Kurie hüllt sich in peinliches Schweigen über die Benennung des neuen französischen Botschafters, Laurent Stefanini, im Vatikan, den man offenbar wegen seiner Homosexualität nicht akkreditieren will, berichtet Bernadette Sauvaget in Libération: "Dabei ist der Diplomat, der sein Privatleben diskret handhabt, "in römischen Milieus sehr beliebt", versichert der französische "Vatikanist" Antoine-Marie Izoard, der die auf den Vatikan spezialisierte Presseagentur I-Media leitet. Laurent Stefanini kennt die Arkana der katholischen Kirche sehr gut. Von 2001 bis 2005, war er die Nummer 2 der französischen Botschaft am Heiligen Stuhl. Seine Nominierung in Rom war übrigens von wichtigen französischen Prälaten unterstützt worden."

Außerdem: Die SZ setzt ihre Afrika-Serie mit einem Artikel über die katholische Kirche und die grassierenden evangelikalen Sekten in Afrika fort.
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Geschichte

Anlässlich der Berufung Neil MacGregors zum Gründungsdirektor des Humboldt-Forums skizziert Thomas Kielinger in der Welt die "Hassliebe" zwischen Deutschen und Briten.
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Medien

Die notorischen Schwaben der Südwestdeutschen Medienholding machten neulich durch spontane Entlassungen von Geschäftführern bei der SZ von sich reden. Nun soll laut turi2, das sich auf verschiedene Quellen beruft, Stefan Hilscher die Süddeutsche sanieren helfen: "Hilscher kommt vom Berliner Verlag, wo der gebürtige Lübecker seit drei Jahren für DuMont die Geschäfte leitet - nicht zuletzt mit Sparmaßnahmen."
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Internet

heise.de kommentiert einen leider recht ungenügenden Frage-Antwort-Katalag des Bundeswirtschaftsministerium zum Thema Störerhaftung, durch die die Entwicklung öffentliche WLAN-Netze erheblich erwschwert wird: "Es sind die vielen Ungenauigkeiten und teils gänzlich irreführenden Argumente, die die Sicht auf das eigentliche Vorhaben verstellen, zu polemischen Kommentaren herausfordern und unnötig Zweifel am Sachverstand der Verfasser nähren."
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Stichwörter: Störerhaftung, WLAN

Kulturpolitik

Rüdiger Schaper wirft im Tagesspiegel einen Blick auf die Gemegelage der Berliner Kulturpolitik, seit sich die Gewichte zugunsten der Bundeskulturministerin Monika Grütters und gegen die Buddy-Bären Tim Renner und Michael Müller verschoben haben, während über die Theaterflure von Volksbühne und Berliner Ensemble das gauenhafte Geheul der 2017 Abzusetzenden hallt ("Die beiden Intendanten-Dinosaurier veranstalten ein so gewaltiges Getöse, als stünde ihre Überstellung ins Naturkundemuseum unmittelbar bevor"). Rüdiger Schaper fordert mehr Abstimmung zwischen Stadt und der "Über-Kultursenatorin im Kanzleramt", die den immer weniger glamourösen Berliner Institutionen sicher gut täte.

Außerdem: In der SZ spricht Mounia Meiborg mit Regisseur und Schauspieler Sewan Latchinian, der nach seiner Entlassung als Intendant in Rostock, die Niederungen der Kulturpolitik in der Stadt schildert.
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Ideen

In der FAZ schimpft die Greifswalder Historikerin Hedwig Richter über Intellektuelle, die Demokratie und "westliche" Werte kleinreden.
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Kulturmarkt

Verlage sollten von Amazon lernen und eine Konkurrenz zum gefürchteten Riesen aufbauen, meint Ulf Erdmann Ziegler in der FAZ ud träumt: "Vielleicht könnte man - denn das ist dem "totalitären" Amazon nicht möglich - einem solchen Online-System eine neue, regere, klügere Form von Öffentlichkeit hinzustellen, eine Mischung aus den Blogs der Verlage, wie sie jetzt schon existieren - unter Beteiligung der Autoren -, und einem Leserfeedback, das nicht auf Manipulation beruht."

Breite Berichterstattung auch über die Entscheidung des Diogenes-Verlags, nicht zur Frankfurter Buchmesse zu kommen. In der FAZ spricht Bestseller-Autor Martin Suter über die Probleme der Schweizer Verlage nach der Lösung des Franken vom euro. In der SZ berichtet Thomas Steinfeld.
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