Außer Atem: Das Berlinale Blog

Kaiserlich: Johannes Holzhausens 'Das große Museum' (Forum)

Von Lukas Foerster
07.02.2014. Johannes Holzhausens Dokumentarfilm "Das große Museum" über das Kunsthistorische Museum in Wien erzählt von der Arbeit im und am Museum und zeigt, welche Bilder österreichische Politiker für ihre Büros aussuchen.


Grundsätzlich ist es natürlich müßig, über die Intentionen hinter einem Film, an dessen Produktion man nicht selbst beteiligt war, zu spekulieren. Aber im Fall von Johannes Holzhausens "Das große Museum" liegt es eben doch nahe - man kann sich angesichts des fertigen Films nur zu gut vorstellen, was der Ausgangspunkt war: Ein Dokumentarfilm über das Kunsthistorische Museum in Wien soll entstehen, und zwar einer wenigstens ungefähr im Stil des Amerikaners Frederic Wiseman. Also einer, der auf Beobachtungen setzt (und nicht, zum Beispiel, auf Interviews und Off-Kommentare), der sich für das Museum als Institution, und für diese Institution auf allen institutionellen Ebenen interessiert. Tatsächlich scheint Holzhausen ziemlich überall Zutritt bekommen zu haben, er ist bei Sitzungen der Geschäftsleitung dabei, er filmt Restaurierungsprozesse mit, besucht das Lager, ist auch da, als einmal der österreichische Bundespräsident vorbei schaut. Er filmt die Museumsräume vor, während und nach Renovierungen, bekommt eine lange Reihe von Mitarbeitern vor die Kamera, einmal zeigt der Film eine Abschiedszeremonie für einen besonders altgedienten Angestellten.

Es gibt, über den Film verteilt, viele gelungene Beobachtungen. Etwa, wenn der Geschäftsführer eine für die Außendarstellung zuständige Mitarbeiterin wegen zwei Kleinigkeiten völlig unverhältnismäßig runtermacht. Oder, wenn eine andere Mitarbeiterin, die seit langen Jahren die Garderoben betreut, sich in einer Art Plenum über die unpersönlichen Arbeitsbedingungen beschwert. Freilich fällt diese Szene auch deshalb auf, weil sie eine der wenigen Momente in "Das große Museum" ist, in der nicht das Managment, auch nicht die im weiteren Sinne wissenschaftliche Seite des Museums ins Bild tritt, sondern jene anderen Angestellten, die für den institutionellen Betrieb genauso wichtig sind (und die Wiseman in einem ähnlichen Film garantiert nicht übersehen hätte): Wachschutz, Raumpflege, Kassenpersonal. Handwerker immerhin laufen gelegentlich durchs Bild, herumgescheucht von den Großkuratoren.

Was insgesamt passiert zu sein scheint: Der Film hat sich von seinem Gegenstand, vom innen wie außen prachtvollen Museum, affizieren lassen. Was natürlich erst einmal nichts Schlechtes ist, im Gegenteil. Mit der Art der Affizierung hatte ich dann aber doch meine Probleme. Hauptsächlich nämlich lässt er sich von der Selbstrepräsentanz des Museums affizieren. Und diese Selbstrepräsentanz dringt in den Film in erster Linie in Form von visuellen Pointen: Ein Eisbärfell, weit ausgebreitet im engen Aufzug, perspektivische Öffnungen durch Türkaskaden, ein travelling shot hinter einem auf einem Tretroller durch ausladende Büros rasenden Mitarbeiter; der schließlich - Pointe - bei einem Kopierer halt macht.



Immer wieder spielt der Film außerdem damit, dass er als visuelles Medium einen Rahmen hat, genau wie die Bilder, die im Museum hängen, die immer wieder auf mal mehr, mal weniger originelle Weise von Holzhausens Film neu geframet werden. Und zumindest in einer Szene, in der eine Art Mumie von einem digitalen Fotoapparat abgelichtet wird, drängen kulturtheoretische Überlegungen an die Bildoberfläche. Das alles ist nicht ganz ohne Reiz, zwischendurch macht es allerdings oft doch den Eindruck einer sauber durchgearbeiteten Hausarbeit im Fach Mediengestaltung - die nie so recht ein Verhältnis findet zu der Repräsentationspolitik des Museums, von der sie anderseits sehr direkt handelt: Man erfährt durchaus auch, was für eine Art von Bildern sich österreichische Politiker mit Vorliebe ins Büro hängen (fürchterlich!) und dass das Attribut "kaiserlich" nach wie vor besonders viele Besucher anzieht. Gleich darauf sieht der Film allerdings selbst wieder allzu kaiserlich aus.

Am Ende ist "Das große Museum" vermutlich trotz allem einer der interessanteren Filme des diesjährigen Forums. Dennoch verdeutlicht er ziemlich perfekt ein Problem, das ich schon seit Jahren, und dieses Jahr besonders, gerade mit den dokumentarischen Arbeiten in dieser Sektion habe. Forum-Dokumentationen sollen, meinte der Sektionsleiter Christoph Terhechte einmal, nicht nur inhaltlich, sondern auch filmisch, beziehungsweise stilistisch interessant sein. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen, vor allem wenn man an die talking-heads-Wüsten im Panorama denkt. Allerdings verwechselt das Forum für meine Begriffe zu oft Stil mit Stilisierung. Im Stil sollte sich idealerweise eine Haltung zum Gegenstand ausdrücken, die Stilisierung vieler Forumsfilme dagegen bleibt den Gegenständen äußerlich, stülpt sich entweder komplett über sie, verschluckt sie, oder sie selektiert nach fragwürdigen Kriterien. In diesem speziellen Fall zumindest tendenziell: nach denen der Macht.

Lukas Foerster

Das große Museum. Regie: Johannes Holzhausen, Österreich 2014, 94 Minuten (Forum, alle Vorführtermine)