Außer Atem: Das Berlinale Blog

Sucht den Schrei in sich: Malgorzata Szumowska: 'Body' (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
10.02.2015. Malgorzata Szumowskas ökofeministischer Film "Body" weicht den Zumutungen von Alterserotik, spirituellen Sitzungen und Schrei-Therapien aus.


Małgorzata Szumowskas Wettbewerbsbeitrag "Body" ist - nach "W imie" über einen schwulen Priester" und dem Frauendrama "Elle" - bereits der dritte der polnischen Regisseurin auf der Berlinale und er verlangt nach einem starken Magen. Gleich zu Beginn inspiziert ein Warschauer Staatsanwalt am Ufer der Weichsel den starren Körper eines erhängten Mannes. Kurz darauf wird er auf einer Bahnhofstoilette die Leiche eines Neugeborenen finden. Zu Hause stopft er totes Huhn in sich hinein, während ihm seine magersüchtige Tochter Olga über die Zumutungen der Käfighaltung Vorträge hält. Die Mutter ist vor einigen Jahren gestorben. Meine Sitznachbarin im Kino zeigt sich von so viel geballter Metaphorik gänzlich ungerührt und isst in aller Seelenruhe ihre mitgebrachten Stullen und ein hartgekochtes Ei.

In Olgas Therapiesitzung ist auch Seele gefragt. Vor der weißen Wand sitzen die magersüchtigen Mädchen in weißen Leibchen und suchen den Schrei in sich. Wichtig ist, den Schrei herauszulassen, aber es muss auch der Schrei sein, der wirklich das eigene Ich zum Ausdruck bringt. Therapeutin Anna weiß nicht nur, wo Schrei, Angst und Wut sitzen, sie kann auch mit Toten reden. Meist jedoch spricht die allein lebende Frau mit ihrer Dogge, während sie ihrer misogynen Umgebung ein bisschen spitz, aber durchaus aufmunternd zulächelt: Leidet schließlich nicht auch der Alkoholiker, in dessen Kühlschrank nur noch Wodka steht, unter einer Form von Essstörung?

Das wäre was gewesen, wenn Szumowska ihren ökofeministischen Film über die körperlichen Grenzen von Leben und Tod ernsthaft durchgezogen hätte, mit all den am Ende doch nur angedeuteten Zumutungen von Alterserotik, spirituellen Sitzungen und Schrei-Therapien! Aber sie geht lieber auf Nummer sicher und sucht Schutz in einem unernsten, aber auch nicht komischen Spiel mit der Esoterik und dem Leben nach dem Tod. Dann wird der Film, der als einer über den zugerichteten Körper begonnen hat, zum Sozialdrama über den Trost, den nur die Familie geben kann: You never walk alone, tönt es zum Abspann. Ist aber ironisch gemeint, sonst wäre das ja ein Happy-End.

Małgorzata Szumowska: "Body". Mit Janusz Gajos, Maja Ostaszewska und Justyna Suwała. Polen 2015, 90 Minuten. (Vorführtermine)