Eric Vuillard

Die Tagesordnung

Roman
Cover: Die Tagesordnung
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2018
ISBN 9783957575760
Gebunden, 128 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Nicola Denis. 20. Februar 1933: Auf Einladung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring finden sich 24 hochrangige Vertreter der Industrie zu einem Treffen mit Adolf Hitler ein, um über mögliche Unterstützungen für die nationalsozialistische Politik zu beraten: Krupp, Opel, BASF, Bayer, Siemens, Allianz - kaum ein Name von Rang und Würden fehlt an den glamourösen runden Tischen der Vermählung von Geld und Politik. So beginnt der Lauf einer Geschichte, die Vuillard fünf Jahre später in die Annexion Österreichs münden lässt. Er führt er den Leser in die Hinterzimmer der Macht, wo in erschreckender Beiläufigkeit Geschichte geschrieben wird. Dabei erzählt er eine andere Geschichte als die uns bekannte, er zeigt den Panzerstau an der deutschen Grenze zu Österreich, er entlarvt Schuschniggs kleinliches Festhalten an der Macht, Hitlers abgründige Unberechenbarkeit und Chamberlains gleichgültige Schwäche.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 19.05.2018

Wie seriös ist denn die "Methode Vuillard", fragt Tilman Krause in einem Artikel, der zwischen Porträt des Autors (den er in München getroffen hat) und Rezension schwankt. Darf man Romane aus der Perspektive der "historischen Hintertreppe" erzählen? Nach Lektüre von Krauses Artikel lautet die Antwortet: eindeutig ja. Mit wenig Respekt für die Düsternis seiner Nazifiguren - aber auch der Untaten, die sie anrichteten? Krause lässt das offen - arbeite Vuillard das Chargenhafte und Groteske der historischen Akteure heraus. Vuillard selbst bestätigt ihm Gespräch, dass es ihm genau darum zu tun sei, besonders, weil sich die Farce aktuell als Farce wiederholt: in Gestalt von populistischen Politikern, die Vuillard und mit ihm Krause allesamt als Geschichtsfälscher und Schwadroneure ansieht, deren Wesen man nicht erkennt, wenn man nicht auch das "zutiefst Unseriöse" an ihnen benennt. Klare Leseempfehlung.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.05.2018

Rezensentin Iris Radisch mag den "Slapstick", mit dem sich der französische Historiker und Filmemacher Eric Vuillard in seinen Büchern der Weltgeschichte nähert. Entsprechend erfreut ist die Kritikerin über diesen neuen schmalen Band, der im Französischen unter dem Begriff "recit", im Deutschen umständlicher als "erzählendes Sachbuch" firmiert: Mit Sachkenntnis und Witz, Sinn für Pointen und Apercus und einer kleinen Prise französischen Pathos' erzählt ihr Vuillard von der Machtergreifung der Nationalsozialisten mit besonderem Blick für Hitlers Treffen mit Industriefunktionären und Politikern, darunter etwa der österreichische Kanzler Schuschnigg oder der britische Premierminister Chamberlain. Großartig, wie Vuillard Geheimnisse der Weltgeschichte seziert und auf die Formel "Die Welt gehorcht dem Bluff" zusammenschnurren lässt, jubelt die Rezensentin am Rande ihrer Begegnung mit dem Autor.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2018

Jochen Schimmang traut dem Text von Eric Vuillard nicht. Die Fragen, was erzählt wird und wer es erzählt, treiben ihn um, zumal es dieser ominöse Erzähler laut Schimmang nicht an moralischer Anklage und Sarkasmus mangeln lässt. Am ehesten handelt es sich bei dem Buch wohl um eine Montage bekannter historischer Fakten, meint er. Einzelne Szenen scheinen ihm lebendig und das Verhältnis von Geschichte und ihrer späteren Fiktionalisierung zu hinterfragen, doch im Ganzen erscheint dem Rezensenten Vuillards "Bilderbogen" wie ein früher Stummfilm.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.04.2018

Rezensentin Christina Lenz ahnt mit Eric Vuillard, dass eine andere Geschichte möglich gewesen wäre. Wie der Autor auf dem Grat zwischen Geschichtsschreibung und Poesie wandelt, erscheint ihr meisterhaft und möglicherweise als die Begründung eines neuen Genres. Den Prix Goncourt verdient das Buch laut Lenz wegen der schlaglichtartigen Erhellung historischer Konstellationen, hier: einem Treffen deutscher Industrieller mit Göring in Berlin und der Zusammenkunft Schuschniggs mit Hitler auf dem Berghof im Februar 1938. Was wir zu wissen glaubten, so Lenz, entreißt der Autor dem gewohnten Blick und formt es zu einem "schaurigen" Kammerspiel, virtuos montiert, spannend und hochpolitisch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.04.2018

Rezensent Joseph Hanimann spricht von einem Sonderfall unter den Büchern über die Nazizeit. Wie Eric Vuillard Zeitgeschichte inszeniert, nicht als Roman, eher als Bericht, findet er höchst beeindruckend. Vuillards Dreh, historische Szenen knapp, genau bis zur Schweißperle der Figuren zu kondensieren, macht Hanimann sichtlich Freude. Und lässt ihn Teil der Szene werden. Dass es sich dabei stets um schräge Momente handelt, Augenblicke, in denen die Geschichte kurz aus dem Ruder läuft, wie Hanimann erläutert, macht die Sache für den Rezensenten so reizvoll.
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