Der libanesische Autor
Hazem Saghieh sieht schwarz für die
Zukunft der arabischen Welt. Man betrachte nur mal den Libanon: "Erstens: Die Dominanz der
konfessionellen und ethnischen Identitäten hat mittlerweile absurde Züge angenommen. Es gibt nur noch Sunniten und Schiiten, Araber und Kurden, Muslime und Christen... In anderen Kategorien können wir uns offenbar nicht mehr wahrnehmen. Diese Identitäten sind seit jeher gegen andere Identitäten gerichtet. Sie beruhen auf ausgesprochen rückständigen, regressiven und fundamentalistischen Vorstellungen. Und doch werden sie Tag für Tag genau in diese Richtung weiter gesponnen. Zweitens: Selbst
gemeinsame ökonomische Interessen bringen keine Verbesserung unserer Lage. Stattdessen führt beispielsweise der Ölreichtum im Irak zu ständigen Machtkämpfen zwischen der Bundesregierung in Bagdad und den Kurden im Norden des Landes. Fassungslos macht uns auch der Streit des Libanon mit Israel um die Ausbeutung von Öl- und Erdgasvorkommen vor der Küste, der sogar Anlass zu erneuten kriegerischen Auseinandersetzungen sein könnte. Dabei wäre für den Libanon eine friedliche Einigung in diesem Konflikt wegen der bitter benötigten Erlöse sehr wichtig. Im Unterschied zu anderen Teilen der Welt unternehmen wir offenbar keine Versuche, unseren
Reichtum zu nutzen,
um die nationale Einheit zu stärken, geschweige denn, die Kluft zwischen rivalisierenden Fraktionen zu überbrücken. Vielmehr pflegen wir intensiv die
Solidarität zu unseren Familienverbänden und folgen einer ideologischen Indoktrination, die wirtschaftliche Fragen zweitrangig werden lässt und den Weg in die Selbstzerstörung einleitet. Drittens: Bislang sind alle Versuche gescheitert, die desaströse Lage in unserer Region und in der gesamten arabischen Welt zu verbessern."
Ayşe Karabat
berichtet derweil, wie in der
Türkei Gewalt gegen Ärzte und Anwälte zunimmt. So wurden seit Regierungsantritt der AKP vor zwanzig Jahren
zwölf Mediziner im Dienst getötet, auch Anwälte werden immer wieder Opfer von Gewalt. Die Regierung tut nichts dagegen, sie gießt sogar noch Öl ins Feuer: Den Ärzten wirft sie vor, den heimischen Coronaimpfstoff schlecht zu machen, die Anwälte beschuldigt sie der Islamfeindlichkeit. "Die Regierung zeigt sich offen feindselig gegenüber den beiden
Dachverbänden TTB und TBB, die seit jeher zu den stärksten Organisationen der Zivilgesellschaft in der Türkei gehören. Im Februar 2018 forderte Erdoğan, beide Berufsverbände sollten die Bezeichnung '
türkisch'
aus ihren Namen streichen, da sie nicht 'lokal und national' seien. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich in der Türkei die Unterstellung, die Organisationen würden
im Namen ausländischer Agenten agieren. Im Mai 2020 ging Erdoğan sogar noch weiter: Als die Anwaltskammer von Ankara den Leiter der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbaş, wegen dessen Äußerungen kritisierte,
Homosexualität sei 'die Ursache aller Krankheiten', unterstellte Staatspräsident Erdoğan der Anwaltskammer, den Islam zu beleidigen. 'Allein dieses Beispiel zeigt, wie dringend und wichtig eine
Steuerung der Wahlverfahren in den Berufsverbänden ist, insbesondere von Anwalts- und Ärztekammern', so Erdoğan damals. Unmittelbar danach trat ein neues Gesetz in Kraft, das die Aufteilung von Anwaltskammern vorsah. In Ankara und Istanbul wurden der Regierung nahestehende Anwaltskammern etabliert."