Magazinrundschau - Archiv

The Caravan

6 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 23.03.2021 - Caravan

Die amerikanische Historikerin Audrey Truschke ist sowohl an der Rutgers University in New Jersey, wo sie lehrt, als auch in Indien unter Beschuss geraten - mit Hassmails, Drohbriefen und Todesdrohungen - weil ihre Bücher Hindunationalisten missfallen. Im Interview mit Surabhi Kanga erklärt sie, warum: "Es macht mich für die rechte Hindu-Szene gefährlich, dass ich ihre Mythologie über die indische Vergangenheit untergraben kann und das auch tue. Außerdem habe ich in ihren Augen die falsche Farbe und das falsche Geschlecht. Neben anderen Sünden ist der hinduistische Nationalismus zutiefst frauenfeindlich. Am Ende sind sie aber nicht nur hinter mir her. Sie greifen zuerst mich an, und als nächstes haben sie alle Akademiker im Visier, die über Südasien arbeiten und sich weigern, ihre Wissenschaft durch eine hasserfüllte Ideologie beeinträchtigen zu lassen. ... Ich denke, dass es wichtig ist, die kolonialen Ansätze (und die sind plural) beim Studium der südasiatischen Geschichte und des Hinduismus zu verstehen. Zum Beispiel sprachen die Gelehrten der Kolonialzeit von 'Hindu-Geschichte', ein Ausdruck, den wir heute nicht mehr verwenden, unter anderem wegen der problematischen Theorie vom Primat der religiösen Identität, die zu kommunalen Spannungen führte. Eine unappetitliche Realität ist, dass sich viele der Angriffe auf mich auf eine hindu-nationalistische Rhetorik berufen, die Vorurteile aus der Kolonialzeit wiederholt - anstatt sie abzubauen -, insbesondere in Bezug auf die Bedeutung und die Natur religiöser Identitäten und Konflikte in der vormodernen indischen Geschichte."

Magazinrundschau vom 21.11.2017 - Caravan

Gurinder Chadhas Historiendrama "Viceroy's House" über Louis Mountbatten, den letzten britischen Vizekönig Indiens, sorgt für Kontroversen. Die Filmemacherin fühlt sich von der Kritik missverstanden und ist der Ansicht, einen in alle Richtungen ausgewogenen Film gedreht zu haben, was wiederum Manik Shamira so nicht stehen lassen kann: Historische Details seien falsch perspektiviert oder würden als neue Erkenntnis lauwarm präsentiert, obwohl sie von der Geschichtsschreibung seit Jahrzehnten diskutiert werden. Nicht zuletzt schmeichle die Regisseurin der historischen Figur - und geht ihr damit auf den Leim: "Vermutlich versehentlich setzt der Film damit ein Projekt zur Mythenbildung fort, das Mountbatten selbst einst lanciert hat. Zahlreiche Forscher haben darauf hingewiesen, dass Mountbatten dazu neigte, die öffentliche Wahrnehmung seiner Taten und des Erbes der Raj gezielt zu steuern. Der Historiker Ramachandra Guha nannte Mountbatten einst 'einen Pionier der Meinungsmache und des Image-Managements'. ...  Zum Vorteil für Mountbatten ist die Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Durchbruch des Films um ein gehöriges Stück einfacher geworden. In der Welt des Kinos, des Fernsehens und der Nachrichten entwickelte er einiges an Schlagkraft - und zwar so sehr, dass seine Auftritte in der BBC zu Glanzzeiten von gut zehn Millionen Leuten verfolgt wurden. Nur die Auftritte der Queen waren noch erfolgreicher. Mountbatten fand viel Gefallen am Kino und lieferte sich mit dem vorletzten Vizekönig, Lord Wavell, Gefechte darüber, ob Kino über der Literatur stehe. Sein ganzes Leben lang trug er in Indien und jenseits davon zu Propaganda-Filmen, Dokumentationen und Spielfilmen bei. Die Manipulationen, die er während seiner Amtszeit in Indien vorantrieb, zählen zu seinen erfolgreichsten und durchschlagendsten. Er hinterließ damit bleibende Verzerrungen in der Geschichtsschreibung des Subkontinents, des Britischen Empires und von seiner Person selbst."

Außerdem: In einer epischen, fast schon Buchlänge erreichenden Reportage schreibt Anna MM Vetticad über die von zahlreichen Skandalen gesäumte Karriere des indischen Schauspielers Salman Khan, der im großen indischen Film-Triumvirat der Khans (neben Aamir und Shah Ruhk Khan) den kontroversen Part übernimmt.

Magazinrundschau vom 05.09.2017 - Caravan

Omkar Khandekar führt uns durch die deprimierende jüngste Geschichte der Malediven, die Präsident Abdulla Yameen praktisch in eine Diktatur verwandelt hat. Die Angst und die Korruption haben inzwischen auch die demokratische Gegenbewegung infiltriert: "Alle, mit denen ich gesprochen habe, stimmten überein, dass die Malediven in eine Diktatur zurückgefallen sind. Ungesagt blieb dabei, dass sich jene, die gegen das Regime aufstehen, stark verändert haben, seit Yameen an die Macht kam. Die Opposition ist gewachsen und ein großes Problem für die gegenwärtige Regierung. Aber um zu diesem Punkt zu kommen, mussten mehr und mehr Mitglieder der alten Garde aufgenommen und wenig demokratische Mittel angewendet werden, um die Nemesis zu vertreiben. Die Opposition umfasst jetzt auch eine Reihe widerstreitender Interessen und Machtzentren, die die Einheit gefährden könnten - als dissidente Kraft oder, sollte Yameen fallen, als regierende."
Stichwörter: Malediven, Aufstehen, #aufstehen

Magazinrundschau vom 20.10.2015 - Caravan

In einem faszinierenden Porträt der indischen Musikerin und Sängerin M.S. Subbulakshmi (1916-2004) gibt der Sänger und Autor T.M. Krishna Einblick in die karnatische Musik, deren Zentrum im südindischen Chennai liegt. Karnatische Musik, lernen wir, lebt von der Improvisation, die den Sänger immer auch zum Mitkomponisten macht und die seine Persönlichkeit offenbart. Genau aus diesem Grund ist Subbulakshmi unter den Hardcore-Karnaten umstritten: Sie hat ihre Musik nämlich geprobt! "Verehrer von M.S. werden sagen, die Proben hätten das Hörerlebnis nur gesteigert, doch muss ich zugeben, dass die Kritik nicht unbegründet ist. Meiner Ansicht nach haftet dieser Vorstellung von Perfektion ein Makel an. M.S. wollte ein vereintes, fehlerfreies Konzert und erreichte das auch. Ob dies aus ihren Konzerten große Kunst machte, ist eine andere Frage. Die Erfahrung des Lebens ist schließlich nicht das Ergebnis von Korrektheit. Perfektion ist die Suche nach der reinen experimentellen Qualität, die geboren wird, wenn man sich einer Kunst ganz unterwirft. Der Künstler gibt alles und stolpert zufällig in die Perfektion. Gut möglich, dass es während dieses Prozesses Momente des technisch Unperfekten gibt. Doch wenn solche Perfektion erreicht wird, führt sie uns über das Persönliche hinaus ins Abstrakte."

Hier eine Hörprobe. Die Musik klingt für westliche Ohren gar nicht unvertraut:


Magazinrundschau vom 07.03.2014 - Caravan

The Caravan druckt einen langen Auszug aus einem "buchlangen" Vorwort von Arundhati Roy von Bhimrao Ramji Ambedkars Essay "Annihilation of Caste", der darin 1937 die Abschaffung der Kasten gefordert hatte. Roy stellt zwei Personen einander gegenüber: Mahatma Gandhi, Brahmane von Geburt, der trotz bescheidenem Auftreten für den Erhalt eines Kastensystems eintrat und sich zum Beispiel als Anwalt in Indien vehement dafür einsetzte, dass die Inder von den Briten besser behandelt werden sollten als die Schwarzen. Und Ambedkar, Unberührbarer von Geburt, der die Verfassung Indiens mitschrieb und in "Annihilation of Caste" die zersetzende Wirkung des Kastensystems beschrieb: ""Annihilation of Caste" wird oft (sogar von Anhängern) als Ambedkars Utopia beschrieben [...] Schließlich ist für Millionen von Hindus aller Kasten, Unberührbare eingeschlossen, der praktizierte Hinduismus eine Art zu leben, die alles durchdringt - Geburt, Tod, Krieg, Ehe; Essen, Musik, Dichtung, Tanz. Es ist ihre Kultur, ihre Identität. Wie kann man dem Hinduismus abschwören, nur weil das praktizierte Kastensystem in den grundlegenden Texten, die die meisten Menschen nicht mal gelesen haben, gebilligt wird? Ambedkars Gegenargument ist: wie kann man nicht abschwören? Wie kann eine solche institutionalisierte Ungerechtigkeit, selbst wenn sie von den Göttern festgelegt wurde, für irgendjemanden akzeptabel sein?" (Ein großes Porträt Roys hat Siddhartha Deb für das neue NYT Magazine geschrieben.)

Magazinrundschau vom 17.09.2013 - Caravan

Trotz einer gemeinsamen Landesgrenze findet der kulturelle und literarische Austausch zwischen China und Indien vor allem über den Westen statt, erklärt Anjum Hasan in einem großen Bericht über seine Begegnung mit der chinesischen Literatur anhand von englischen Übersetzungen. "Chinesische Literatur bildet ein vergleichsweise neues Segment internationaler, in Indien vertriebener Belletristik. Offensichtlich folgt das wachsende westliche Interesse an ihr dem westlichen Interesse an China generell (...). Vor dem Hintergrund, dass unser Zugang dazu, wie die Leute in China denken und fühlen, von der Regierung begrenzt ist, bildet Literatur naturgemäß eine zentrale Zugangsmöglichkeit. Nachdem ich Mo Yans Novelle 'Change' gelesen habe, griff ich zu den jüngsten, übersetzt vorliegenden Werke anderer chinesischer Autoren und fand mich unausweichlich in der Position wieder, diese Romane und Kurzgeschichten als Fenster zu China zu lesen. Da mir allein im Westen veröffentlichte Bücher vorbehalten waren, deren Autoren sich des westlichen Publikums bewusst sind, war es zugleich ebenso interessant zu sehen, wie diese Autoren diese Position verhandelten - wie sie Erwartungen unterwanderten oder erfüllten, die die Leser an sie stellten."

Eine Auswahl chinesischer Literatur finden Sie hier beim Perlentaucher.
Stichwörter: Chinesische Literatur