Magazinrundschau

Zurück in die Petrischale

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Freitag Mittag
07.03.2014. Elet es Irodalom muss hören, wie im ungarischen Radio die Demonstranten in Kiew als "Heckenschützen" und "Terroristen" beschrieben werden. Im Merkur empfiehlt András Bruck den ungarischen Liberalen etwas weniger Kultiviertheit. In der New York Review of Books stellt Timothy Snyder klar, dass Janukowitschs Oligarchen das reaktionäre Regime bildeten, vor dem die russische Propaganda so gern warnt. Slate begutachtet Vampire als Rockstars. In artechock geißelt Rüdiger Suchsland am Beispiel der Beltracchi-Doku das auf den Hund gekommene Selbst­ver­s­tändnis deutscher Kritiker.

artechock (Deutschland), 27.02.2014

Sehr zornig zeigt sich Rüdiger Suchsland darüber, dass Arne Birkenstocks Dokumentarfilm über den Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi von den Redaktionen gar nicht erst den Film-, sondern den Kunstkritikern zugeschoben und wohlfeil "wie eine Fortsetzung des Plädoyers der Verteidigung" behandelt wird: "Die Jour­na­listen, die über Kunst und Galerien und die Kunst­szene berichten, nagen an den Knochen, die von diesen reich gedeckten Tafeln abfallen. ... Dass sie sich diese nicht verscherzen wollen, dass sie sogar etwas tun, um ihre Position zu verbes­sern, oder viel­leicht mal selbst ein hübsches Gutachten oder einen Kata­log­auf­satz zu schreiben, oder einen Kura­tor­sessel zu wärmen, kann man ihnen noch nicht einmal unbedingt verdenken. Auch wenn es nicht hübsch aussieht." Ursache dafür sei "letztlich das auf den Hund gekommene Selbst­ver­s­tändnis der Kritik. Von uns allen natürlich. Denn Film­kri­tiker sind nicht besser. Viele von uns verraten die Profes­sion genauso schnell, wenn es mit Macht und Geld gelohnt wird."
Archiv: artechock

Elet es Irodalom (Ungarn), 28.02.2014

Antal Siba empört sich über die Passivität von Ministerpräsident Viktor Orbán und die Berichterstattung der ungarischen öffentlich-rechtlichen Medien zu dem Konflikt in der Ukraine: "Die Ereignisse treiben den Ministerpräsidenten: Er sieht auch, dass auf Menschen geschossen wird, doch wirklich etwas dagegen tun kann er nicht. Einerseits, weil er vor kurzem noch Janukowitsch als Sicherheitsgarant der Region lobte, andererseits, weil er mit Putin auskommen muss. Eine große Wahl hat er also nicht. (…) "In Kiew schießen Heckenschützen auf Angehörige der Sicherheitskräfte. Die Sicherheitsorgane begannen mit dem Aufspüren und der Liquidierung der Terroristen", ist indessen im öffentlich-rechtlichen Radio in der Sendung "Zuhause in der Welt" zu hören, eine Lüge, die wahrscheinlich nur im osteuropäischen Maßstab messbar ist."

Die Nachricht über den Freitod des Dichters, Schriftstellers und Hochschullehrers Szilárd Borbély (mehr hier) erschütterte vergangene Woche die ungarische Öffentlichkeit. Der Autor Péter Nádas würdigt ihn in seinem Nachruf als "einen analytischen Geist, einen im Sein reisenden Menschenwissenschaftler, irgendwo im Schnittpunkt zwischen den Geisteswissenschaften, der Sprachwissenschaft und den Sozialwissenschaften".

New York Review of Books (USA), 20.03.2014

Der Historiker Timothy Snyder stellt klar, dass Janukowitschs Oligarchen das reaktionäre Regime war, vor dem die russische Propaganda so gern warnt. Die rechte Swoboda-Partei hat aber durchaus eine wichtige Rolle bei der Revolution gespielt, erklärt er in einem interessanten Hintergrundstück: "Als sie auf die Barrikaden ging, hat sie sich selbst von dem Regime befreit, dem sie als Bollwerk diente. Eine von Janukowitschs moralischen Grausamkeiten war es, die gemäßigt rechte Opposition zu zerschlagen und die Opposition der extremen Rechte zu unterstützen. Indem er seine größte Gegnerin Julia Timoschenko ins Gefängnis warf, konnte Janukowitsch die Demokratie zu einem Spiel machen, in dem nur noch er und die extreme Rechte mitspielten." Aber die Rechnung ging nicht auf: "Gegen den Willen ihrer Parteiführer kämpften jungen Swoboda-Mitglieder in großer Zahl an der Seite von Menschen mit ganz anderen Vorstellungen. Sie kämpften, brachten sich in Gefahr und starben, manchmal um andere zu retten. In postrevolutionären Situationen werden sich diese junge Männer eine neue Führung suchen."

Außerdem: Drew Gilpin Faust liest das voraussichtlich letzte Buch des Historikers David Brion Davis, "The Problem of Slavery in the Age of Emancipation". Und Edward Mendelson stellt den "geheimen Auden" vor.

Caravan (Indien), 01.03.2014

The Caravan druckt einen langen Auszug aus einem "buchlangen" Vorwort von Arundhati Roy von Bhimrao Ramji Ambedkars Essay "Annihilation of Caste", der darin 1937 die Abschaffung der Kasten gefordert hatte. Roy stellt zwei Personen einander gegenüber: Mahatma Gandhi, Brahmane von Geburt, der trotz bescheidenem Auftreten für den Erhalt eines Kastensystems eintrat und sich zum Beispiel als Anwalt in Indien vehement dafür einsetzte, dass die Inder von den Briten besser behandelt werden sollten als die Schwarzen. Und Ambedkar, Unberührbarer von Geburt, der die Verfassung Indiens mitschrieb und in "Annihilation of Caste" die zersetzende Wirkung des Kastensystems beschrieb: ""Annihilation of Caste" wird oft (sogar von Anhängern) als Ambedkars Utopia beschrieben [...] Schließlich ist für Millionen von Hindus aller Kasten, Unberührbare eingeschlossen, der praktizierte Hinduismus eine Art zu leben, die alles durchdringt - Geburt, Tod, Krieg, Ehe; Essen, Musik, Dichtung, Tanz. Es ist ihre Kultur, ihre Identität. Wie kann man dem Hinduismus abschwören, nur weil das praktizierte Kastensystem in den grundlegenden Texten, die die meisten Menschen nicht mal gelesen haben, gebilligt wird? Ambedkars Gegenargument ist: wie kann man nicht abschwören? Wie kann eine solche institutionalisierte Ungerechtigkeit, selbst wenn sie von den Göttern festgelegt wurde, für irgendjemanden akzeptabel sein?" (Ein großes Porträt Roys hat Siddhartha Deb für das neue NYT Magazine geschrieben.)
Archiv: Caravan

Merkur (Deutschland), 01.03.2014

Hat der Streamingdienst Netflix mit "House of Cards" wirklich eine Politserie geschaffen oder das erste Big-Data-Format, das die Präferenzen seiner Zuschauer genauestens einkalkuliert? Simon Rothöhler erklärt mit allen akademischen Mitteln, warum die Qualitätsserien so gut zum Video-on-Demand taugen: "Die "Sucht", von der Serienzuschauer in entsprechenden Fan-Foren immer sprechen, verweist auf Rezeptionsvorgänge, die oft wiederholt und deshalb angebotsseitig vergleichsweise präzise kalkuliert und kommodifiziert werden können. War zu Beginn des Stream-Zeitalters noch von der Ermächtigung des Zuschauers die Rede, der aus televisuellen Sendeschemata entlassen und selbst zum Programmierer wird, beziehungsweise von der Umstellung von push zu pull media, erscheint das flexible "Ziehen" von Content heute eher als Intensivierung konsumptiver Berechenbarkeit."

András Bruck denkt darüber nach, wie Ungarn vor dem Weg in eine Diktatur bewahrt werden kann. Immer nur vornehm tun, bringt jedenfalls nichts, stellt er fest: "Der Preis, den wir für unsere "Kultiviertheit" zahlen, ist furchtbar. Ein zu allem entschlossener, autoritärer Wille trifft auf eine Opposition, die die auf sie einstürzenden Übel pedantisch nach und nach vermisst, die die Diktatur als eine Art vergänglicher Anomalie geschwätzig in Analysen zerlegt, und das kann nur verhängnisvoll enden. Ungarn, das seine Verbündeten statt im Westen nun im Osten sucht, hat sich weit von den Hauptströmungen der internationalen Entwicklung entfernt."
Archiv: Merkur

The Atlantic (USA), 24.02.2014

Alexis C. Madrigal hat für eine großartige Geschichte (die ausgedruckt gut 30 Seiten umfasst) das gesamte Wasserversorgungssystem des Staates Kalifornien inspiziert. Dort herrscht bekanntlich seit Jahren große Trockenheit. Wo das Land nicht bewässert wird, wächst keine Pflanze mehr. Unter anderem besucht Madrigal das winzige Städtchen Hood, unweit des Sacramento-Deltas, wo der Gouverneur zwei gigantische unterirdische Wasserpipelines bauen will, die länger wären als der Tunnel unter dem Ärmelkanal. Die Einwohner sind begreiflicherweise ein bisschen skeptisch: "Das Delta, so fürchten sie, könnte austrocknen wie das Owens Valley, das einst einen Hundertquadratmeilen-See besaß: Aber Los Angeles schlürfte ihn aus wie ein kaltes Bier an einem heißen Tag. "Chinatown" handelte von dieser Schlacht, und die Bewohner des Deltas möchten nicht durch eine Fortsetzung dieses Films unsterblich gemacht werden. Allerdings würde aus diesem Ort keine Staubschüssel wie aus dem Owens Valley, sondern eher eine Salzwassergegend. Nach Inbetriebnahme der Tunnel würde Süßwasser aus den Wasserwegen des Deltas verschwinden, und Salzwasser aus der Bucht von San Francisco würde nachdrängen."

Im März-Heft untersucht Caitlin Flanagan den desaströsen Einfluss von Bruderschaften reicher Studenten auf amerikanische Universitäten. Der kanadische Autor Chris Koentges reist nach Turku, um den den siebzigjährigen finnischen Eishockeytrainer Urpo Ylönen zu besuchen, der gerade den Sport mit einem revolutionären Torhütertraining transformiert (mit der Folge, dass finnische Eishockeyspieler die kanadischen verdrängen). Und Claire Dederer erklärt in einem sehr persönlichen Text, warum es für Frauen so schwer ist, über Sex zu schreiben.
Archiv: The Atlantic

Letras Libres (Spanien / Mexiko), 28.02.2014

Drogenhandel war gestern, berichtet Ralph Zapata Ruiz: "Illegaler Bergbau ist in Peru mittlerweile die wichtigste gesetzeswidrige Tätigkeit. Damit werden etwa drei Milliarden Dollar Umsatz erzielt, 600 Millionen Steuern unterschlagen und um die 500 Tausend Menschen beschäftigt." Mit katastrophalen Folgen für die Umwelt: "50.000 Hektar ehemaliger Wald sind inzwischen verseuchtes, totes Land, vor allem in der Region Madre de Dios. (…) Für jedes dort gewonnene Kilo Gold werden 2,8 Kilo hochgiftiges Quecksilber  aufgewandt, die anschließend in die Flüsse und damit in die Nahrungsmittelkette gelangen. Vom Fischverzehr wird in diesem Gebiet mittlerweile abgeraten. Gekauft wird das Edelmetall von Großhändlern wie Oro Fino, Mega La Red und As Perú, die es auf eigene Kosten verfeinern und in die Schweiz weiterverkaufen, wo Uhren und Schmuck daraus hergestellt werden. Der peruanische Präsident Ollanta Humala sieht sein Land derweil auf dem Weg, einer der wichtigsten Bergbauproduzenten der Welt zu werden."
Archiv: Letras Libres

Oxford American (USA), 18.02.2014

In einem epischen Text sucht der Reporter John Jeremiah Sullivan nach den Ursprüngen von Ska. Irgendwo am Anfang stand Franklin Delano Alexander Braithwaite, aka Junior Braithwaite, aka Bratty (1949-99), der 14jährige Sänger der Wailers, als Bob Marley noch im Hintergrund die ah-ah-ahs sang. Der am Tag, nachdem er den Song aufgenommen hatte, der die Wailers berühmt machen sollte, mit seiner Familie in die USA flog und zwanzig Jahre dort blieb, eine Familie gründete, als Krankenpfleger arbeitete. Bis Bunny Wailer ihn auftrieb und fragte, ob er bei einem Wiedervereinigungsprojekt der Wailers mitmachen wolle. Er sagte ja und flog auf die Insel zurück. Am nächsten Tag wurde er bei einer Schießerei von Dealern getötet." Die Legende von Junior Braithwaite will es, dass er ins Studio kam, einen einzigen Song sang - geschrieben von Bunny Wailer oder Wailers, wie sie ihn immer noch in Trench Town nennen -, einen Song mit dem Titel "It Hurts to be Alone". Und dass der Song so erstaunlich war, so herzzerreißend, dass er unsterblich wurde."
Archiv: Oxford American

n+1 (USA), 01.03.2014

Greg Afinogenov analysiert die ersten 16 Minuten der russischen Nachrichtensendung Vesti nedeli vom 16. Februar (Video), die beispielhaft ist für den offiziellen russischen Umgang mit oppositionellen Stimmen. Angegriffen werden vom Moderator Dmitrii Kiselev in den ersten Minuten der liberale Journalist Viktor Shenderovich und der Dichter Igor Irten"ev, dessen eigentlicher Name, wie Kiselew enthüllt, Rabinovich ist. "In Nazideutschland, erklärt Kiselev finster, wären beide in Konzentrationslager verschleppt worden. Es lohnt sich, darauf näher einzugehen. Die Beschwörung des Jüdischseins beider Autoren dient der Aktivierung einer ganzen Reihe von Reflexen, die in den Pathologien von Nachkriegsrussland begründet liegen. Das Stereotyp lautet, dass die Juden wurzellose Kosmopoliten sind, ohne echte Anhänglichkeit an ihr Land, willens jeden zu verraten, wenn es ihnen nützlich erscheint. Sie sind schwache Feiglinge, die sich vor dem Kriegsdienst drückten, als echte Russen für sie starben, die aber gern das Opfer spielen. Über all dem sind sie eng verbunden mit der angeblich liberalen Ära der 1990er Jahre, als russische Politik vor allem von jüdischen Oligarchen dominiert war. All diese Assoziationen sind für den russischen Zuschauer sofort erkennbar, der diese Narrative sehr gut kennt, auch wenn er selbst kein Antisemit ist."
Archiv: n+1

Slate.fr (Frankreich), 24.02.2014

In einem Essay zeichnet die Filmjournalistin Ursula Michel nach, wie der blasse transsylvanische Vampir der old school im Lauf der Kinogeschichte zum amerikanischen Rockstar mutierte. Sie zeigt diese Verwandlung anhand zahlreicher Filmszenen, aus Polanskis "Tanz der Vampire" über Neil Jordans "Interview mit einem Vampir" bis zu "Buffy", "Twilight" und Jim Jarmuschs "Only lovers left alive". "Männlich, jung, amerikanisch mit Rockattitüde: so könnte das Phantombild des Vampirs im 21. Jahrhundert aussehen. Den alten rumänischen Grafen - halb Mensch, halb Fledermaus - in der Versenkung verschwinden lassend, ist der moderne Blutsauger ein Hochglanzmodell, geheimnisvoll, aber nicht furchteinflößend, sexy, aber nicht zu sehr, Vampir, aber kein Mörder. Eine Halbtonmodulation, die versucht, die ursprüngliche Animalität zu tilgen zugunsten einer kulturellen Künstlichkeit, auch was das Outfit angeht. Die subersive Kraft dieses Geschöpfs zu erhalten, indem man seine (soziale, physische) Radikalisierung vermeidet, es in der Rockkultur anzusiedeln, ohne es zu einem Außenseiterrebellen zu machen: Genau darin besteht die ganze Schwierigkeit der Modernisierung des Mythos."
Archiv: Slate.fr

New York Magazine (USA), 24.02.2014

Nach seinen jüngsten Scharmützeln mit Reportern, die ihm den Vorwurf der Homophobie eingetragen hatten, kündigt Alec Baldwin seine Hassliebe zur Presse auf und verabschiedet sich aus der Öffentlichkeit - öffentlich natürlich. In der Coverstory spielt der Schauspieler jetzt beleidigte Leberwurst und erklärt, dass New York leider nicht mehr seine Auster sei, sondern, so wie der Rest der Welt, ein einziger schlechter Film auf deinem Smartphone: "Als Schauspieler hat man vor einer Kamera das instinktive Bedürfnis zu spielen, einen dramatischen Moment zu erschaffen. Das ist fatal, wenn jeder dauernd eine Kamera auf dich richtet. So werden vor allem deine Fehler millionenfach und bis in alle Ewigkeit reproduziert, denn du wirst immer nur an deinem miesesten Tag gemessen … Was die Presse betrifft, sind liberale und konservative Medien in dieser Hinsicht gleich … Alle sind über die Maßen voreingenommen und nur darauf aus, dich in einem falschen Moment zu erwischen. Unsere Herzen, das politische Leben werden nurmehr noch von Hass angetrieben. Wir sind die Hass AG." Good-bye, poor Mr. Baldwin. Und sicherlich bis bald.

Joe Coscarelli berichtet von einem echt "Do the right thing"-mäßigen Ausbruch Spike Lees gegen weiße Hipster, die ihm sein Harlem kaputt, nein entschuldigung: sauber und ordentlich machen: "Das ist das beschissene Christopher-Kolumbus-Syndom. Ihr könnt nichts entdecken! Wir waren schon hier. Ihr könnt es euch nicht einfach unter den Nagel reißen. Die Brüder hier spielen ihre Scheiß-Drums in Mount Morris seit vierzig Jahren und jetzt dürfen sie das nicht mehr, weil es den neuen Bewohner zu laut ist. Mein Vater ist ein großer Jazzmusiker. Scheiße, er kaufte 1968 sein Haus und die Scheißleute, die letztes Jahr einzogen, riefen wegen meines Vaters die Polizei. Dabei spielt er nicht mal elektrischen Bass, er spielt akustisch! Verdammte Hacke, wir haben das beschissene Haus 1968 gekauft und Ihr ruft die Cops? 2013? Raus hier!"

Magyar Narancs (Ungarn), 13.02.2014

"Armut ist der größte Zuhälter", sagt die in der Schweiz lebende ungarische Drehbuchautorin Anna Maros. Zusammen mit ihrem Mann Men Lareida drehte sie den Spielfilm "Viktoria - A Tale of grace and greed" (mehr hier) über ungarische Prostituierte in Zürich. Der Film wurde mit Schweizer Mitteln finanziert, der ungarische Filmfond verweigerte seine Unterstützung. Über ihre Erfahrungen während der Recherche sprach Maros mit Susi Koltai: "Viele Nächte weinte ich durch, weil ich der ganzen Sache so nahe kam. Als Frau und als Ungarin war das schwerer zu ertragen als für meinen Mann. Du siehst diese Machtlosigkeit, dass die meisten betroffenen Frauen im Leben grundsätzlich keine Chance haben. Prostitution hat viele Komponenten und birgt viele Gefahren. Warum half der ungarische Staat der fünfzigjährigen Frau nicht, die sich dann aus eigenem Entschluss prostituieren ließ, damit sie ihre Strom- und Gasrechnungen und Schulden bezahlen kann? Die meisten Frauen würden diese Arbeit wohl nicht machen, wenn sie eine Wahl hätten. Die ungarische Situation muss sich ändern, damit nur diejenigen als Prostituierte arbeiten, die das wirklich wollen."
Archiv: Magyar Narancs

New York Times (USA), 07.03.2014

Die USA werden von einem Überwachungsskandal erschüttert, den ausnahmsweise mal nicht Edward Snowden enthüllt hat. Demnach soll die CIA einen Senatsausschuss ausgespäht haben, der die fragwürdigen Verhörmethoden der CIA unter der Bush-Regierung aufarbeiten sollte. Wie Mark Mazzetti berichtet, wurde der demokratische Senator Mark Udall aus Colorado darauf aufmerksam, dass eine interne CIA-Studie offenbar Einzelheiten aus dem unveröffentlichten Abschlussbericht des Ausschusses enthielt. In einem Brief an Barack Obama bezeichnet Udall das Vorgehen der CIA als "hochgradig beunruhigend für die Arbeit des Aufsichtsausschusses und für unsere Demokratie".

Brennende Fragen wirft Nathaniel Rich im Magazin der New York Times auf. In Kalifornien besucht er das Revive & Restore Labor, in dem enthusiastisch daran gearbeitet wird, längst ausgestorbene Tierarten, wie die 1914 ausgerottete Wandertaube, mit verwandtem DNA-Material wiederzubeleben. Doch wozu Arten zurückholen, deren Lebensraum nicht mehr existiert? Was geschieht, wenn ein hundert Jahre altes Immunsystem auf neue Krankheiten trifft? Und schließlich ist die Wiederbelebung womöglich bloß eine prima Exitstrategie für all unsere drängenden ökologischen Probleme. Problematisch könnte auch sein, dass der Mensch sich mit dem Revival-Programm zum Schöpfer aufspielt: "Man hofft, ein Tier zu erschaffen, das in die gleiche ökologische Nische passt wie sein verstorbenes Pendant, tut es das nicht, dann ab zurück in die Petrischale… Was macht es, ob die Wandertaube 2.0 eine echte Wandertaube ist? Wenn der neue, synthetisch geschaffene Vogel das Ökosystem eines Waldes bereichert, werden höchstens Konservatoren nörgeln, (die nämlich um ihren Job bangen, d. R.). Die genetisch angepassten Vögel würden auch nicht der erste Eingriff des Menschen in ein Ökosystem sein.. Als der Mensch auftauchte, war der Kontinent von Kamelen, zwei Meter großen Biebern und 250 Kilo schweren Riesenfaultieren bevölkert."
Archiv: New York Times