Magazinrundschau

Norman Stone: Was hilft Armenien?

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
23.10.2007. Die New York Review of Books bezweifelt, dass der Islam eine an sich friedliche Religion ist. Przekroj befürchtet, der Kosovo könne die EU spalten. Im Spectator verbittet sich Norman Stone die Einmischung der Politik in die Geschäfte der Historiker. In Letras Libres nennt der Schriftsteller Gabriel Zaid die größten Irrtümer in den kulturellen Debatten auf. In der Gazeta Wyborcza plädiert die Philosophin Barbara Skarga für einen europäischen Patriotismus. In Le Point behauptet der Philosoph Rene Girard: Wir sind fast am Ende. Im TLS behauptet Martha Nussbaum, dass nicht alle Menschen gleich mies sind. In der Weltwoche behauptet Roger Schawinski, dass die Weltwoche so gut ist, weil die anderen Zeitungen so mittelmäßig sind.

New York Review of Books (USA), 08.11.2007

Malise Ruthven beleuchtet eine Reihe von neueren Büchern zum Islam, darunter John Kelsays "Arguing the Just War in Islam", Hans Küngs "Der Islam: Geschichte, Gegenwart, Zukunft" und Michael Bonners "Jihad in Islamic History: Doctrines and Practice". Alle drei setzen sich mit der Frage auseinander, ob der Islam eine an sich friedliche Religion ist - wie zum Beispiel Bush und Blair behauptet haben - oder ob der Kampf von vornherein darin angelegt ist. Die Autoren scheinen die Rezensentin dagegen von letzterer Auffassung überzeugt zu haben: "Ob es einem gefällt oder nicht: Die Terror-Kampagnen folgen dem Beispiel des Propheten in seinem Kampf - seinem heiligen Krieg - gegen die Quraisch, einem heidnischem Stamm in Mekka. Im Kontext des ursprünglichen Konflikts zwischen den frühen Muslimen und den Mekkanern sagen die Quellen, einschließlich des Korans und der Erzählungen von Mohammeds Leben, dass der Kampf ein angemessenes Mittel ist, durch den Muslime versuchen sollten sicherzustellen, dass das Leben gemäß göttlichen Geboten geordnet werde." Die militante Lesart des Korans unterscheide sich nicht wesentlich von der gemäßigten eines Sheikh al-Azhar. Die Gemäßigten "hinterfragen zwar die Methoden der Militanten auf der Grundlage praktischer Ethik - bringen die 'Aktionen im Namen der Gerechtigkeit mehr Nutzen als Schaden' - ihre politische Rechmäßigkeit wird jedoch kaum in Frage gestellt."

Weiteres: Marc Danner analysiert das von El Pais veröffentlichte Transkript eines Gesprächs zwischen George W. Bush und Jose Maria Aznar von 2003, in dem diese über den bevorstehenden Krieg gegen Irak und eine mögliche zweite Uno-Resolution debattieren (und in dem sich der schöne Satz von Aznar befindet: "Das einzige, was mich beunruhigt, ist Ihr Optimismus.") Larry McMurtry widmet sich Diane Keatons gesammelten Fotokollektionen. Abgedruckt wird ein offener Brief prominenter Außenpolitker wie Zbigniew Brzezinski oder Brent Scowcroft, der nachdrücklich vor einem Scheitern der anstehenden Nahost-Konferenz warnt.

Besprochen werden die Ausstellungen zu Lorenzo Ghibertis Florentiner Paradiespforte in gleich mehreren Museen und und Arthur M. Schlesingers Tagebücher von 1952 bis 2000.

Nepszabadsag (Ungarn), 21.10.2007

Im Vorfeld des 23. Oktober, dem Jahrestag der Revolution von 1956 in Ungarn, wird allerorten beklagt, der Nationalfeiertag könne nicht gebührend begangen werden, die jüngeren Generationen könnten mit diesem Ereignis nichts anfangen. Der Journalist Adam Petri Lukacs sieht den Grund für diese Unfähigkeit in der fehlenden Erinnerungskultur: "Bis heute fand keine gesellschaftliche Diskussion darüber statt, welche Bedeutung die Tage der Revolution für die einzelnen Familien hatten. Andererseits erwarten wir, dass unsere Kinder all das verstehen, was sie derzeit zu sehen bekommen: neofaschistische Demonstranten oder entleerte Nationalfeierlichkeiten; sie müssten doch erst einmal dazu bewegt werden, sich für die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern zu interessieren und sie kennenzulernen. Um das zu erreichen, müssen Schulen und Familien miteinander kooperieren - dann könnten die Schüler über das, was sie zu Hause erfahren haben, in der Schule und mit ihren Lehrern diskutieren. Es könnte so ein viel differenzierteres Bild über 1956 in den Köpfen der Jugendlichen entstehen."
Archiv: Nepszabadsag
Stichwörter: Erinnerungskultur, 1956

Spectator (UK), 20.10.2007

Der Historiker Norman Stone verbittet sich jede Einmischung der Politik in seine Arbeit. So sei die Erklärung des amerikanischen Kongresses zum Genozid an den Armeniern kontraproduktiv für alle Beteiligten. "Die meisten Historiker, die sich mit der Gegend und den Quellen auskennen, nennen es nicht 'Genozid'. Die beste aktuelle Darstellung ist Guenter Lewys 'A Disputed Genocide'. Aber ob sie nun richtig oder falsch liegen, es ist sicherlich unsinnig, sich einzumischen, das gilt für den Kongress und jede andere politische Institution. (...) Nichts von all dem hilft Armenien, ein armes Land, ohne Zugang zum Meer, das ausgerechnet von Energielieferungen aus dem Iran abhängig ist und ohne das Geld seiner Emigranten in einem noch viel schlimmeren Zustand wäre. Ständig emigrieren Menschen - 60.000 alleine nach Istanbul - aus einem Land, das dringend gute Beziehungen zur benachbarten Türkei braucht."
Archiv: Spectator

Letras Libres (Spanien / Mexiko), 20.10.2007

Der Schriftsteller Gabriel Zaid zählt die wichtigsten Irrtümer auf, die mit dem Begriff der Kultur verbunden werden: "Der Glaube, wir seien keine Tiere, oder wir seien nichts anderes als Tiere; der Glaube, alles sei bereits erfunden, oder man könne von allen Erfindungen absehen und 'bei Null anfangen'; der Glaube, alle Traditionen seien zu respektieren, oder keine einzige; der Glaube, früher sei alles besser gewesen, oder in der Zukunft werde alles besser sein; der Glaube, alle Experimente seien gefährlich, oder kein Experiment sei gefährlich; der Glaube, Kultur dürfe oder könne kein Geschäft sein, oder sei ein Geschäft wie jedes andere."
Archiv: Letras Libres

Gazeta Wyborcza (Polen), 20.10.2007

Am 23. Oktober feiert der polnische Philosoph Leszek Kolakowski seinen 80. Geburtstag, und fast die ganze Wochenendausgabe der Tageszeitung ist ihm und seinen Texten gewidmet. Chefredakteur Adam Michnik schreibt: "Kolakowskis Werk hat viele Dimensionen, und jede wird noch über Jahrzehnte Gegenstand von Studien und Analysen sein. Für mich sind seine Schriften vor allem eine Warnung - vor Dummheit, Hass, Verblendung. Die Warnung ist um so wichtiger, als dass wir diese Pathologien nicht bei den anderen suchen sollten, sondern bei uns selbst."

Außerdem im Dossier nachzulesen: Kolakowskis Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1977; seine Anleitung, wie man ein liberal-konservativer Sozialist wird.

Die philosophische Ausgabe der Wyborcza vervollständigt die Philosophieprofessorin Barbara Skarga mit einem Plädoyer für einen europäischen Patriotismus. "Heute Patriot zu sein, heißt nicht nur polnischer, sondern auch europäischer Bürger zu sein. Man muss dieses gemeinsame Vaterland haben, das nationale Abgrenzungen überschreitet. Das bedeutet, in guter Nachbarschaft zu bauen. (...) Wir dürfen die europäische Idee nicht verlieren. Man muss sie verteidigen und gegen die ankämpfen, die den entstehenden europäischen Patriotismus weder verstehen noch anerkennen können".

Und: Volker Schlöndorff stellte auf dem Internationalen Filmfestival in Warschau seinen neuen Film "Ulzhan" vor. Im Gespräch mit Pawel T. Felis verrät der Regisseur, wie froh er war, nach "Strajk" und "Am neunten Tag" diesen Film zu machen: "Als der Drehbuchautor Jean-Claude Carriere anrief, sagte ich gleich: Ja! Das ist das, was ich brauche. Pures Kino. Keine Politik, keine Geschichte, nicht mal Literatur. Nur die große Steppe und ein einsamer Mensch."
Archiv: Gazeta Wyborcza

Espresso (Italien), 19.10.2007

"Mammoni" oder "bamboccioni" nennt man in Italien die jungen Erwachsenen, die aufgrund hoher Mieten und niedriger Löhne immer noch und immer länger bei ihren Eltern wohnen. Wirtschaftsminister Tommaso Padoa Schioppa hat nun vorgeschlagen, die Nesthocker, die unter anderem für die niedrige Geburtenquote verantwortlich gemacht werden, mit Steuerbegünstigungen für auswärts Wohnende aus ihrer Höhle zu treiben. In seiner Bustina di Minerva spendet Umberto Eco Beifall und bricht eine Lanze für den Minister und seinen umstrittenen Plan. "Diese Dreißigjährigen sind großteils Absolventen oder Doktoren (wie man in Italien heute absurderweise alle nennt, die drei Jahre Uni hinter sich haben), die sich nicht dazu herablassen können, Pakete auszuliefern. In fast allen amerikanischen Biografien von großen Schriftstellern oder Politikern liest man, dass sie auch nach ihrem Studium Schuhe poliert, Teller gewaschen oder Zeitungen verkauft haben. Warum machen das die Amerikaner, die Italiener aber nicht?" Ob Umberto Eco in seinem Leben jemals einen Schuh poliert hat, ist nicht bekannt.
Archiv: Espresso
Stichwörter: Eco, Umberto, Mieten

Point (Frankreich), 18.10.2007

Der Anthropologe und Philosoph Rene Girard hat bei seiner Lektüre des Militärstrategen Clausewitz erstaunliche Parallelen zu seinen eigenen Thesen ausgemacht. In seinem Buch "Achever Clausewitz" (Carnets nord) liefert er eine düstere Gesellschaftsanalyse, die er im Interview mit Elisabeth Levy so formuliert: "Die Weltkriege markierten eine Etappe im Steilflug hin zu Extremen. Der 11. September 2001 war der Beginn einer neuen Phase. Der derzeitige Terrorismus muss noch durchdacht werden. Man begreift noch immer nicht, dass ein Terrorist bereit ist zu sterben, um Amerikaner, Israelis oder Iraker umzubringen. Das Neue im Vergleich zum westlichen Heroismus besteht darin, dass Leid und Tod verlangt werden, notfalls indem man beides selbst erfährt. Die Amerikaner haben den Fehler gemacht, Al-Qaida 'den Krieg zu erklären', obwohl man nicht einmal weiß, ob Al-Qaida überhaupt existiert. Die Ära der Kriege ist vorüber: Von nun an herrscht überall Krieg. Wir sind in eine Ära universellen Handelns eingetreten. Es gibt keine intelligente Politik mehr. Wir sind so gut wie am Ende."

In seinen Bloc-notes bekräftigt Bernard-Henri Levy noch einmal seine Haltung zu Burma und watscht Sarkozy bezüglich seiner neuerdings recht laxen Haltung zur Menschrechtsfrage in Russland ab: "Welcher Sinneswandel! Und so schnell!"
Archiv: Point

Times Literary Supplement (UK), 19.10.2007

Die Philosophin Martha Nussbaum hat sich die jüngste Arbeit des durch sein Gefängnis-Experiment berühmt gewordenen Stanford-Psychologen Philip Zimbardo angesehen. "The Lucifer Effect" heißt das Buch und fragt, was Menschen böse macht. "Zimbardo schließt, dass Situationen viel stärker als Charaktereigenschaften erklären, warum Menschen andere grausam und erniedrigend behandeln. Er verbindet diese Einsichten mit einem detaillierten Bericht über die Misshandlungen durch amerikanische Soldaten im Gefängnis Abu Ghraib, wo, wie er argumentiert, die Demütigungen und Quälereien, die die Gefangenen über sich ergehen lassen mussten, nicht von bösen Menschen, sondern von einem bösen System hervorgebracht wurden. Situationen werden von Systemen geschaffen, sagt er, und es ist am Ende das System, das wir herausfordern müssen, nicht den durchschnittlichen Akteur." Nussbaum will dem nicht folgen: "Menschen sind nicht gleich. Die Forschungen, die Zimbardo beschreibt, zeigen ein erschreckend großes Ausmaß von miesem Verhalten in den Experimenten, aber in keiner Weise einheitlich mieses Verhalten."
Stichwörter: Nussbaum, Martha

Elet es Irodalom (Ungarn), 19.10.2007

Auf der neuen Rangliste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit, die die Organisation "Reporter ohne Grenzen" gerade veröffentlicht hat, ist Ungarn auf den 17. Platz gerutscht. Das ist zwar immer noch eine vornehme Position - Ungarn steht besser da als die gesamte G8 - dennoch stimmt es den Kritiker Janos Szeky nachdenklich: "Polen nahm 2004 ungefähr den gleichen Rang wie Ungarn ein, dann kam aber der Absturz: Platz 56. Es begann - vielleicht - mit einer schweren Geldstrafe für einen Journalisten, der eine beleidigende Bemerkung über den Papst fallen gelassen haben soll. Die Moral dieser und ähnlicher Geschichten ist, dass man mit Losungen wie 'so etwas wäre bei uns unmöglich' und 'Brüssel würde es niemals zulassen' vorsichtiger sein sollte. Es ist bei uns überhaupt nicht unmöglich, und Brüssel ist keine Kindergartentante mit einem prüfenden Blick, sondern ein selbstzufriedener, ein wenig zynischer und zögernder Politikerveteran, der mit der kämpferischen Devianz anders geschulter Eliten kaum etwas anzufangen weiß. Daher müssen auch die Fragen andersherum gestellt werden: Ist denn bei uns die zivile Kontrolle der Geheimdienste stärker? Gibt es bei uns Politiker, die die Medien als Mittel und den Kritiker als Feind auffassen? Und wenn ja, in welchem Verhältnis? Gibt es den Hang in der politischen Elite, Tabus aufzustellen und diese zu beschützen? Und wie viel besser steht es nun um die Pressefreiheit in Ungarn als in Polen? Die Antwort kennt nur der Ostwind."

Ein Markt für zeitgenössische Kunst in Ungarn existiert erst in Ansätzen, wenn überhaupt. Die Budapester Kunsthistorikerin und Galeristin Judit Virag sieht dafür im Interview mit Eszter Radai historische Gründe: "Es gab nie einen Käuferkreis. Weder in den 20er und 30er Jahren, noch nach dem Krieg oder in der 60ern und 70ern. Dies scheint leider bis heute der Fall zu sein. Als die Wende kam, hofften die Künstler endlich mit den internationalen Bewegungen Schritt halten und dadurch bekannt werden zu können. Es kam aber anders. Zwar muss sich die moderne Kunst nicht mehr verstecken, dennoch blieb der Durchbruch aus. Der Staat hat sich inzwischen ganz aus der bildenden Kunst zurückgezogen, aber da sich auch die privaten Geldgeber nicht für Kunst interessieren, ist ein Vakuum entstanden, das bis heute unausgefüllt geblieben ist."

Nouvel Observateur (Frankreich), 18.10.2007

Was sind die Gesichter des Kolonialismus? Wie steht man dieser Vergangenheit gegenüber? Auf diese Fragen versucht Jean-Pierre Rioux in dem von ihm herausgegebenen "Dictionnaire de la France coloniale" (Flammarion) eine Antwort zu geben. Im Interview erinnert er daran, dass über den Kolonialismus in der Dritten Republik innerhalb der Linken gestritten wurde und kommt auf eine Debatte zwischen dem Erziehungsminister Jules Ferry und Georges Clemenceau, beides knochenharte Republikaner, im Jahr 1885 zurück. "Ferry, der über seine Kolonialpolitik nie theoretisiert hat, appelliert in einer Stprache, die heute unerträglich scheint, an die drei Dimensionen, die sich im Kolonialismus immer vermischt haben - von 1885 bis 1962: die wirtschaftliche Dimension ('die Kolonialpolitik ist eine Tochter der Industriepolitik'), die humanitäre ('die überlegenen Rassen haben die Pflicht die unterlegenen Rassen zu zivilisieren') und die nationale ('eine große Nation, die nicht ausstrahlt, dankt ab'). Und Clemenceau erwidert: 'Versuchen wir nicht, die Gewalt unter dem heuchlerischen Namen der Zivilisation zu verstecken."

Przekroj (Polen), 18.10.2007

Rafal Kostrzynski befasst sich mit der umstrittenen Zukunft des Kosovo - ein Streit, der den Zusammenhalt der EU gefährde. "Eine einseitige Unabhängigkeitserklärung würde einen weiteren Schlag gegen die gemeinsame Außenpolitik der EU bedeuten. Rumänien und die Slowakei wollen wegen ihrer ungarischen Minderheit kein unabhängiges Kosovo, Griechenland fürchtet den albanischen Separatismus im benachbarten Makedonien. Auch Zypern und Spanien befürchten Abspaltungen. Die Gegner der kosovarischen Souveränität können jedoch nur eines: demonstrativ die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verweigern". Das Worst-Case-Szenario nach der Unabhängigkeitserklärung wäre nach Meinung des Experten Adam Balcer eine Intervention der KFOR, um die völkerrechtliche Integrität Serbiens zu bewahren. Oder die serbische Armee übernimmt das - was einer Neuauflage von 1999 gleichkäme.
Archiv: Przekroj

Weltwoche (Schweiz), 18.10.2007

Die Weltwoche druckt einen kritischen Kommentar des Schweizer Journalisten Roger Schawinski ab: zur Weltwoche, ihrem Chefredakteur, dem Blocher-Verehrer Roger Köppel, und anderen Schweizer Journalisten. Die Weltwoche sei "das mit Abstand spannendste Presseerzeugnis der Deutschschweiz" und das liege nicht zuletzt an Köppel. "In keinem der anderen großen Blätter findet sich zurzeit eine Persönlichkeit, die sich nur im Entferntesten mit ihm messen kann. In den von Managern und Publizistischen Leitern geführten Verlagshäusern sind andere Eigenschaften gefragt, und deshalb ragt dort - anders als in der jüngeren Vergangenheit - niemand aus dem taktierenden Mittelmaß heraus. Damit hat Köppel leichtes Spiel, ständig die Themenführerschaft an sich zu reißen. Das ist fatal. Denn Roger Köppel nutzt eiskalt einen zweiten Vorteil: Indem er sich auf die Seite Blochers geschlagen hat, profitiert er von ähnlichen Reflexen wie die, welche die SVP zur dominierenden Partei gemacht haben."

Bild-Chefredakteur Kai Diekmann erläutert im Interview mit Roger Köppel seine These über die "linke Verständnisfolklore", diesen "Totalitarismus der Anständigen", die uns um unsere Zukunft bringen sollen (sein Buch dazu erscheint übermorgen). "Die Deutschen haben die Neigung, alles 200-prozentig zu machen. Nach dem universalen Hass der NS-Ideologie herrscht nun schon seit Jahren das universale Verständnis für alles und jeden. Diese Gutmenschenattitüde sorgt allerdings in vielen Bereichen, sei es Straf-, Asyl- oder Schulrecht, für verheerende Ergebnisse. Auch hier ist gut gemeint eben oftmals das Gegenteil von gut."
Archiv: Weltwoche