Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
17.01.2006. Der Economist glaubt nicht an Alan Greenspan. Wer hat Angst vor W.A. Mozart, fragt Il Foglio. In Elet es Irodalom feiert Laszlo Földenyi die Kraft DADAs. In Polityka bekundet Andrej Konchalovsky seine Verachtung der Demokratie. Die Weltwoche berichtet über geraubte Kunst in der Schweiz. Im Express versucht Nicolas Baverez die westlichen Demokratien wachzurütteln. Die New York Times informiert uns über das japanische Phänomen Hikikomori.

Outlook India (Indien), 23.01.2006

Hindu-Mädchen in Pakistan leben gefährlich, wenn man der Titel-Reportage von Mariaana Babar glauben darf. Sie ist nach Sindh gereist, wo noch viele Hindus leben und wo immer wieder Entführungsfälle bekannt werden. Mädchen im Alter von 13 Jahren werden gezwungen, zum Islam überzutreten und einen Muslim zu heiraten: "Wo immer ich hingehe, erzählen Hindus von 'vermissten Mädchen'. Entführung, Bekehrung und Heirat kommen in diesen Erzählungen immer wieder vor. Die Mädchen erscheinen dann vor Gericht, um zu behaupten, dass sie freiwillig zum Islam übergetreten sind. Alle Verbindungen zur Herkunftsfamilie und -gemeinschaft werden abgebrochen. Für ihre Familie sind sie für immer verloren."
Archiv: Outlook India
Stichwörter: Heirat

Foglio (Italien), 14.01.2006

Wer hat Angst vor Mozart?, fragt Siegmund Ginzberg. Die Mullahs in Teheran wahrscheinlich! "Der erfolgreichste Film in den iranischen Kinos ist eine Komödie mit musikalischem Bezug. Sie heißt 'Max'. Es geht um einen iranischen Musiker, der nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten zurückkehrt und mit allen Ehren empfangen wird. Er macht Rapmusik, wird aber missverständlicherweise für einen klassischen Musiker gehalten. Nach einigen Gags bringt er sogar die Revolutionäre Garde dazu, die 'Musik Satans" zu schätzen. Alle im Saal lachen bis zum Umfallen, vom Anfang bis zum Ende. Leider genügt ein Lachen nicht, um ein Regime zu stürzen. Aber man kann sich keine Situation vorstellen, die mehr nach Mozarts Geschmack wäre: sich über etwas lustig machen, die Freude darüber, dass auch die 'ernsthaftesten' Fragen durch das Gelächter des enfant terrible entheiligt werden. Was Mozart von allen anderen unterscheidet, auch vom leidenschaftlichen, militanten und sehr ernsten Beethoven, ist sein Humor, seine Fähigkeit, optimistisch zu bleiben und zugleich zauberhaft spitzbübisch." (Der Artikel kann als pdf 1 und 2 gelesen werden.)
Archiv: Foglio

Weltwoche (Schweiz), 12.01.2006

Thomas Buomberger hofft, dass das Kulturgütertransfergesetz (pdf) den Handel mit geraubter Kunst in der Schweiz austrocknen wird. Vor gar nicht allzu langer Zeit waren dort noch die größten Kunstschmuggler zu Hause. "Das Erdbeben in der Antiquitätenszene ausgelöst hat ein italienischer Antiquitätenhändler, der ebenfalls von der Schweiz aus operierte: Giacomo Medici. Die Justiz konfiszierte vor zehn Jahren im Genfer Freilager etwa 10.000 Kunstobjekte im Wert von 50 Millionen Franken; diese Objekte wurden mittlerweile 'als Beweismittel' von der Schweiz nach Italien spediert, wohl im Wissen, dass sich so elegant unerwünschte Ware von Schweizer Boden entfernen ließ. Zudem wurden bei Medici Tausende Polaroidfotos von Kunstwerken gefunden, die später teilweise in Museen in den USA und Europa identifiziert werden konnten. Medici, der von einem italienischen Gericht zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, war der Größte im Geschäft, zu seinen Kunden gehörten die renommiertesten Auktionshäuser wie Sotheby?s, Sammler und Museen aus der ersten Liga." Buomberger sieht in den nächsten Jahren eine Welle von Prozessen auf die Museen zukommen.
Archiv: Weltwoche

Gazeta Wyborcza (Polen), 14.01.2006

Im dritten Teil von Maciej Zarembas Artikelserie über Wanderarbeiter in Europa geht es um Polen - und nicht nur um den berühmten "polnischen Klempner". Er sprach mit polnischen Familien, in denen alle Geschwister in verschiedenen europäischen Ländern arbeiten: "In Polen gibt es Arbeit, aber wenn ich nicht muss, arbeite ich für das Geld nicht. Wenn ich hier 1100 Euro verdienen kann, muss ich schon das Doppelte bekommen, um mich im Ausland rumzuschlagen" sagt einer von den Bauarbeitern, die in Schweden ihr Geld verdienen. Den schwedischen Baugewerkschaftlern, die besonders aggressiv gegen Arbeiter aus Osteuropa vorgehen, hält Zaremba folgende Geschichte vor: "In den siebziger Jahren haben Tausende von Schweden in den Ostblockländern gearbeitert. Das waren keine 'Gastarbeiter' - sie waren 'delegiert' wie heutzutage die Letten im Norden. Sie verdienten damals 20 Mal mehr als dortige Arbeiter, zahlten keine Steuern, besuchten die besten Restaurants und die teuersten Bordells. Manche nahmen sich sogar billige polnische Stellvertreter, um selbst nicht arbeiten zu müssen. Dass diese ihr Leben riskierten, wenn sie für ihre Arbeitnehmerrechte eintraten, schien die 'Delegierten' damals nicht interessieren, genauso wenig wie es heute die schwedischen Gewerkschafter interessiert."

Der Schriftsteller Jaroslaw Mikolajewski schreibt eine Lobeshymne auf den legendären italienischen Liedermacher Fabrizio de Andre (mehr), der 1999 mit 59 Jahren starb. "Fabrizio de Andre, der italienische Brassens, Okudschawa oder Kaczmarski. Einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts. Die Nachricht von seinem Tod berührte mich mehr als die Tatsache, dass 1374 Francesco Petrarca starb."
Archiv: Gazeta Wyborcza

Express (Frankreich), 12.01.2006

Der französische Wirtschaftsanwalt und Essayist Nicolas Baverez, Autor der in Frankreich heftig diskutierten Polemik "La France qui tombe: un constat clinique du declin francais" (Perrin), legt dieser Tage ein neues Buch vor: "Vieux Pays, siecle jeune" (Perrin, dort heißt es allerdings "Nouveau monde vieille France"). In einem Interview erläutert er seine Kernthese, wonach das 21. Jahrhundert durch das Ende des Kalten Krieges mit einem "Urknall der Geschichte" begonnen habe, durch den sich "mehrere Kreise geschlossen" hätten. Allerdings hätte der Verlust von Feinden die Demokratien "eingelullt" und "unbewusst" dazu verführt, die Welt "auf Autopilot" zu schalten. "Das Erwachen war brutal: der Börsenkrach 2000, Terroristenanschläge in New York, Madrid und London, Kriege wie am Fließband in Afghanistan und im Irak... Wir wollten nicht zugeben, dass der Planet von ständiger Gewalt, Krisen und revolutionären Aufbrüchen erschüttert wird. Am Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Regierenden versucht, der Welt mit der UNO und den Beschlüssen von Bretton Woods neue Strukturen zu geben. Eine vergleichbare Umgestaltung hätte man am Ende des Kalten Krieges ebenfalls vornehmen müssen, aber die Demokratien haben sich damit begnügt, die Dividenden des Friedens unter sich aufzuteilen. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert standen sie dann da: wehrlos angesichts des Schocks einer sich überschlagenden Geschichte und mit entrechteten Institutionen, ratlosen Bürgern und erschütterten Werten."
Archiv: Express
Stichwörter: Irak, UNO, Unbewusste

Polityka (Polen), 14.01.2006

Der russische Filmregisseur Andrei Konchalovsky ("Runaway Train") bekundet im Interview seinen Respekt für den KGB und seine Verachtung für die Demokratie: "Unter Jelzin haben wir eine Lektion in Demokratie erlebt - zehn Jahre lang stürzte man die Nation in den Alkoholismus, drei Millionen Kinder wurden auf die Straße gesetzt, 40000 Morde wurden jährlich begangen und einhundert Milliardäre produziert. Das ist die Bilanz dieser erbärmlichen Demokratie". Konchalovsky, der in Warschau an einer neuen Inszenierung von "King Lear" arbeitet, spricht sich auch gegen politische Interpretationen von Kunst aus: "Die Kunst wird die Revolution nicht ersetzen, sie verändert niemanden zum Besseren. Sie kann einen Menschen nur für fünf Minuten verändern - dann zieht er seinen Mantel an und verlässt das Kino oder Theater".

Marcin Rotkiewicz rät den Polen, nicht auf "hysterische Ökologen" zu hören und angesichts der Energieprobleme Atomkraftwerke zu bauen. Er erinnert an die Geschichte des Atommeilers von Zarnowiec, der trotz Ausgaben von ca. einer Miliarde US-Dollar gleich nach der Wende halbfertig gestoppt wurde. "Wenn die polnische Regierung eine Entscheidung für die Atomkraft trifft, können wir im ganzen Land mit lauten und demagogischen Protesten von Greenpeace und anderen Organisationen rechnen. Deshalb ist eine rationale Informationskampagne und eine konsequente Haltung der Regierung so wichtig".
Archiv: Polityka

New Yorker (USA), 23.01.2006

In einer Reportage mit dem Titel "Die Lotterie" beschreibt Dan Baum am Beispiel des Peruaners Raul Jara, was passiert, wenn man an einer Verlosung amerikanischer Green Cards teilnimmt und tatsächlich eine der begehrten Arbeitserlaubnisse gewinnt. Die Lotterie wurde im Namen der "Vielfalt" eingeführt und sollte mehr weiße Immigranten nach Amerika bringen. "Was immer diese Lotterie auch für die Vervielfältigung des Immigrantenpools tut, ist sie in jedem Fall eine ausgezeichnete Werbung für den amerikanischen Traum. Dass ein Tapezierer oder Rohrverleger aus Ouagadougou oder Eriwan, der anders keine Chance zur Emigration hätte, plötzlich eine Green Card überreicht bekommt, ist eine ebenso schlagkräftige Vorstellung wie die von einer Waisen, die Präsident wird, oder von dem 25-Jährigen, der in Las Vegas 40 Millionen Dollar gewinnt. Die Chancen sind nicht schlecht: mit 118 zu 1 stehen sie wesentlich besser als die Aussichten von 45 Millionen zu 1, den Hauptgewinn im New Yorker Lotto zu gewinnen."

David Denby sah im Kino Eugene Jareckis Dokumentarfilm "Why We Fight" über Amerikas "militärisch-industriellen Komplex" und Dani Levys "Alles auf Zucker". An "Zucker" gefielen ihm die "zugleich rührenden und ein wenig absurden Charaktere", und er war "bewegt von dem Gedanken, dass Juden wieder eine Art Deutschsein, und mehr noch, dass Deutsche wieder eine Art von Jüdischsein erreicht haben".

Weitere Besprechungen: David Levering Lewis rezensiert den dritten und letzten Band einer Chronik der USA von Taylor Branch; "At Canaan's Edge" (Simon & Schuster) beschäftigt sich mit der Zeit zwischen 1965 und 1968 und zeichnet die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung anhand der Biografien zweier "tragischer Titanen" nach: "Martin Luther King, Jr., der moderne Moses und Lyndon Baines Johnson, der Möchtegern-Lincoln". Die Kurzbesprechungen widmen sich unter anderem dem Buch eines Times-Reporters über die Aktivitäten der CIA seit dem 11. September (James Risen: "State of War", Free Press). Nancy Franklin schreibt über das Programm des TV-Senders Sci Fi Channel und eine Neuauflage der 70er-Serie "Battlestar Galactica". Hilton Als bespricht die Theaterstücke "Beauty of the Father" von Nilo Cruz und "Abigail's Party" von Mike Leigh. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Sundowners" von Monica Ali.

Nur in der Printausgabe: Porträts des Journalisten und Radiopioniers Edward R. Murrow und des israelischen Premiers Ariel Sharon, ein Artikel über Autojagden in Los Angeles und Lyrik.
Archiv: New Yorker

Elet es Irodalom (Ungarn), 13.01.2006

"Sie wollten keine Museen in die Luft sprengen wie die Futuristen, die Menschheit nicht erlösen wie die Expressionisten, sie quälten nicht einmal ihr Publikum mit verschiedenen Theorien wie die Surrealisten", feiert der Kunsttheoretiker und Essayist Laszlo Földenyi den Dadaismus anlässlich der großen Ausstellung im Pariser Centre Pompidou. "DADA wirkt heute genauso, wie vor neun Jahrzehnten. Egal was für Zufälle, was für unerwartete und ungeplante Dinge geschehen, die Kraft DADAs ist immer zu spüren. DADA lebt, auch wenn man das Gegenteil munkelt. Es lebt in uns, heute noch, am meisten vielleicht in Momenten, wenn wir nicht daran denken. ... DADA ist für mich die wichtigste, aktuellste Kunstrichtung des 20. Jahrhunderts. In seiner Nähe spürt man eine ungeheuere Freiheit, alle Ideologien und Besonnenheiten werden schwerelos. DADA ist ein Vexierspiegel für Schlausprecher, ein eiskaltes Lächeln für Besserwisser."

Miklos Haraszti, Mitbegründer der demokratischen Opposition Ungarns, heute Beauftragter für Medienfreiheit der OSZE, erklärt im Interview, mit welchen Schwierigkeiten sein Amt in den postsowjetischen Ländern zu kämpfen hat: "In diesen neuen Demokratien ist Meinungsvielfalt meist nur in den Printmedien und im Internet möglich. Es sind zwar auch einige kommerzielle Fernsehsender entstanden, aber das änderte kaum etwas am Informationsmonopol des Staates: die Privatisierung wurde durch die für diese Länder typischen Netzwerke von Verwandten und Freunden stark manipuliert. Die Printmedien werden von den Behörden unter Druck gesetzt. Die Strafgesetzbücher werden als 'rechtsstaatliche' Mittel benutzt, Meinungsäußerungen und journalistische Recherche als Verleumdung, Ehrenbeleidigung und Geheimnisverrat zu bestrafen. Oppositionelle Nichtregierungsorganisationen haben das Recht, diese Praxis heftig zu kritisieren, und wir können sie verteidigen. ? Aber dann dürfen wir nicht politisch, sondern müssen rein medienrechtlich argumentieren."

Außerdem: Der Osteuropaexperte Paul Lendvai wertet die 395 Seiten umfassenden Stasi-Unterlagen aus den Jahren 1958-1966 aus, die ihm das Ungarische Staatssarchiv "zu Weihnachten schenkte".

Guardian (UK), 14.01.2006

In einem Vorabdruck seiner Memoiren schreibt der Autor Kurt Vonnegut über die Bombardierung von Dresden (wobei er die hanebüchene Zahl verbreitet, dabei seien 135.000 Menschen ums Leben gekommen - aber vielleicht ist das auch nur ein Druckfehler?), über den Humor in der Tragödie und seine Anfänge als Schriftsteller: "Hier eine Lektion im kreativen Schreiben. Erste Regel: Benutzen Sie keine Semikolons. Das sind transvestite Hermaphroditen ohne jegliche Bedeutung. Sie zeigen einzig und allein, dass Sie studiert haben. Mir schwant, dass einige von Ihnen Schwierigkeiten haben werden zu entscheiden, ob ich scherze oder nicht. Von nun an werde ich es Ihnen sagen. Zum Beispiel: Schließen Sie sich der Nationalgarde oder den Marines an und lehren Sie Demokratie. Ich mache Spaß. Wir sind drauf und dran, von al Qaida angegriffen zu werden. Schwenken Sie Fahnen, wenn Sie welche haben, das scheint sie abzuhalten. Ich mache Spaß. Wenn Sie Ihren Eltern wirklich wehtun wollen und keine Lust haben, schwul zu werden, sollten Sie Künstler werden. Ich mache keinen Spaß."

Der britische Schriftsteller Justin Cartwright versucht, sich dem "Propheten des Untergangs" Stefan George zu nähern, dessen Poesie so modern und dessen Überzeugungen so reaktionär waren: "Als ich anfing, mich mit George und seinem Einfluss zu beschäftigen, bemerkte ich, wie tief diese Sehnsucht nach etwas Noblem war und wie akut das Gefühl der Demütigung in allen Teilen der Gesellschaft."

Weitere Artikel: James Campbell trifft den Schriftsteller El Doctorow. Blake Morrison feiert die Ausstellung "Making History" zur dokumentarischen Fotografie in Großbritannien in der Tate Liverpool. Gerard McBurney stellt fest, dass sich Anhänger und Kritiker von Dimitri Schostakowitsch immer noch nicht nähergekommen sind. Hazel Rowleys "Tete-a-Tete: The Lives and Loves of Simone de Beauvoir and Jean-Paul Sartre" hat Todd McEwen and Lucy Ellmann erklärtermaßen kalt gelassen.
Archiv: Guardian

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 13.01.2006

Für eine Reportage über die sozialen Umwälzungen in China reist Martine Bulard in den rostigen Nordosten, in die Provinz Liaoning in der ehemaligen Mandschurei, wo die Umstrukturierung Millionen von Arbeitern aus staatseigenen Industriebetrieben auf die Straße gespült hat. Die Hilfsmaßnahmen erreichen die Falschen. "Öffentliche Gelder fließen in Strömen, doch keine gewählte Institution kontrolliert, wie sie verwendet werden. Shenyang ist eine einzige chaotische Baustelle. Überall schießen neue Gebäude aus dem Boden, mit goldenen Fassaden, Pagodendächern und anderem 'Drachenzeug', wie es ein chinesischer Architekt formuliert hat, der sich nicht nur über den schlechten Geschmack, sondern auch über die Korruption aufregt. Die hat in Shenyang epidemische Ausmaße angenommen. Hier kann man bauen, was und wo man will. Sogar Mao Tse-tung scheint für den langen Marsch in die Kommerzialisierung zu werben. Sein Denkmal auf dem Zhongshan-Platz weist mit ausgestrecktem Arm auf die ringsum aufgepflanzten Reklametafeln ausländischer Produkte."

Weitere Artikel: Peter Lagerquist erzählt die Geschichte des ehemaligen palästinensischen Dorfes Az Zib, in dem nach der Vertreibung der Bewohner der Club Med seine israelische Dependance aufbaute. Sebastien Chauvin und Bruno Cousin berichten über einen Skandal: die steinreiche französische Antilleninsel Saint-Barthelemy muss keine Steuern zahlen. Abgedruckt ist die Dankesrede Ernst Tugendhats zur Verleihung des Meister-Eckhart-Preises.

Espresso (Italien), 19.01.2006

Umberto Eco macht sich Sorgen über den intellektuellen Nachwuchs in Italien, der seine Informationen nur noch aus den unüberprüften Weiten des Internet im Allgemeinen und Wikipedia im Speziellen bezieht. Deshalb hat er, ganz Lehrer, eine Aufgabe entwickelt. "Findet zu einem Thema X Abhandlungen, die nicht im Internet zu finden sind und erklärt, warum man sie dort nicht findet." In Italien dürfte das nicht allzu schwer sein.

Die Italiener befürworten mehrheitlich die Atomkraft, erfährt man aus einer Umfrage des Espresso, deren Ergebnisse Paola Pilati in der Titelgeschichte referiert. Pio d'Emilia porträtiert voller Mitgefühl die kleine japanische Prinzessin Aiko, die als zukünftige Kaiserin eine Tradition brechen wird, die immerhin seit 1771 besteht.
Archiv: Espresso

Economist (UK), 13.01.2006

Was sahen (und sehen) die Israelis in Ariel Scharon, dass sie ihm so blind vertrauten (und vielleicht noch vertrauen)?, fragt der Economist angesichts des anhaltenden Wählerzuspruchs für die von Scharon gegründete Kadima-Partei - selbst jetzt noch, obwohl Scharon wahrscheinlich nicht mehr ins politische Leben zurückkehren wird. "Was ihn für den durchschnittlichen israelischen Juden glaubwürdig, wenn nicht sogar liebenswürdig machte, war, dass er es verstand, die von vielen geteilte Überzeugung, es sei notwendig, besetzte Gebiete aufzugeben, mit einem tiefen Misstrauen gegenüber den Palästinensern in Einklang zu bringen. Die Israelis spürten, dass er als Vater der Siedlerbewegung die Siedlungen nur aufgeben würde, wenn es - wie in Gaza - wirklich notwendig ist, und zwar in einem einseitigen Prozess, der von Israel kontrolliert werden könne."

Weitere Artikel: Im Aufmacher beschäftigt sich der Economist mit dem Vermächtnis des scheidenden Chefs der amerikanischen Zentralbank Alan Greenspan: "Was er hinterlässt, ist die größte wirtschaftliche Unausgeglichenheit in der amerikanischen Geschichte." Eine alte chinesische Weltkarte legt nahe, dass die Chinesen die ersten Weltumfahrer gewesen sein könnten, berichtet der Economist und zeigt sich erstaunt über die beachtliche Präzision der auf 1418 datierten Karte. Mit einer kleinen, geradezu unverschämten Ausnahme: Die britischen Inseln fehlen! Und schließlich: Nach Jahrhunderten lückenloser Überwachung der Bürger durch die Obrigkeit, so der Economist, entdeckt China das Bedürfnis nach Privatsphäre.
Archiv: Economist

Nepszabadsag (Ungarn), 14.01.2006

1989-1992 übersiedelten Zehntausende Chinesen in die ungarische Hauptstadt. Der Publizist Li Tschung-Tschiang hat jetzt ein Buch über die chinesischen Einwanderer und Ungarn geschrieben. Hier ein Auszug aus der Rezension der ersten ungarischen Übersetzung: "Li anerkennt zwar die Befreiung Ungarns durch die sowjetische Armee, aber er sieht nicht ein, warum sie sich nach dem Sieg in Ungarn einquartierte und sich selbst so viele Denkmäler stellte. Auffallend zahlreich seien auch die Kirchen in Ungarn. Das 'winzige Land' habe mehr als dreitausend Gotteshäuser, die immer den schönsten Platz der Stadt für sich in Anspruch nähmen. ... Am ärgerlichsten fand er, dass die Ungarn eine sehr hässliche Hunderasse Pekinesen nennen: das sei laut Li 'eine Verleumdung Chinas! Das können wir uns nicht gefallen lassen!' Der Übersetzer Peter Polonyi merkt an: die Hunderasse ist in Lis Heimat relativ selten, stammt aber ursprünglich tatsächlich aus China."
Archiv: Nepszabadsag

New York Times (USA), 15.01.2006

Julian Barnes ist nicht so leicht zu charakterisieren wie seine Landsmänner, also Martin Amis, Ian McEwan, Salman Rushdie oder Kazuo Ishiguro, konstatiert Terrence Rafferty. Barnes' neues Buch "Arthur and George" handelt von der Begegnung von Arthur Conan Doyle und George Edalji. Edalji, Sohn eines Persers und einer Engländerin, war fälschlicherweise wegen Verstümmelung von Pferden verurteilt worden war. Conan Doyle sorgte dafür, dass er rehabilitiert wurde - eine Art britische Dreyfus-Affäre (mehr hier). Auch diese Geschichte von Barnes ist beschreibungsresistent, aber Rafferty gibt sich Mühe: "Mit großer Geste hat Julian Barnes einen urenglischen Roman geschrieben über jene existenziellen Fragen, die der Engländer üblicherweise den Franzosen überlässt. 'Arthur and George' verbirgt seine Gedanken über das Ungewisse geschickt, er versteckt sie diskret hinter den Vorhängen, während Szenen von Dickenscher Kraft und Farbkraft in kaminfeuerbeleuchteten Räumen spielen."

Weiteres: Auch wenn sich Elias Khoury in "Das Tor zur Sonne" der palästinensischen Flüchtlinge annimmt, ist es keine der üblichen Geschichten von Verzweiflung und Anklage, versichert Lorraine Adams, dieses "wahre Meisterwerk" bleibe der komplizierten Wirklichkeit verbunden. Michael Beschloss ist überzeugt, dass John Lewis Gaddis mit seiner Geschichte des Kalten Krieges "The Cold War" nicht nur ein Standardwerk abgeliefert, sondern auch "wahre Geschichte" geschrieben hat.

Bis zu eine Million junge Japaner sind Hikikomori, teilt Maggie Jones im New York Times Magazine mit. Sie sperren sich in ihrem Zimmer ein und kommen einfach nicht wieder heraus. "Nachdem er in der Schule jahrelang gehänselt wurde und keine Freunde fand, zog sich Y.S. im Alter von 14 Jahren in sein Zimmer zurück und guckte Fernsehen, surfte im Internet und baute Modellautos - 13 Jahre lang. Als er im April vergangenen Jahres endlich sein Zimmer verließ, hatte er sein halbes Leben eingeschlossen verbracht."

David Rieff erinnert daran, dass auch die Demokraten die Demokratisierung der Welt vorantreiben wollen, notfalls mit Gewalt. Die Homosexuellen sind gleichberechtigt, aber deshalb sind noch lange nicht alle Homosexuellen gleich, schreibt der Jurist Kenji Yoshino und plädiert für die nächste Stufe der Emanzipation, das Aufgehen in der Gesamtgesellschaft. Jon Gertner empfiehlt die Kampagne für einen Grundlohn als Wahlkampfthema für die Demokraten, um in der Wertefrage wieder Lufthoheit zu erlangen.
Archiv: New York Times