Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
29.08.2007. Die Welt erklärt, warum Bollywood-Megastar Aishwarya Rai zuerst mit einem Baum verheiratet wurde, bevor sie dann den Sohn des Bollywood-Supermegastars Amitabh Bachran heiraten durfte. In der taz erklärt der philippinische Filmemacher Lav Diaz, warum seine Filme 540 Minuten lang sind. Der neue Politiker zeigt gern seine Muckis, beobachtet die SZ. Die NZZ interessiert sich nicht für Muckis, sondern für Gesetze, die das Anzünden von Wäldern unprofitabel machen. In Spiegel online staunt Henryk M. Broder über den Realitätsverlust der Deutschen.

NZZ, 29.08.2007

Barbara Spengler-Axiopoulos berichtet über die Waldbrände in Griechenland, die vom Fernsehen und den Politikern schamlos ausgeschlachtet werden: Die einen drücken auf die Tränendrüse, die anderen wollen mit opulenten Geldgeschenken Wähler ködern. Helfen würde etwas anderes: "Der WWF forderte bereits im Juli angesichts der Waldbrände in Europa ein Gesetz auf EU-Ebene, das es verbietet, auf abgebrannten Waldflächen zu bauen. Für Umweltschützer kommen in Griechenland zur Bodenspekulation die schlampige Waldwirtschaft, untätige Politiker und wuchernde Müllhalden als Ursachen der Katastrophe hinzu. Da aufgrund des Klimawandels ihrer Meinung nach Dürre und extreme Hitzewellen zunehmen werden, fordern sie eine nachhaltige Aufforstung der Wälder, ein Ende der Monokulturen und von eintönigen Baumreihen und eine Rückkehr zu heimischen Baumarten."

Weiteres: Marli Feldvoss freut sich auf die heutige Eröffnung des 75. Filmfestivals in Venedig. Kersten Knipp schreibt zum Tod des spanischen Autors Francisco Umbral. Besprochen werden Alfredo Jaars Ausstellung "Politik der Bilder" im Musee cantonal des Beaux-Arts Lausanne und Bücher, darunter Mark Z. Danielewskis Roman "Das Haus" (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Welt, 29.08.2007

Hanns-Georg Rodek versorgt uns mit allem Wissenswertem über den Bollywood-Megastar Aishwarya Rai, deren Film "Die letzte Legion" morgen in die Kinos kommt. Zum Beispiel durfte sie den Sohn des Bollywood-Supermegastars Amitabh Bachchan, Abhishek Bachchan, heiraten, obwohl sie unter der falschen Mars-Konstellation geboren wurde: "Das Problem war Rais Geburtsdatum, der 1. November 1973. Sie kam als 'Manglik' zur Welt, und in dieser Mars-Konstellation Geborene sollen nur andere Mangliks heiraten. Wird dagegen verstoßen, warnen Astrologen, drohen Krankheit, Jähzorn, Scheidung, und als erstes stirbt der Nicht-Manglik. Undenkbar für den Bachchan-Konzern. Der Fluch der Sterne kann jedoch mit einer Vorgänger-Ehe umgangen werden, und so wurde Aishwarya, die Braut, zunächst mit einem Baum liiert."

Weiteres: Rodek fragt sich am Rande auch, ob die Kassenrekorde, die Hollywood in diesem Sommer mit seinen zahlreichen Blockbuster-Fortsetzungen aufgestellt hat, wirklich tragen: "Kann sich eine Industrie weitgehend auf das Aufkochen des immer gleichen verlegen, ohne ihre Krativität zu verlieren?" Peter Zander eröffnet die Filmbiennale von Venedig.

Uta Baier hält absolut nichts davon, den DDR-Staatskünstler Wolfgang Mattheuer zum kritischen Ökomaler zu stilisieren, wie sie dies in der Ausstellung im Leipziger Museum der bildenen Künste geschehen sieht. Ulf Meyer schreibt zur anstehenden Wiedereröffnung von Deutschlands größter Synagoge in der Berliner Rykestraße. Jacques Schuster gibt dazu einen Überblick über die anderen Berliner Synagogen. Manuel Brug bilanziert das aktuelle Geschäftsjahr der Salzburger Festspiele. Matthias Heine berichtet von der Trauerfeier für George Tabori. Und Jennifer Wilton schreibt den Nachruf auf den spanischen Schriftsteller Francisco Umbral. Besprochen wird der russische Kriegsfilm "Franz und Polina".

TAZ, 29.08.2007

Cristina Nord stimmt auf die heute beginnenden Filmfestspiele von Venedig ein. In dessen Vorfeld traf Tilman Baumgärtel den philippinischen Filmemacher Lav Diaz, dessen Neun-Stunden-Opus "Death in the Land of Encantos", eine Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilm, als Abschlussfilm des Festivals laufen wird. Zur Länge seiner Einstellungen befragt, erklärt Diaz: "Ich glaube nicht mehr daran, dass Kino bedeutet, dass man zwei Stunden im Kino sitzt und sich eine Geschichte ansieht, die auf diese Zeit komprimiert worden ist. Meine Filme sind wie Gemälde, die zunächst auch mal einfach nur da sind. Nichts verändert sich. Man kann sich das acht Stunden lang ansehen und dadurch eine bereichernde Erfahrung haben. Oder man kann zwei Stunden rausgehen, und wenn man zurückkommt, ist der Film immer noch da."

Weiteres: Matthias Christian Müller berichtet über ein Theaterprojekt zu Kleists "Hermannsschlacht", das auf dem seit 2003 verwaisten und von Künstlern genutzten Wagenhallen-Gelände in Stuttgart vor dessen Umbau in einen Bahnhof realisiert wird. In tazzwei stellt Jon Mendrala das Online-Spiel Power of Politics vor - sein Spielziel: das Kanzleramt.

Auf der Meinungsseite dekliniert Ilja Trojanow die "moralischen" Argumente durch, mit denen deutsche Rüstungsunternehmen und Waffenhändler gerne auf Kritik antworten. Eines davon, ins "normale Leben" übersetzt: "Herr Richter, hätte ich diesen Unbekannten nicht umgebracht, hätte es ein anderer getan, und ich habe es wenigstens schmerzlos, sauber und unter Hinzuziehung eines Priesters erledigt."

Schließlich Tom.

Spiegel Online, 29.08.2007

In Deutschland ist die Wirklichkeit gründlich vernichtet worden, meint Henryk M. Broder mit Blick auf die erstaunten Reaktionen, die die Entdeckung eines Schießbefehls an der DDR-Grenze und der Existenz von Rassismus in Mügeln ausgelöst haben. "Nun wird wieder eine andere Sau durch das Dorf getrieben: Quark und Käse sollen bis zu 53 Prozent teurer werden, und Angela Merkel mahnt die Einhaltung der Menschenrechte an - in China, nicht in Sachsen, wo diese Aufgabe bereits mit dem Vorschlag des amtierenden Ministerpräsidenten, noch in diesem Jahr eine 'Antirassismus-Konferenz' einzuberufen, bereits zur allseitigen Zufriedenheit gelöst wurde. Mügeln ist jetzt schon Geschichte, ein kleiner Fleck in der Hall of Shame der Bundesrepublik, neben Rostock, Hoyerswerda, Solingen, Guben, Mölln, Cottbus und einigen anderen Orten, wo die amtlich propagierte Ausländerfreundlichkeit in ihr Gegenteil umgeschlagen ist. Das Resultat: Tote und Verletzte, garniert mit 'Betroffenheit', 'Entsetzen' und vor allem Ratlosigkeit, dass es so etwas wie Rassismus und Nazis überhaupt gibt."

FR, 29.08.2007

Julia Gerlach berichtet über einen Kreativ-Wettbewerb, der im Sommer 2006 mit der provokativen Aufforderung "Zeig mir den Propheten" ein überraschend vielfältiges Echo fand: "Wie viel Kreativität verträgt der Islam? Ist Musik erlaubt oder lenkt sie die Gläubigen von ihrer Anbetung Gottes ab?" Daniel Kothenschulte kündigt für die Filmfestspiele von Venedig "Krieg und Kunst" an. Eine "verspielte Chance" nennt Christian Thomas die Rückkehr des Goethedenkmals auf den städtebaulich nahezu hoffnungslosen Frankfurter Goetheplatz. Albrecht Lüter resümiert eine Diskussionsveranstaltung mit dem französischen Philosophen Etienne Balibar zum Thema "Gleichheit heute?" im Rahmen des XIV. Rohkunstbaus in Schloss Sacrow bei Potsdam. Daland Segler würdigt den verstorbenen Schauspieler Hansjörg Felmy. Und in Times mager inspiziert Ina Hartwig ein ausschließlich für amerikanische Universitäten konzipiertes MTV-Programm, das sich mit John Ashbery sogar einen Poeta laureatus zugelegt hat.

Auf den aktuellen Seiten informiert Claus-Jürgen Göpfert über Bemühungen der Stadt Frankfurt, die Buchmesse langfristig zu binden. Und auf der Medienseite berichtet Vera Gaserow über einen Versuch des Familienministeriums, Radiosendern PR als redaktionelle Beiträge zu verkaufen.

Besprochen werden die Uraufführung von Jan Fabres "Requiem für eine Metamorphose" bei den Salzburger Festspielen und Bücher, darunter Klaus Hoffers Roman "Bei den Bieresch" und die Erzählung "Träumt Raabe" von Olaf Velte (mehr dazu in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

FAZ, 29.08.2007

Bei Dirk Schümer hält sich die Vorfreude auf die Filmfestspiele in Venedig (Website) in Grenzen: Kein deutscher Film dabei, aber "neun von zweiundzwanzig Wettbewerbstiteln kommen aus, handeln von, werden dominiert von, zehren von, werden bezahlt von: Amerika."

Weitere Artikel: In der Leitglosse schimpft jvo. über eine Brüsseler Ausstellung mit "Yps"-würdigen Leonardo-Imitaten. Hansgeorg Hermann berichtet aus Griechenland von heftigen Attacken des Komponisten Mikis Theodorakis gegen die Regierung wegen ihres Versagens bei der Waldbrandbekämpfung. Alexander Cammann war dabei, als Peer Steinbrück und Karin Hempel-Soos an der Hertie School of Governance aus dem Briefwechsel zwischen Martin Heidegger und Hannah Arendt lasen. Jürg Altwegg ist beim Blick in Schweizer Zeitschriften unter anderem auf Günter Grass' verdrängte Vergangenheit in der Schweiz gestoßen. Eleonore Büning hat das Husumer Festival "Raritäten der Klaviermusik" besucht. Dieter Bartetzko kommentiert den Umzug des Goethe-Denkmals zum Frankfurter Goetheplatz und schreibt zum Tod des Schauspielers Hansjörg Felmy. Paul Ingendaay hat den Nachruf auf den spanischen Schriftsteller Francisco Umbral verfasst. Irene Bazinger war bei der George-Tabori-Trauerfeier im Berliner Ensemble. Auf der letzten Seite informiert Thomas Thiel über das von der Zentralen Intelligenz Agentur in Berlin veranstaltete Festival zur Zukunft der Arbeit. Mark Siemons porträtiert den Sinologen Wolfgang Kubin, der heute den Staatspreis der Volksrepublik China erhält.

Besprochen werden eine Freiburger Ausstellung mit bisher unbekannten Blättern von Giandomenico Tiepolo, David Mackenzies Film "Hallam Foe" und Bücher, darunter Rainer Klis' Roman "Steinzeit" (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

SZ, 29.08.2007

Eine "neue, testosteronschwere Bildsprache" beobachtet Christine Dössel in der Politik, namentlich bei den Herren Bush, Putin, Berlusconi und Sarkozy. "Wo sich Helmut Kohl noch mit Saumagen stärkte und es sich im Urlaub am sturmfreien Ufer des Wolfgangsees gemütlich machte, die beträchtliche Wampe in eine Strickjacke gepackt, da erleben wir nun in Putin den neuen Typus des politischen Outdoor-Helden, der im Abenteuer-Look eines Crocodile Dundee aller Welt seine Muckis zeigt."

Weitere Artikel: Jörg Häntzschel beschreibt, wie die von Hurrikan "Katrina" heimgesuchte Stadt New Orleans mit dem Wiederaufleben der Jazzszene um eine Rückkehr zur Normalität ringt. Im Interview spricht der in New Orleans geborene Jazz-Trompeter Terence Blanchard über die Politikmüdigkeit und die Vorteile der Schrulligkeit von New Orleans. Der Archäologe Ulrich Sinn erläutert mögliche Schäden in Olympia nach den verheerenden Bränden. Susan Vahabzadeh breitet auf das Filmfestival in Venedig vor, das für seinen Leiter Marco Müller möglicherweise das letzte sein wird. Joseph Hanimann versucht, das Kuddelmuddel zu entwirren, das die französische Schauspielerin Fanny Ardant mit ihren - inzwischen wieder zurückgenommenen - lobenden Worten für die Roten Brigaden auslöste. Jörg Königsdorf begleitet Angela Merkels Besuch beim young.euro.classic Festivalorchester in China. Gerhard Matzig würdigt im Nachruf Hansjörg Felmy. Javier Caceres informiert über den Rücktritt der Direktorin der spanischen Nationalbibliothek. Gemeldet wird ein womöglich neuerlicher Karikaturenstreit, diesmal ausgelöst von einem schwedischen Lokalblatt, das Mohammed als "Rondellhund" in einem Kreisverkehr darstellte.

Besprochen werden die erste Ausstellung - "Who's afraid of Red, Yellow and Blue" - in der Kunsthalle Baden-Baden unter Leitung der neuen Chefin Karola Grässlin, das neue Doppelheft der Zeitschrift Merkur zum Thema Dekadenz und Bücher, darunter eine große Biografie über den Kupferstecher und Verleger Matthaeus Merian und Jürgen Beckers Gedichtband "Dorfrand mit Tankstelle" (mehr dazu in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).