Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
08.05.2004. "Berlin ist wie Washington", sagt Peter Eisenman in der Berliner Zeitung, "und Washington ist tot". Die taz findet dagegen: Istanbul lebt. In der Welt singt Elfriede Jelinek eine Hohelied auf die entgleisenden Züge im Gesicht von Peter Lorre. Die FAZ weist nach, wie sich die Erfinder von Berufsattrappen Jobs verschaffen. Die NZZ fragt: Ist ein freies Polen kulturell interessant? Die SZ versucht die Folgen der Folterbilder zu ergründen.

Welt, 08.05.2004

Unsere Zeitungen sind zwar recht geburtstagsselig (ein Symptom des melancholischen Vor-sich-hin-Alterns unserer Gesellschaft?), aber dabei selten so originell wie Elfriede Jelinek, die heute, zum hundertsten Geburtstag des Schauspielers, über das Gesicht von Peter Lorre nachdenkt. Das liest sich so: "Das Gesicht ist wie eine Gartenerde, aus der die Züge nicht abfahren, sondern wachsen, sagt der Gärtner. Es wuchert. Daher kann das Gesicht nur diesem einen Schauspieler gehören, aber es kann doch gleichzeitig einem Mann, einer Frau oder einem Kind gehören. Indem es so typisiert ist, kann es gleichzeitig zu jedem gehören, und indem diese eigenartigen Züge, die da gesprossen sind, gewissermaßen verduften, verfliegen, ohne sich je zu verfestigen, können sie einen Mörder beherbergen, einen Naziverbrecher, einen Mörder, der ein Opfer ist, oder ein Opfer, das eigentlich ein Mörder ist. Ein Kind, das gleichzeitig der Mörder von Kindern ist."

Außerdem in der Literarischen Welt:: Wolf Lepenies bespricht den Briefwechsel zwischen Ernst Jünger und Gerhard Nebel.

Berliner Zeitung, 08.05.2004

Der irakische Autor Khalid Al-Maaly macht sich auf die Suche nach einem genesenden Kulturleben in Bagdad, das allerdings nur sehr zögernd wieder beginnt. En passant kritisiert Al-Maaly die Irak-Berichterstattung der westlichen Medien: "Das Problem des Irak-Bildes im Ausland besteht darin, dass sich die Aufmerksamkeit auf die militärischen Aktionen konzentriert. Die Normalisierung des Lebens bleibt außer Betracht. Ein Beispiel ist die Strom- und Wasserversorgung. Vor einigen Monaten war das Thema ein Dauerbrenner in den Medien. Nun ist es verschwunden, weil sich die Versorgung normalisiert hat. Was funktioniert, findet keine Beachtung."

Denkwürdig im übrigen die Überschrift zu einem Interview Peter Eisenmans im Magazin der Zeitung: "Berlin ist wie Washington. Und Washington ist tot." Und hier das ganze Zitat: "Berlin ist eine sehr lebenswerte Stadt. Es gibt viele Viertel, in denen du sehr gut wohnen kannst. Aber wenn du es mit London oder Madrid vergleichst, kann Berlin nicht mithalten. Und wissen Sie, das Holocaust-Mahnmal genau im Stadtzentrum zu bauen, ist eine erstaunliche Entscheidung. Es ist gut, es zu machen, ich habe dagegen gekämpft, es woanders hinzubauen, aber ich denke auch, es wird dem Leben in der Stadt nicht zugute kommen. Berlin ist wie Washington. Und Washington ist tot. Es ist eine symbolische Stadt. Ich würde dort um keinen Preis hinziehen."

FR, 08.05.2004

Heute steht zweimal Kunst in Frankfurt im Vordergrund. Einmal "Kunst - Ein Kinderspiel" in der Schirn in Frankfurt am Main, Elke Buhr berichtet: "Wer aber befürchtet, dass aus dem netten Aufziehclown in der filmischen Spielzeugparade des Ehepaar Eames plötzlich ein Monster wird wie sonst in den Performances von Paul McCarthy, dem sei gesagt: Für dieses eine Mal wird man vor obszönen Gemeinheiten sicher sein - dem erwarteten kindlichen Publikum sei Dank." Und zum anderen "Landschaftskunst der DDR", im anderen Frankfurt, dem an der Oder. Hier war Alexander Kluy vor Ort: "Idylle, Rückzug, Nische und biedere Privatheit hie, Öffentlichkeit, Modernität und sozialistischer Aufbruchsglaube im Kollektiv dort. Zwischen diesen Gegensatzpaaren, dem Zwang zur Verklärung wie der Wille zur peinture, zur reinen Malerei, changierten Landschaftsdarstellungen in der ostdeutschen Kunst lange."

Weitere Artikel: Thomas Medicus hat der Mosse-Lecture des Historikers Michael Geyer gelauscht, die sich mit "der deutschen und der amerikanischen Art, Krieg zu führen" befasste. Der wichtigste Unterschied zwischen totaler Kriegsführung hier und da: "Von der deutschen habe sich die jenseits des Atlantiks übliche totale Kriegsführung jedoch in einer Hinsicht immer prinzipiell unterschieden. Der kriegerische Gewaltschock der Amerikaner sei, wie Geyer akzentuierte, stets Mittel zum Zweck gewesen, die unterlegenen Kräfte zu reintegrieren, um einen neuen Bund sowie eine Friedensordnung zu stiften."

Außerdem: Frank Eckert hat sich in den britischen Rap-Untergrund begeben, zu Mike Skinner, der als "The Streets" nach einem sensationell verkauften Debüt jetzt sein zweites Album vorlegt. Renee Zucker bekennt in einer heute sehr kurzen Zimt-Kolumne ihre Scham über die Folterbilder. Gemeldet wird, dass Salomon Korn, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, das Engagement des Bundes für die Flick-Sammlung kritisiert.

TAZ, 08.05.2004

Im tazmag schreibt Daniel Bax eine Hymne auf die "eindrucksvollste Stadt der Welt" - Istanbul. Und an dessen Großartigkeit kann auch eine islamische Stadtverwaltung, die Cola und Alkohol von den Speisekarten streicht, überhaupt nichts ändern: "Eingefleischte Säkularisten reagierten verärgert auf diesen Wandel. Dabei bildet er nur eine Marginalie. Alle Versuche, der Stadt einen einheitlichen Stempel aufzudrücken, und sei es ein islamischer, laufen in Istanbul ins Leere: Die Stadt bietet genug Raum für tausendundeinen Lebensstil." Der Anlass ist im übrigen der Grand Prix Eurovision - dazu erinnert sich dann noch die Autorin Dilek Zaptcioglu an eine nun zu Ende gegangene Geschichte türkischer Niederlagen.

Der Soziologe Carsten Zorn macht in Sachen Beobachtung von Reality-TV den Vorschlag, der Systemtheorie mit einer heftigen Dosis Marx und Deleuze Beine zu machen. Heraus kommt dann die Einsicht: "Unter dem Reality-Regime sind die Massenmedien schon jetzt zur neoliberalen Avantgarde unter allen Systemen umgebaut worden. Hier ist längst alles realisiert, wovon Kontrollmacht und neoliberale Ökonomie bislang nur träumen: der Verzicht auf jeden Rest Stammbelegschaft, die Anpassung an Kundenwünsche in Echtzeit, permanente Kameraüberwachung. Und zu alldem die Illusion, sich in solchen Verhältnissen selbst verwirklichen zu können." Und noch zugespitzter: "Den Reality-Formaten aber könnte für die laufende Veränderung am Ende eine ebenso bedeutsame Rolle zukommen, wie das Gefängnis sie nach Foucaults Analysen einmal für die Herausbildung der Disziplinargesellschaft spielte."

Weitere Artikel: Cornelius Tittel war dabei, als die Brigitte in der Berliner Szene-Location "Cafe Moskau" ihren fünfzigsten Geburtstag feierte - mit Frackzwang. Ein Artikel von Tobi Müller zur Verleihung des "Berliner Theaterpreises" an Christoph Marthaler und Anna Viebrock sieht erst so aus, als hätte der Autor was gegen diese Verleihung. Hat er aber gar nicht. Gerrit Bartels hat sich die erste beim unbeschriebenen Blatt "Schwartzkopff Buchwerke" erschienene Ausgabe der Literaturzeitschrift "ndl" angesehen. Ein ausgereiftes Produkt, muss er feststellen, ist sie noch nicht. Im Film "Seit Otar fort ist" hat Barbara Schweizerhof ganz viel postsowjetische Wirklichkeit gesehen. "Sie nennen ihn Radio" ist dagegen nichts weiter als eine "rührselige Behindertenschnulze", wie Philip Bühler feststellt.

In der zweiten taz gratuliert Jan Freitag dem "Wort zum Sonntag", das - wie die Brigitte - seinen fünfzigsten Geburtstag feiert, und damit ein veritabler Fernseh-Methusalem ist. Ein Phänomen, denn: " Kaum jemand wird sich die kleine Sendung in der Programmzeitschrift angestrichen und seinen Fernsehabend ums 'Wort zum Sonntag' herumgeplant haben, weder damals noch heute, wenn die zweitälteste Sendung im deutschen Fernsehen nach der 'Tagesschau' ihren 50. Geburtstag feiert." Das können wir bestätigen.

Außerdem: Der Historiker Rudolf Walther schreibt über den vergessenen und verdrängten ersten großen Entkolonialisierungskrieg, anlässlich des 50. Jahrestags der französischen Niederlage in der Schlacht von Dien Bien Phu.

Ansonsten wurde viel gelesen: Die Enthüllungen des einstigen Bush-Beraters Richard Clarke, ein Buch über die "Ökonomie des Terrors" und das Magazin monochrom (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).

Und dann noch TOM.

FAZ, 08.05.2004

Jürgen Kaube deckt es auf: "Universitäten basteln an Berufsattrappen." Er meint Studiengänge wie "Kulturwirt", "Cultural Studies", "Wasser" oder "Gesellschaftskommunikation". "Man suggeriert Abiturienten, die offenbar für völlig orientierungslos gehalten werden, dass ein riesiger Arbeitsmarkt für Absolventen solcher Studien existiert. Die einzigen Stellen aber, die es wirklich gibt, gehören den Leuten, die hier so tun, als hätten sie neue Fächer und einen dazu passenden gesellschaftlichen Bedarf entdeckt."

Gerhard Stadelmaier hat das Willy-Brandt-Stück "Demokratie" des britischen Dramatikers Michael Frayn gesehen, das im Berliner Renaissance-Theater seine deutsche Erstaufführung erlebte, ist aber mal wieder nicht zufrieden: "'Demokratie' ist eine szenische Recherche, eine historische Suite aus dem Karteikasten. Es kommt nicht einmal zu einem dialogischen Konflikt. Es werden Konflikte immer nur zitiert. Aus den Akten."

Weitere Artikel: Michael Jeismann freut sich, dass das vom Stifter und Entwerfer Karl Heinz Johannsmeier in Jena geplante Mahnmal für die Opfer des SED-Regimes nicht zustande kommt. Gemeldet wird, dass Salomon Korn die geplante Dauerrepräsentation der Flick-Collection in Berlin als "eine Art Weißwäsche von Blutgeld" kritisierte. Heinrich Wefing begeht die neue Dauerausstellung im Dresdner Hygiene-Museum und findet die "Konfliktfreiheit einer Spielzeuglandschaft". Peter Gilgen resümiert eine Tagung über die über die "kritische Anatomie des neuen amerikanischen Empires" (hier das Programm als pdf) in der Cornell University. Ingeborg Harms wirft einen Blick in deutsche Zeitschriften. Eleonore Büning gratuliert Carlo Maria Giulini zum Neunzigsten. Und Jürg Altwegg meldet, dass der neue französische Kulturminister Donnedieu de Vabres immer noch kein Rezept gegen die Proteste der "Intermittents du spectacle" gefunden hat.

In der ehemaligen Tiefdruckbeilage finden wir einige Notizen Volker Brauns zum Untergang der DDR und zur gegenwärtigen Zeitstimmung. Der Kunsthistoriker Martin Warnke denkt über den Surrealisten Salvador Dali nach, der in diesen Tagen hundert würde.

Auf der Schallplatten-und-Phono-Seite annonciert Edo Reents eine triumphale Rückkehr Morrisseys (ehemals "The Smiths") mit der CD "You are the Quarry" (Hörproben). Außerdem geht's um eine Aufnahme von Schönbergs "Jakobsleiter" unter Kent Nagano, um die neue CD von George Michael und eine CD der Band Rausch.

Auf der Medienseite schildert Jordan Mejias den Abschied der Amerikaner von den Serien "Friends" und "Frasier". Und Michsel Hanfeld meldet, dass die renommierten Sendungen "Schwarz-Weiß" und "Der Tag" des Hessischen Rundfunks nun tatsächlich der "Durchhörbar"- und also Vergessbarkeit des Programms geopfert werden.

Auf der Literaturseite geht's um Irene Heidelberg-Leonards Biografie über Jean Amery, um Harry Mulischs Debütroman "archibald strohalm", der nach fünfzig Jahren übersetzt wurde, und um einen neuen Erzählungsband von Alistair MacLeod (mehr hier).

Besprochen werden außerdem Francis Poulencs Oper "Dialogues des Carmelites" in Zürich und der Horrorfilm "Van Helsing".

In der Frankfurter Anthologie stellt Ruth Klüger ein Gedicht von Robert Schindel vor - "Nullsucht 15 (Stürzen die Wolken):

Stürzen die Wolken auf einen ein
Bläst dir ins Gesicht der Sturm aus Geschrei..."

NZZ, 08.05.2004

Und es gibt sie doch, die Kulturwissenschaft. Der Kulturwissenschaftler Alexis Schwarzenbach wendet sie heute an auf die kommenden Liebeshochzeiten des dänischen und des spanischen Thronfolgers, und er blickt zurück auf die Heiratspolitik der Königshäuser, die vom Modell der Heirat unter ihresgleichen nach dem Ersten Weltkrieg zur Politik der Publicity mit Liebeshochzeiten überging: "Bereits seit dem Ende des Ersten Weltkriegs inszenieren Europas Monarchien also ihre Eheschließungen ganz bewusst und mit großem Erfolg als romantische Liebeshochzeiten. Einzig in England hat es mit dieser Anpassung an moderne Idealvorstellungen von Liebe und Ehe nicht so richtig geklappt." Nun ja, wir kennen die Geschichte.

Weitere Artikel: Urs Steiner besucht die Retrospektive der Architekten Herzog und de Meuron im Basler Schaulager: "Zwischen dem Projekt Nr. 1, dem Dachausbau eines Wohnhauses in Riehen, und Projekt Nr. 250, der eigenen Retrospektive im Schaulager, liegen 26 Jahre einer beispiellosen Architektenkarriere." Und Marli Feldvoss stellt Jacques Rivettes neuen Film "Histoire de Marie et Julien" vor.

In Literatur und Kunst denkt Marta Kijowska über polnische Kultur in Zeiten der EU-Erweiterung nach. Ihr internationales Renommee hatte sie zu den meisten Zeiten gerade aus ihrer Unterdrücktheit bezogen - und nun? Ratlosigkeit! "Hört man denn nicht gleichzeitig von dem Tod des polnischen Kinos, das, um der Konkurrenz ausländischer Produktionen standzuhalten, nur noch alberne Actionfilme und billige Komödien hervorbringe? Von dem blinden Nachahmen fremder Muster, der Dominanz sinnloser Aggression, der Flucht vor echten Gefühlen? Wird nicht auch der Zustand des polnischen Theaters beklagt, das, wie der Warschauer Regisseur Henryk Rozen es formuliert, Europa kaum etwas zu bieten habe, weil es viel zu sehr damit beschäftigt sei, dieses Europa auf eigenen Bühnen zu kopieren, und die Suche nach neuen Ideen und Impulsen höchstens von denjenigen zu erwarten habe, die in den letzten Jahren aus dem Ausland zurückgekommen seien?"

Weitere Artikel: Tina Grütter versucht eine Neuinterpretation des Gemäldes "La Morte" (Bild) von Giovanni Segantini. Caroline Kesser berichtet zum hundertsten Geburtstag Salvador Dalis von Versuchen einer politischen Reinwaschung des Künstlers, der bekanntlich mit Franco sympathisierte. Und Bruno Hitz entdeckt "überraschende Bezüge zum zeitgenössischen französischen Denken" in den Werken Thomas Hürlimanns. Außerdem werden einige Bücher besprochen, darunter Oleg Postnows Roman "Angst" und eine Anthologie zur Poesie und Poetik der tschechischen Avantgarde. (Siehe unsere Bücherschau ab 14 Uhr.)

SZ, 08.05.2004

Der Islamwissenschaftler Bernard Haykel (hier seine Uni-Homepage) hat keine guten Nachrichten für die USA, was die Wirkung der Folterbilder auf die arabische Welt angeht: "Amerikaner finden das alles ebenfalls grausam und schlimm, aber die wahre Bedeutung dieser Bilder erschließt sich ihnen nicht. Sie dürfen nicht vergessen, für die westliche Öffentlichkeit sind die Opfer ein paar Iraker, die misshandelt wurden. Für Araber und Moslems sind diese Bilder exemplarische Symbole für die gesamte Beziehung zwischen der islamischen und der westlichen Welt. Die Bilder bringen die ganze Dynamik aus Unterwerfung, Erniedrigung und Entmannung auf den Punkt." Und schlimmer noch: "Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, wie fruchtbar der Boden war, auf den die Quälereien gefallen sind. Für Al Qaida waren diese Bilder ein unglaublicher Public-Relations-Coup." Gustav Seibt blickt im dazugehörigen Feuilleton-Leitartikel auf den Westen: "Und nun sind wir die Blamierten. Wer in diesen Tagen noch an die Demokratisierung des Nahen Ostens, an einen Update der dortigen Kultur glauben mag, macht sich erst einmal lächerlich. "

Weitere Artikel: Die Islamwissenschaftlerin Sonja Hegasy und der Historiker Rene Wildangel weisen darauf hin, dass der Begriff "Islamo-Faschismus" ein törichtes "Unwort" ist. Russland, berichtet Sonja Zekri, kommt aus dem Feiern erst mal nicht mehr raus: Vom diesjährigen Jahrestag des Siegs über den Faschismus feiert man veteranenselig ins 60-jährige Jubiläum im nächsten Jahr einfach rein. Peter Burghardt teilt mit, dass Barcelona sich ein sündhaft teures neues Kulturfestival leistet. Aus Berlin berichtet Robin Detje, wie man am dortigen Renaissance-Theater mit Michael Frayns Stück "Demokratie" des 30. Rücktrittstags von Willy Brandt gedenkt ("Auf Michael Frayn lastet der Fluch des Journalismus. Er drückt dem Theater eine Berichterstattungspflicht auf, die es schwer verkraftet.") Auch aus Berlin: Gustav Seibt war bei einer Lesung Volker Brauns (mehr) anlässlich seines 65. Geburtstags.

Außerdem: Oliver Fuchs macht ziemlich viel Theater um die neue CD von Morrissey, auf der dieser mal wieder ziemlich viel Theater um sich und sein Leiden an der Welt macht. Triumphal gelang der Münchner Auftritt von Yo-Yo Ma, dem Amsterdam Baroque Orchestra und Ton Koopman. Wolfgang Schreiber feiert die Dirigate von Esa-Pekka Salonen und den br-Symphonikern als "Ganzkörperkunst". Dem Dirigenten Carlo Maria Giulini gratuliert er zum 90. Für Aufregung sorgt Kunst von Maurizio Cattelan in Mailand. Fritz Göttler kommentiert die Zusammenhänge von Klimakatastrophe, George W. Bushs Präsidentschaft und Roland Emmerichs Blockbuster "The Day After Tomorrow" (mehr hier). Besprochen wird zudem der Film "Echte Frauen haben Kurven" (dazu mehr hier).

Auf der Medien-Seite findet sich ein großes Interview mit Ulrich Wickert ("Ich bin leidlich kindlich geblieben") und Adrian Kreye verabschiedet "Friends" und das Genre "Sitcom" gleich dazu.

Buch-Rezensionen gibt es zu Louise Welshs Roman "Dunkelkammer", neue Bücher über das antike Olympia und eine Magdeburger Lokalgeschichte (mehr in der Bücherschau ab 14 Uhr.)

In der SZ am Wochenende hält Jeanne Rubner zum Muttertag ein Plädoyer für Pragmatismus statt Romantik - und sieht wenig Chancen auf Veränderung der gegenwärtigen Verhältnisse: "Kinderkult, Mutterwahn und Zukunftsangst vermischen sich zu einem diffusen Erwartungsszenario, in dem für arbeitende Mütter mit glücklichen Kindern kein Platz ist." Groß und, wie es sich gehört, sehr bunt fällt eine ganze Seite zu Ehren von Salvador Dali aus, der am 11. Mai seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte. C. Bernd Sucher schreibt darin vor allem über Dalis Beziehung zum Dichter Federico Garcia Lorca. Benjamin Hinrichs und Marcus Jauer berichten von einer Marthaler-Wallfahrt nach Berlin.

Die Wochenenderzählung stammt von Martin Z. Schröder (mehr hier), es geht darin um Dr. Piet Meinward und der erste Satz lautet so: "Piet legte Wert darauf, dass ein großes Tablett mit vielen Instrumenten bereit stand, wenn er mit der Behandlung begann, denn er liebte es nicht, die Assistentin um Dinge zu bitten." Im Interview spricht Anne Siemes mit Margarete Mitscherlich, und zwar über "Unbeugsamkeit": "Unbeugsamkeit bedeutet immerhin Starrsinn, manchmal auch Ideologie, im schlimmsten Fall, dass ein ideologisch starrsinniger Mensch einen überreden will, auf eine bestimmte Art zu denken und zu sein."