Essay

Aufruhr im Zwischenreich - Teil 4

Rezeptfreies für eine andere Ars moriendi Von Daniele Dell'Agli
17.10.2014. Gegen das antisuizidale "Dammbruch"-Argument: Wenn der Staat die Pflicht hätte, die Bürger zu ihrem eigenen Wohl vor sich selbst zu schützen, dann müsste man auch Rauchen, Motorradfahren und Currywürste verbieten.
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VI Dammbrüche, Lagunen, Lager


Keine Frage, unsere Sterbekultur ist nach wie vor christlich und somit anti-suizidal geprägt, die Geschichte der Pathologisierung und Kriminalisierung des Suizids sowie der Ächtung und Verteufelung von Suizidanten muss noch geschrieben werden. Da wird es künftig nicht mehr ausreichen, darin die Abwehr einer Versuchung zu erkennen und auf die Hybris einer gleichzeitigen Aufwertung des martyrologischen Selbstopfers für den Glauben zu verweisen.[38] Und wenig tröstlich stimmt es, dass die "auf Durkheim zurückgehende, an den Pathologien des Sozialen orientierte "Verwissenschaftlichung" der Selbsttötung... die Entscheidung eines Individuums, das in vielen Fällen mit Überlegung für sich die Wahl getroffen hat, sein Leben nicht mehr fortzusetzen"[39] genauso hartnäckig leugnet wie die "um die Individualpathologie zentrierte medizinische Psychiatrie."[40]

Unverständnis, Wut oder Ressentiments, die Suizidanten heute noch auf sich ziehen, dürften sich in mentalitätspsychologischer Perspektive als eine besonders lärmige und aggressive Variante der Todesverdrängung erweisen und darin als das Komplement zu den ebenso fanatischen Appellen, am Leben bis zuletzt, gleich unter welchen artifiziellen Bedingungen, festzuhalten. Vom Hass auf die Souveränität, nicht einfach abzuwarten, bis "es" (oder "Gottes Wille") einen dahinrafft, ganz abgesehen. Die angedeuteten neuen Perspektiven zu einer anderen Ars moriendi müssen schon deshalb Teil der öffentlichen Auseinandersetzungen werden, um endlich den "verwahrlosten Empörungsmoralismus" der Spaemanns, Becks und Gröhes[41] und die Diffamierung von Suizidanten durch Kirchen und organisierte Lebensschützer zu delegitimieren.

In der nüchternen Analyse des Soziologen dient das unzeitgemäße Anheizen eines "anti-suizidalen" Klimas ohnehin ganz handfesten Interessen: "Das Krankmachen des Suizids und die Überwachung, Indoktrination und Disziplinierung der alten kranken Menschen sollen "Dammbrüche" verhindern, das heißt das profitable und Herrschaft sichernde Lebensverlängerungssystem soll aufrechterhalten werden"[42] Als "Dammbruch" kursiert das Schreckgespenst einer permissiven Rechtsordnung, die, würde sie den Untertanen erst ihre verfassungsmäßig garantierten Freiheiten erlauben - zum Beispiel direktdemokratische Partizipation oder eigenverantwortlichen Umgang mit Drogen - mit einer epidemischen Ausbreitung der bislang nur von wenigen (vergebens) reklamierten Spielräume konfrontiert wäre. Suizid ist zwar nicht verboten, jedoch nur, weil der Täter sich ohnehin dem staatlichen Zugriff entzieht. Aber wehe die Tat misslingt oder der Betroffene verrät seine Absichten durch einschlägige Signale im Voraus: Entmündigung und Einlieferung in eine psychiatrische Anstalt sind ihm - so er sich nicht die teuersten Anwälte leisten kann - sicher, obwohl sein Tun niemandem außer ihm selbst Schaden zuzufügen droht.

Im Fall des Drogenkonsums wird sogar zwischen legalen und illegalen Selbstschädigungen unterschieden: Alkohol, Nikotin und Medikamente ja, das vergleichsweise harmlose Cannabis[43] sowie "harte" Drogen (Kokain, Heroin, Ecstasy, et cetera) nein. Noch immer ist - trotz minimaler Novellierungen - ein sadistisches Betäubungsmittelgesetzes von 1972 in Kraft, das in fadenscheiniger Sorge um die Suchtgefährdung durch Morphium und Cannabis seitdem Hunderttausende von Schmerzpatienten durch Vorenthaltung geeigneter Analgetika zu entsetzlichen Qualen verurteilt oder in den Suizid getrieben hat - staatlich verordnete Folter, die bei weitem alles übertrifft, was (kompensatorisch? ablenkend?) an den Guantanamos dieser Welt gebrandmarkt wird.

Das Dammbruch-Argument ist immer das gleiche: die strengen gesetzlichen Vorschriften hätten einen zivilisatorischen Damm gegen eine Flut von Begehrlichkeiten errichtet, die, einmal zugelassen, den Zusammenhalt des Gemeinwesens gefährden würden. Suizid könnte ansteckend wirken, Drogenkonsum die Leistungsmoral untergraben und sozial gefährdendes Verhalten fördern; aktive Sterbehilfe gierige Erben auf den Plan rufen, die Druck auf Patienten, Pfleger und Ärzten ausüben könnten. Die dümmsten Rechtfertigungen: Der Staat habe die Pflicht, die Bürger zu ihrem eigenen Wohl vor sich selbst zu schützen. Dann müsste man auch Rauchen, Motorradfahren und Currywürste verbieten. Schmerzlindernde und sterbenserleichternde Medikamente könnten auch als Waffen missbraucht werden. Dann müsste man auch Küchenmesser und Autos verbieten. In Kanada gibt es genauso viele Schusswaffen pro Einwohner wie in den USA - aber nur ein Zehntel soviel Tötungsdelikte durch sie (wir erinnern uns an das ratlose Gesicht Michael Moores am Ende von "Bowling for Columbine"): Es kommt also darauf an, eine Kultur zu schaffen, in der jeder, der über solche - mit präziser Dokumentation abgegebenen - Tötungsmittel verfügt, eigenverantwortlich damit umgeht und sie sicher aufbewahrt - für den selbst zu bestimmenden Notfall.

Tatsache ist: dort wo solche Reglementierungen zaghaft gelockert wurden, in Oregon (Euthanasiepulver), Colorado (Cannabis), Belgien und den Niederlanden (Euthanasie, Cannabis), gibt es weder ein [44]Nachahmerverhalten noch eine Entsorgung-der-Alten-Mentalität, jedenfalls nicht über das Maß dessen hinaus, was bereits im Schatten der Illegalität zuvor schon stattgefunden hatte (und in Resteuropa illegal stattfindet). Und die übergangsweise auftretenden Probleme mit dem Cannabiskonsum Jugendlicher in Colorado sind zum Teil der vorausgegangenen extrem repressiven Drogenpolitik geschuldet, die ein halbes Jahrhundert lang jede Kultivierung des Umgangs mit dem Stoff verhindert hat; zum anderen Ausdruck einer schon zuvor fortgeschrittenen Verwahrlosung der Subkulturen. Tatsache ist, dass weder Cannabis noch selbst Kokain oder Morphiumderivate zwangsläufig süchtig machen: ohne Beschaffungsdruck und Strafverfolgung, in einem stimmigen sozialen Umfeld (Familie, Freunde, Beruf), bei garantiert guter, unverpanschter Qualität und ritualisierter Einnahme (nur zu besonderen Anlässen) stehen die Chancen nicht schlecht, dass die erst seit knapp hundert Jahren verteufelten Drogen ihr Suchtpotenzial gar nicht erst entfalten.

Für Chronische Schmerzpatienten wiederum, die lernen müssen, auf Dauer mit Gewöhnungseffekten umzugehen, werden die Kosten das einzige Problem sein. Weitaus gefährlicher sind all jene Medikamente (Analgetika, Hypnotika, Tranquilizer, Sedativa, Antidepressiva, Neuroleptika, Antikonvulsiva, Antiepileptika), die im Schatten politisch instrumentierter "Opiophobie" (Michael de Ridder)[45] von der Pharmaindustrie zu horrenden Preisen auf Rezept vertrieben werden und bei chronischer Einnahme zusätzlich zur Abhängigkeit Übelkeit, Verwirrung und neurologische Ausfälle verursachen sowie Leber und Nieren irreversibel zerstören.[46] Die Suchtgemeinde der großzügig verschriebenen psychoaktiven Chemikalien verzeichnet allein in Deutschland zehnmal soviele Mitglieder (circa zwei Millionen, überwiegend Benzodiazepine) wie jene der Rauschdrogen. Zählt man noch einmal soviele Alkoholabhängige und fünfzehn Millionen Nikotinsüchtige dazu, so finden wir in der Lagune staatlich sanktionierter Dammbrüche knapp ein Viertel der Bevölkerung beim Genuss legaler Selbstschädigungen versammelt.

Doch die Propaganda der Dammbruch-Hysteriker bedient nicht nur eine statistisch leicht zu entlarvende Bigotterie. Sie ist auch Symptom einer rechtsethisch absurden Verdachtspolitik, die ihrerseits mit zweierlei Maß misst. Im Kontext einer optionalen Sterbehilfe unterstellt die Metapher vom drohenden Dammbruch bereits aufgestaute Fluten von massenhaft zum Mord entschlossener Erben, Ärzte, Pfleger oder mit der Pflege überforderter Angehörigen. Für sie käme eine Entpönalisierung aktiven Sterbebeistands der Anstiftung zur beschleunigten Lebensverkürzung gleich. Nun haben ungezählte Forschungsprojekte in den vergangenen Jahrzehnten zwar untersucht, wieso einer von Hunderttausend zum Mörder wird, jedoch nie warum es nur einer ist, obwohl historisch, psychologisch und soziologisch als erwiesen gilt, dass Angst vor Strafverfolgung als Abschreckung nur eine marginale Rolle spielt, die (relative und steigende) Hemmschwelle eine kulturell und anthropologisch modellierbare ist.

Nach siebzig Jahren Frieden und der Abwesenheit aller anderen kollektiven Ernstfälle - Hungersnöte, Epidemien, Kataklysmen - auf der einen, steigender Lebenserwartung auf der anderen Seite sowie des gestiegenen Werts individuellen Lebens in der Kleinfamilie: nach alldem ist das generalisierte Misstrauen des Staates, das jedem Bürger unterstellt, nur aus Furcht vor Strafe vor dem Ausagieren niedriger Beweggründe zurückzuschrecken, schlechterdings veraltet. Umgekehrt muss man wohl fragen, ob die politisch, juristisch und massenmedial organisierte Paranoia nicht vielleicht der Preis für die Abschaffung der Todesstrafe und eine bisweilen empörend täterfreundliche Rechtsprechung ist? Wenn es um Sterbehilfe geht, wird das staatliche Gewaltmonopol jedenfalls verteidigt, als gelte es achtzig Millionen potenzieller Killer in Schach zu halten.

Mag der sozialdemokratische "Vorsorgestaat" (François Ewald) sich aus der Absicherung der Lebensrisiken seiner Untertanen schrittweise zurückziehen, die Verdachtspolitik des Präventionsstaats sucht unersättlich nach neuen Anwendungsfeldern. Der Soziologe Ulrich Bröckling definiert Prävention als "moralischen Zwang zur Vorsorge" und führt aus: "Praevenire heißt zuvorkommen. Etwas wird getan, bevor ein bestimmtes Ereignis oder ein bestimmter Zustand eintreten, damit es nicht dazu kommt oder zumindest der Zeitpunkt des Eintretens hinausgeschoben und der zu erwartende Schaden auf ein Mindestmaß begrenzt wird...

Prävention will nichts schaffen, sie will verhindern. Gesundheit kennt sie nur als Abwesenheit von Krankheit, Sicherheit nur als Ausbleiben von Verbrechen, Frieden nur als das Ausbleiben eines Kriegsfalles."[47] Im Strafrecht werden Maßnahmen zum präventiven Opferschutz stets nach Maßgabe einer errechneten Rückfallwahrscheinlichkeit getroffen, also auf der Grundlage bereits verübter und aktenkundiger Delikte sowie mehr oder weniger fragwürdiger psychologischer Gutachten. Die Sterbehilfe ist der einzige Kontext, in dem die Beteiligten - Betroffene, Angehörige, Freunde, Pfleger, Ärzte - putativ kriminalisiert werden, noch ehe sie sich eines Vergehens schuldig gemacht haben. Klaus Feldmann spießt diese Verhinderungslogik ganz unaufgeregt auf, wenn er bemerkt, "dass eine gesetzliche Humanisierung der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zum Suizid nicht vorhersagbare Folgen haben kann, doch wissenschaftlich nicht belegbar ist, dass diese Folgen negativ sein müssten. Sozialwissenschaftlich und auch alltagstheoretisch ist zu erwarten - und verschiedene Daten und Erfahrungsberichte bestätigen dies auch - dass die Gesetzgebung bezüglich aktiver Sterbehilfe beziehungsweise Beihilfe zum Suizid in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Oregon positive Konsequenzen hat und haben wird, da Wünsche eines Teils der Bevölkerung erfüllt werden, die Transparenz verbessert wird und Kultivierungsszenarien erprobt werden."(op.cit., online S. 19)

Dass ausgerechnet die niederländische Euthanasiepolitik wegen einiger mutmaßlich ohne Einwilligung erfolgter Lebensverkürzungen[48] als Popanz herhalten muss, grausige Szenarien für den Nachahmungsfall auszumalen, ist der Gipfel der Verlogenheit. Zum einen wegen der nahezu identisch gelagerten "Missbrauchsfälle" bei der passiven und der indirekten Sterbehilfe, die es auch in Deutschland gibt; zum anderen weil die Niederländer in allen Belangen des Gesundheitssystems seit langem vorbildlich agieren und hinsichtlich etwa Krankenhaushygiene, Patientenrechte, Transparenz der Kosten und Verantwortlichkeiten sowie dem gesellschaftlichem Umgang mit Demenz Deutschland um Jahrzehnte voraus sind. Der moralinsaure Radau um ein paar Ausnahmefälle wird hierzulande ausgerechnet von jenen Funktionären (zum Beispiel der Bundesärztekammer) veranstaltet, die Zehntausende in deutschen Krankenhäusern aufgrund katastrophaler Hygienebedingungen oder fahrlässiger (vermeidbarer) Operationsfehler sehr, sehr frühzeitig zum Sterben Gezwungener als Kollateralschäden des von ihnen mit verantworteten maroden Systems billigend in Kauf nehmen.[49]

Vor dem Hintergrund dieser unbestrittenen Fehlentwicklungen sowie der peinlichen Zustände in Pflegeheimen und Krankenstationen kann man in der Perhorreszierung liberaler Sterbekultur durch Kader konservativer Interessengruppen leicht eine Kampagne erkennen, die vom eigenen ethischen, politischen (und organisatorischen) Versagen ablenken und die Scham angesichts des Gefälles zwischen den selbst propagierten Maßstäben und der Wirklichkeit kompensieren helfen soll.

Wer die seit anderthalb Jahrzehnten überaus kontrovers geführten Debatten um die nach (mit und gegen) Foucault so genannte Biopolitik, insbesondere in ihrer durch Giorgio Agambens Werk Homo Sacer geprägten Lesart verfolgt hat, wird sich nach den vorangegangenen Ausführungen wundern, warum jene sich - zumindest in Deutschland - auf die Vorgänge am Lebensanfang (Stammzellenforschung) und den "Ausnahmezustand" in Internierungslagern und Flüchtlingscamps kaprizieren, hingegen den Vorgängen am Lebensende mit ihren ungesicherten (juristischen, ethischen, medizinischen, sozialpolitischen) Grauzonen, Transitlagern und Ausnahmezuständen kaum Beachtung schenken. Ob dieser, von Agamben selbst in der abschließenden "Schwelle" seines Buchs nur kurz angedeutete Horizont im toten Winkel biopolitischer Diskurse bleibt, weil es um das buchstäblich Nächstliegende und ausnahmslos, wenn auch stets zukunftverschoben, Jeden Betreffende geht; oder ob es eine Scheu gibt, sich auf die vom italienischen Philosophen anlässlich seiner Rekonstruktion der ambivalenten Vorgeschichte des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms[50] explizit ausgeklammerte Problematik einzulassen: das wird wohl erst der historische Abstand zeigen. Was sich als vorerst diffuse Nebenwirkung der Debatten um den Homo Sacer bereits konstatieren lässt, ist eine Sensibilisierung für "die peinliche Koinzidenz juristisch-institutioneller und biopolitischer Gewalt"[51], auf unseren Kontext zugespitzt: für die Sklerotisierung politischer Gestaltungsspielräume durch eine schleichend-progrediente Verrechtlichung jener Lebens-Bereiche, die sich der individuellen Selbstkontrolle ebenso entziehen wie jeder normativen Regulierung (Sexualität, Rausch, Krankheit, Sterben). Hier können Agambens Intuitionen ungeachtet der eingeschränkten Kompatibilität seiner Thesen helfen, die prinzipielle Unangemessenheit legislativer Eindämmungsversuche auf die Möglichkeit ihrer Aussetzung oder gar "Entsetzung"[52], auf die Risse und Inkonsistenzen hin abzuklopfen, die einen Dammbruch via inversa eröffnen würde.

Agamben greift die aristotelische Unterscheidung von zoe, dem animalischen, um seine Reproduktion besorgten und bios, dem politisch-öffentlichen Leben auf, um zunächst an Foucaults berühmter Definition der "biopolitischen Modernitätsschwelle" anzuschließen: "Jahrtausende hindurch ist der Mensch das geblieben, was er für Aristoteles war: ein lebendes Tier, das auch einer politischen Existenz fähig ist. Der moderne Mensch ist ein Tier, in dessen Politik sein Leben als Lebewesen auf dem Spiel steht."[53] Die Schwelle, ab der die zoe in den Fokus biopolitischer Interessen gerät, datiert Agamben jedoch auf das altrömische Recht zurück, das die Figur des homo sacer als eines "heiligen Lebens", das "getötet werden kann, aber nicht geopfert werden darf" (HS 20) kannte. Für die souveräne Macht sei diese Verhängung eines Banns, das als Produktion des "nackten" (seiner Rechte beraubten) "Lebens" und somit als Urbild des Ausnahmezustands beschrieben werden kann, von Anfang an konstitutiv. Sie legitimiere und perpetuiere sich in eben der permanenten Verwandlung des animalischen Individuums in ein politisches Subjekt bei gleichzeitigem Ausschluss des in diesem Prozess nicht aufgehenden Rests. "Indem der moderne Staat das biologische Leben ins Zentrum seines Kalküls rückt, bringt er bloß das geheime Band wieder ans Licht, das die Macht an das nackte Leben bindet" und das die "intime Solidarität zwischen Demokratie und Totalitarismus begründet". Weil "der Raum des nackten Lebens, ursprünglich am Rand der Ordnung angesiedelt, im Gleichschritt mit dem Prozess, durch den die Ausnahme überall zur Regel wird, immer mehr mit dem politischen Raum zusammenfällt und auf diesem Weg Ausschluss und Einschluss, Außen und Innen, zoe und bios, Recht und Faktum in eine Zone irreduzibler Ununterscheidbarkeit geraten." (HS S. 16-20, Übersetzung dem Original angeglichen). Die Brisanz dieser - notgedrungen verkürzt wiedergegebenen - Überlegungen Agambens wird deutlich, wenn wir ihre Anwendbarkeit auf das Problemfeld dieses Essays prüfen.[54]

Die erste Paradoxie, die hierbei ins Auge springt, ist dass die juristische Überregulierung prekärer gesundheitlicher Zustände in ihr Gegenteil, in die (wenn nicht de jure, so de facto) Entrechtung der Betroffenen umschlagen kann. Die gesetzlich verfügte, sei es vorübergehende, sei es dauerhafte Suspension der konstitutionell garantierten Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte verwandelt nicht nur Gefängnisse, sondern auch psychiatrische, therapeutische und kurative Aufbewahrungsanstalten in Zonen mit Sonderstatus, die ihre Insassen einem strengen Regime der Fremdbestimmung unterstellen, als könne man ihrem individuellen (sozialen, psychischen, gesundheitlichen) Ausnahmezustand nur spiegelbildlich mit einem administrativen Ausnahmerecht begegnen. Wenn überhaupt, dann finden wir hier - und nicht in Guantanamo oder gar Lampedusa - jene "Lager", die Agamben zufolge paradigmatisch für demokratisch verfasste Gesellschaften mit ihrer Verpflichtung auf die Wahrung der Menschenrechte sind. In deren Namen wird nämlich hier das biologische Menschenwesen "heilig" gesprochen, um es vor den Eigenmächtigkeiten seines "politisierten" alter Ego zu bewahren, das vorsorglich in generalisierter Schutzhaft genommen wird. Hier sind jene Orte "von scheinbarer Harmlosigkeit", die Räume eingrenzen, in denen vor aller Augen und dennoch ihren Blicken entzogen "die normale Ordnung de facto aufgehoben ist"[55], und wo es letztlich vom "Personal" (Temperament, Haltung, Empathie, Zeitbudget) abhängt, was mit den Insassen passiert. Denn es gehört zur Verrechtlichung des Umgangs mit den nicht reglementierbaren, weil unberechenbaren Äußerungen eines geschwächten, hilflosen oder der Selbstkontrolle entgleitenden Lebens, das sie den Entscheidungsbefugten (Richtern, Betreuern, Pflegern, Ärzten, Angehörigen) genügend Spielraum für individuelle Willkür, Unsicherheit und im Grenzfall Macht über Leben und Tod überlässt.

Erst in diesem durch Foucaults bahnbrechenden Studien über die Entstehung der Psychiatrie, der Gefängnisse und der Klinik[56] erschlossenem Zusammenhang nimmt die Kehrseite der Demokratie ubiquitäre Züge an, die den bösen Verdacht einer institutionalisierten Ununterscheidbarkeit von Bio- und Thanatopolitik aufdrängen. Das fängt schon mit den trivialen Maßregelungen im Krankenhaus an: Wer nicht als Privatpatient mit Promibonus eingeliefert wird, darf nicht ausschlafen und muss essen, was ihm vorgesetzt wird. Und das obwohl Chronobiologen mit wissenschaftlich fundierten Argumenten seit Jahrzehnten anmahnen, die gewohnten Rhythmen der Patienten zu respektieren und die Medikamentenabgabe schonend und effizienter auf die Eigenzeiten der Organe und ihrer Metabolismen abzustimmen - vergebens. Dabei würden die Mehrkosten für den Personalaufwand durch die verkürzten Rekonvaleszenzzeiten mehr als aufgewogen werden.

Lassen sich Gefängnisse unter Gesichtspunkten wie Strafe, Genugtuung oder Opferschutz zumindest für Gewalttäter noch moralisch rechtfertigen, so ist die Internierung "Verhaltensauffälliger" in der Psychiatrie, wie nicht zuletzt der Fall Mollath eindrucksvoll gezeigt hat, oft nur das Resultat der Aufwertung von Gutachtern zu absolutistischen Expertokraten, denen überforderte Richter nur allzu gern ihr Placet geben. Die Zustände in den psychiatrischen Kliniken werden seit den Windmühlenkämpfen der Antipsychiater in den siebziger Jahren gleichbleibend als desaströs entmenschend skandalisiert, geändert hat sich lediglich die durch das Internet hergestellte Öffentlichkeit.

Doch das demografisch bedeutende Kontingent von Personen, die als anomisch, sozial funktionslos und "behandlungsbedürftig" eingestuft und vom Rest der Gesellschaft zugleich ausgesondert und zwecks Überwachung eingesperrt werden, betrifft Alte, chronisch Schwerkranke, Demente und Sterbende. Genaugenommen wird jeder - buchstäblich jeder Erdenbürger -, dem nicht die Gnade einer mors repentina mit plötzlichem Herzstillstand zuteil wird und der für den wahrscheinlicheren Fall keine Patientenverfügung verfasst (und für gute Anwälte zu ihrer Durchsetzung gesorgt) hat, irgendwann zum homo sacer, mit dem das thanatopraktisch ermächtigte Personal nach Belieben verfahren kann, wobei es keinen Unterschied macht, dass es diese Macht in der Regel nicht für Lebensverkürzung, sondern für sinnlose und unerwünschte Sterbensverlängerung missbraucht.

Es ist also durchaus konsequent, dass ausgerechnet Gesellschaften mit der höchsten Konvergenz von nationalstaatlicher Verfassung und Menschenrechtscharta sich eine Schmerz- und Sterbeunkultur leisten, die Millionen Leidende nicht durch Ächtung, sondern durch lückenlose Kontrolle auf das nackte Leben reduziert. Und die diesem wachsenden Anteil der Bevölkerung die Freiheit verwehrt, sich mit entsprechenden Drogen und Sterbemitteln ihre Lebensform und damit ihre Würde zu bewahren. Inbegriff des seiner Rechte (und oft seiner Geistesgegenwart) beraubten und der Manipulation anderer ausgelieferten Lebens sind also heute Schmerzpatienten, Demente, Komatöse und Moribunde. Hier, in den Pflegeheimen und Krankenstationen, in privaten und öffentlichen Durchgangslagern für den Transitus vom Leben zum Tod für praktisch alle, die sich die teuren Alternativmodelle nicht leisten können und keine Ärzte im Familien- oder Freundeskreis haben: Hier und nicht in Geschichtsbüchern oder Horrorfilmen kann man den "wandelnden Leichnamen" Bruno Bettelheims begegnen, den lebenden Toten, deren unerträglicher Anblick Primo Levi mit dem der Gorgo verglich.[57] Dieses nackte Leben muss gar nicht erst explizit verbannt werden, es ist - mental, psychisch, sozial, sexuell und oft genug auch sensomotorisch - bereits tot, aufs bloße Überleben reduziert, aufs Sich-Überleben.

Dass in diesen Zonen der Ausnahmezustand zur Regel wird, ist jedoch weniger Beleg eines ontologisch invarianten "Paradox der Souveränität", als vielmehr umgekehrt Indiz für ihre zunehmende Ohnmacht angesichts einer doppelten Dynamik: zum einen von Individualisierungsprozessen, die das normative Regelwerk staatlicher Ordnung überfordern, zu destabilisieren drohen - und deshalb diszipliniert und gleichgeschaltet werden müssen. Das geschieht auf dem jeweiligen nationalen Territorium weitgehend unbeachtet oder unterschätzt, nicht zuletzt deshalb, weil die kritische Öffentlichkeit die Bürgerrechte der Einheimischen gewahrt wähnt, während sie das Schicksal von Flüchtlingen und Staatenlosen notorisch gefährdet sieht von entrechtenden Ausnahmeregelungen und Exklusionsmaßnahmen der jeweils zuständigen Hoheitsgewalt, obwohl ihr prekärer Status von den Regeln der Genfer Konvention, des Asyls- und des Zuwanderungsrechts geschützt wird, über deren Einhaltung wiederum die daueralarmierte Öffentlichkeit wacht. Zum anderen wird es immer schwerer, die souveräne Instanz überhaupt zu verorten. In der repräsentativen Demokratie entscheidet ein je nach Problemfeld neu zusammengesetztes Kartell von Interessengruppen (Parteien, Verbände, Lobbys, Regierungsvertreter) über die Novellierung, Verschärfung oder Aushebelung geltender Gesetze, was zu einer Diffusion der Machtbefugnisse führt. Als negativer "Souverän" kann allerdings das Bundesverfassungsgericht katechontisch eingreifen und Dekrete oder Gesetze, die dem Geist und Buchstaben der Verfassung widersprechen, wieder kassieren, bevor sie Schaden anrichten.

Diese "mikrophysikalische"[58] Aushöhlung traditioneller Souveränität entgeht Agamben ebenso wie ihr paradoxer Umschlagpunkt, wo sie, gerade in allen Fragen das "nackte Leben" des Individuums betreffend, an dieses selbst übergeht und es diesem allein überlassen bleibt, über Wert oder Unwert, Fortdauer oder Abbruch seines Lebens - ob geistesgegenwärtig oder testamentarisch (Patientenverfügung) - zu entscheiden.

Hier rächt sich der rein administrative Top-down-Blick des Kulturphilosophen, dem die homines sacri als reine Verfügungsmasse erscheinen und nur als solche in ihrer Referenzfunktion für die "souveräne Macht" aufgehen. Was seine fatalistische Genealogie der Verbannung nicht kennt: die durch den Ausschluss provozierte Reaktion, die jederzeit den homo sacer in einen wehrhaften Akteur des Untergrunds, des Partisanenkampfs oder Banditentums, der Revolte oder Revolution verwandeln kann - also in einem Teilhaber an staatlich anerkannte und verfolgte Formen der Gesetzlosigkeit, die sich nach eigenen Gesetzen organisieren und - im Falle selbstbestimmten Sterbens sogar eine verfassungskonforme Ethik auf ihrer Seite wissen. Nicht zufällig unterschlägt er bei seiner Revue historischer oder mythologischer Figuren am Werwolf seine legendäre Gefährlichkeit (die medizinhistorisch plausibel auf Tollwutinfektionen zurückgeführt wird); und nicht zufällig streifen seine abschließenden Betrachtungen zu möglichen Anwendungsfällen in der Gegenwart gerade mal Komapatienten, Inbegriff des buchstäblich ohnmächtigen Ausgeliefertseins.

Allenfalls ein "Ausweichen" in "endlose Flucht" kann Agamben sich vorstellen (HS S. 192), doch nur um darin eine Bestätigung des Verhängnisses zu erkennen. Doch der tödliche Bann souveräner Macht sagt heute weniger denn je etwas darüber aus, wie dessen Adressaten damit umgehen. Zum Beispiel konnte Cicero, der berühmteste homo sacer der Antike, sich zunächst durch Flucht aus Rom dem Bann Marcantonius" entziehen, bevor er von dessen Schergen aufgespürt und hingerichtet wurde. Der berühmteste homo sacer der Gegenwart, Salman Rushdie, trotzt hingegen seit Jahrzehnten der Fatwa. Außerhalb ihrer imperialen oder nationalstaatlichen Hoheitsrechte verliert die souveräne Macht ihr (notwendiges?) Korrelat an das Zusammenspiel grenzüberschreitender Flucht und transnationaler Öffentlichkeit (und/oder Untergrund). Assange und Snowden haben das ebenfalls unter Beweis gestellt und nutzen den Schutz der Exterritorialität, während kremlkritische Journalisten, die im Putinreich verbleiben, mit ihrem Leben spielen. In der Popkultur des Mainstreamkinos wiederum erfreut sich keine Figur solcher Beliebtheit wie der einsame, von allen Exekutivorganen der Welt gejagte, zum Abschuss freigegebene Held, dem Tony Gilroy mit seiner Bourne-Tetralogie das ultimative Denkmal gesetzt hat.

"Die Frage nach der Möglichkeit einer nicht staatlichen Politik hat demnach die Form: Ist heute möglich, ja gibt es heute etwas wie eine Lebens-Form, das heißt ein Leben, dem es in seinem Leben um das Leben selbst geht, ein Leben der Potenz?"[59] Spätestens hier hätte Agamben, bekanntlich um etymologisierende Rückprojektionen nie verlegen, als Gegenspieler des homo sacer die ebenfalls altrömische dignitas (Würde, Ehre, Ansehen, Geltung) ins Spiel bringen können, neben der humanitas der andere terminus a quo der Geschichte der Menschenrechte, der gern unterschlagen wird, wenn selbstbestimmtes Handeln am Lebensende im Namen einer amputierten conditio humana verweigert wird.[60] Im Kontext einer Reduktion auf den würdelosen Status des "nackten Lebens" überraschen die Negationsbildungen von dignitas mit einem komplexen Spiel von Privation, Wiederherstellung und Verschiebung.

Es geht um den feinen Unterschied zwischen indignus = unwürdig, seiner Würde beraubt und indignatus = empört, das heißt: sich (aus Zorn über was auch immer) der gesellschaftlich geforderten und antrainiert würdevollen Haltung entschlagend und aus "Sich" (aus diesem Kondensat machtpolitischer Affektkontrolle) heraus tretend durch die Geste der Empörung seinen Einspruch gegen die verletzte Würde (die andere, die unveräußerliche diesseits der Anpassungsleistung) bekundend und so zumindest in effigie die Dignität (die eigene, die der anderen, einer Sache) wiederherstellend. Im Deutschen kommt die Ent-Rüstung, Aufbrechen und Abstreifen des Charakterpanzers, dem am nächsten. Die (einst aristokratisch kodifizierte) Selbstbeherrschung verlieren und trotzdem Haltung bewahren, das ist allerdings eine Frage des Stils und damit hätte Agamben die Domäne des Rechts und der vom Recht zugleich gestützten und geknebelten Ethik verlassen und das offene Feld der Ästhetik betreten müssen. Dabei träumt er selbst von einer Zukunft, in der die Menschen "mit dem Recht spielen werden "wie Kinder mit einem alten Spielzeug..."[61] Und wer - sieht man von sprichwörtlichen Bohémiens ab - wäre wohl am besten geeignet, diese zweite Unschuld zu erlangen und wie Kinder, aber im Bewusstsein, nichts zu verlieren zu haben, vom Recht nichts mehr wissen zu wollen? Indignatio - Empörung, Entrüstung der Alten, Kranken, Sterbenden: das wäre immerhin ein Anfang, eine autosuggestive Mobilmachung ungeahnter Kräfte mit einem unberechenbaren Ansteckungspotenzial. Die Urzelle einer "Lebens-Form", einer bios gewordenen zoe.

Daniele Dell"Agli

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[38] Paul Ludwig Landsberg, Die Erfahrung des Todes. Frankfurt/M 1973, S. 95ff.

[39] Ursula Baumann, Selbsttötung und die moralische Krise der Moderne, in: Andreas Bähr/Hans Medick (Hg.): Sterben von eigener Hand. Selbsttötung als kulturelle Praxis. Wien 2005, S. 115-136, zitiert bei:

[40] Feldmann, Kultivierung...., op.cit. S. 183.

[41] Kamann, Todeskämpfe, op.cit. S. 66.

[42] Feldmann, op.cit., S. 182.

[43] Vom Gesetzgeber zugelassene "geringfügige Mengen" für den "Eigenbedarf" dürfen je nach Land und richterliche Tagesform verschieden ausgelegt werden; das ist inakzeptabel.

[44] Als Medikament ist Cannabis darüber hinaus in 23 US-Bundesstaaten, Kanada, Tschechien und seit zwei Jahrzehnten bereits in Israel zugelassen.

[45] Michael de Ridder räumt energisch mit den kursierenden und leider legislatorisch zementierten Idiotien in Sachen Opiate auf. Das Kapitel Verordnetes Leid. Das Fiasko der Schmerztherapie in seinem Buch Wie wollen wir sterben (op.cit. S. 93-113) sollte Pflichtlektüre für jeden Politiker, Juristen und Mediziner sein.

[46] Wieviele Todesfälle infolge frühzeitigen Multiorganversagens auf das Konto ärztlich genehmigten Medikamentenmissbrauchs (hier ist das Wort angebracht), ist bezeichnenderweise nicht belegt.

Günter Amendt hat die Geschichte der schrittweise Ersetzung illegaler (pflanzlicher) Rauschmittel durch legale (chemische) Pharmadrogen nachgezeichnet: No Drugs No Future, Hamburg 2003.

[47] In: Werner Bartens, Vorsicht Vorsorge! Frankfurt/M 2008, S. 23-30.

[48] 3 Prozent aller Todesfälle erfolgen in den Niederlanden durch aktive Sterbehilfe; gemutmaßt wird, dass davon wiederum 3 Prozent ohne ausdrückliche Einwilligung der - dementen oder terminalkranken - Patienten erfolgt. Diese Daten sind seit dem überaus instruktiven Überblick von Wolfgang van den Daele (2007) konstant geblieben: Das Euthanasieverbot in liberalen Gesellschaften - aus soziologischer Perspektive. In: Tod und Sterben in der Gegenwartsgesellschaft, op.cit. S. 37-59.

[49] Laut einer AOK-Studie vom März 2014 sterben fünfmal soviele Menschen durch Operationsfehler als im Straßenverkehr: das wären dann rund 30.000 jährlich - zusätzlich zu den 17.000 MRSA-Opfern infolge Ansteckung durch multiresistente Keime. Letztere könnte man leicht durch Hygiene-Vorkehrungen nach holländischem Vorbild vermeiden. "Vermeidbare" Operationsfehler sind solche aufgrund von Übermüdung nach zu langen Schichten, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch der Chirurgen und fehlende Kompetenz oder Praxis. Eine Statistik zu den Tausenden von Todesfällen, darunter viele Suizide infolge verweigerter Übernahme teurer Medikamente haben die Krankenkassen natürlich nicht veröffentlicht.

[50] Giorgio Agamben, Homo Sacer. Frankfurt/M 2002, S. 142-152. (im Folgenden abgekürzt HS)

[51] Anselm Haverkamp, Das Betriebsgeheimnis der europäischen Demokratie. In: Literaturen 01/2001.

[52] Zu Walter Benjamins Denkbild einer "Entsetzung des Rechts" (aus Zur Kritik der Gewalt) vgl. Christoph Menke, Recht und Gewalt. Berlin 2011.

[53] Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit. Frankfurt/M 1977, S. 170f.

[54] Grundlegend für Agambens Thesen und die daran anschließenden Diskussionen um Paradoxien, Konstruktionsfehler und impliziten Einschränkungen der Menschenrechte sind die einschlägigen Analysen Hannah Arendts in Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. München 1986 (besonders Kap. II,9 und III,12). Vgl. Homo Sacer, S. 135ff.

[55] Giorgio Agamben, Mittel ohne Zweck. Berlin 2001, S. 46.

[56] Wahnsinn und Gesellschaft (1961, dt. 1969), Überwachen und Strafen (1975, dt.1977), Die Geburt der Klinik (1962, dt.1972).

[57] Giorgio Agamben, Was von Ausschwitz bleibt. Frankfurt/M 2003, S. 30, 47, 61.

[58] Mikrophysik der Macht. Michel Foucault über Strafjustiz, Psychiatrie und Medizin. Berlin 1976.

[59] Mittel ohne Zweck, op.cit. S. 17.

[60] In der römischen dignitas kann man unschwer die patrizische Kultivierung jener "thymotischen" Energien Altgriechenlands wiedererkennen, die Peter Sloterdijk für seine Genealogie der psychopolitischen Amokläufe im 20. Jahrhundert der Vergessenheit entrissen hat: Zorn und Zeit. Frankfurt/M 2006.

[61] Ausnahmezustand. Frankfurt/M 2004, S. 77. Vgl. Homo Sacer, S. 197.