Yoram Kaniuk

Der letzte Berliner

Cover: Der letzte Berliner
List Verlag, München 2002
ISBN 9783471794548
Gebunden, 288 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Der Doyen der israelischen Literatur rechnet ab mit dem Land der Täter: Als Yoram Kaniuk 1985 eine Einladung des Bundespräsidenten nach Deutschland annahm, ahnte er nicht, dass diesem ersten Aufenthalt weitere folgen sollten. Fortan ließen ihn, den Juden deutscher Abstammung, Deutschland und die Frage danach, warum gerade dieses Volk den Holocaust verübt hatte, nicht mehr los. Bei seinen Besuchen traf er einfache Menschen, ehemalige SS-Offiziere, Politiker, aber auch Heinrich Böll und Günter Grass.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.10.2002

"Bitter notwendig" findet Uwe Pralle das Buch Kaniuks, weil es in aller Schärfe die Gefahr aufzeige, in die sich die Deutschen begeben, wenn sie die Flucht in eine neue Normalität antreten. Kaniuk rechnet, wie Pralle ausführt, vor allen Dingen mit den Vertretern und Kulturschaffenden der politischen Linken in Deutschland ab, von der er sich tief enttäuscht zeigt, da auch diese eine Rückkehr zu einer akzeptablen deutsch-jüdischen Symbiose vermissen ließen. Diese Abrechnung ist für den Rezensenten zwar "schwer zu ertragen" und schreckt in seinen Augen auch vor Ungerechtigkeiten nicht zurück. Es wird auch, wie Pralle vermutet, im heutigen Deutschland nicht viele Freunde finden. Die Reihe der Beschimpfungen, in denen auch Wörter wie "vergangenheitsblind", "eitel", oder "zu selbstgerecht" auftauchen, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pralle in diesem Werk Kaniuks einen wichtigen und nützlichen Beitrag zu einer tief gestörten deutsch-jüdischen Beziehung liefert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.08.2002

Eva-Elisabeth Fischer macht aus ihrer Ablehnung des Buchs keinen Hehl: "Unverzeihlich" sei dieses Werk, und obendrein noch "entsetzlich dumm". Yoram Kaniuk habe schon herausragende Bücher geschrieben, dieses falle mit Sicherheit nicht darunter. Kaniuk, hat Fischer erkannt, schreibt über sich selbst, wenn er den letzten Berliner auf Deutschlandreise schickt. Den Menschen, denen er dabei begegnet, unterstelle er dabei meist "Grässlichstes", etwa wenn er vermutet, sein Gegenüber im Zug wolle ihn zu einem Lampenschirm verarbeiten oder lächle ein "SS-Lächeln". Nur wenige Deutsche entkommen diesem Generalverdacht Kaniuks, wie etwa der wohlwollend beschriebene Heinrich Böll. Alle anderen kommen weniger gut weg, Günther Grass etwa, oder Marcel Reich-Ranicki, erklärt Fischer. Wo Klischee sich an Klischee reiht, kann die Rezensentin keine Satire ausmachen, vielmehr gehe es dem Autor nur um die "rigorose Bestätigung der eigenen Vorurteile": Keine Argumente, wenig Logik, kann die Rezensentin ausmachen, nur "emotionale Breitseite". Ein Buch, das Kaniuk nicht zur Ehre gereicht, so das Urteil Fischers.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.07.2002

Lorenz Beckhardt warnt vor diesem Buch, in dem der israelische Autor Yoram Kaniuk den Spuren seines aus Berlin stammenden Vaters nachgeht: "Wer nicht die Nerven hat, sich von einem zornigen Israeli zurechtweisen zu lassen, sollte dieses Buch besser nicht lesen." Denn Kaniuk vermute hinter jedem missverständlichen Wort antisemitische Ressentiments und leide manchmal unter Paranoia, meint Beckhardt. Aber nicht ganz zu Unrecht, wie der Rezensent Kaniuks Geschichten über seine Reisen durch Deutschland entnimmt. Etwa wenn er als Vortragender bei einer Diskussionsveranstaltung für palästinensische Sympathisanten den antizionistischen Israeli geben soll, sich weigert und schließlich als "Mörder" beschimpft und vom Podium gejagt wird.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.06.2002

Fast schon konsterniert scheint Rezensent Stefan Weidner über Yoram Kaniuks Buch zu sein. Nicht nur weil der Autor sich darin "prophetisch" wundert, dass noch niemand einen Roman über Marcel Reich-Ranicki geschrieben hat, sondern weil Kaniuks "nur leicht fiktionalisierten Berichte aus dem zeitgenössischen Deutschland" in gewisser Hinsicht die aktuelle Antisemitismusdebatte vorwegnehmen. Und Weidner ist sichtlich bemüht, sich nicht provozieren zu lassen und klärt zunächst einmal den Hintergrund: 1986 reist Kaniuk, dessen Eltern 1928 aus Berlin nach Israel ausgewandert sind, zum ersten Mal nach Deutschland. Unter denkbar "schlechten Ausgangsbedingungen", meint Weidner. Zum einen spüre Kaniuk in Deutschland keine wirkliche Bereitschaft zur "Sühne" und zum anderen, vermutet der Rezensent, erwarte er von Deutschland die Heilung seiner "gespaltenen Seele" - gespalten zwischen der Deutschlandliebe des Vaters und seiner Kindheit im deutschlandfeindlichen Umfeld. All das mache ihn geradezu absolut in seinem Anspruch, vor dem kein deutscher Bewältigungsversuch bestehen kann. Und "seltsam" sei, dass er den Leser überzeugen könne. Jedoch - und das rettet ihn in Weidners Augen vor der "Böswilligkeit" - parodiere er sich auch mitunter selbst. Wo dies jedoch nicht der Fall sei, findet der Rezensent so manches befremdlich. Es scheint ihm, als sei "der Vorwurf immer schon erhoben". Doch Weidner sieht in Kaniuks Buch auch eine beabsichtigte Emotionalität, die hygienisch wirken soll. Es gehe ja schließlich auch um Irrationales, das erst zu Tage treten müsse, um "bereinigt" zu werden. Für den Rezensenten besteht allerdings das Problem, dass diese Emotionalität auf der zwischenmenschlichen Ebene sinnvoll ist, dass aber auf der staatlich-politischen Ebene, die Kaniuk laut Weidner auch ins Spiel bringt, diese Emotionalität "fatal" sei. Woraufhin der Rezensent etwas pathetisch schließt: Kaniuks "Anklagen gegen Deutschland können dennoch niemanden, der in diesem Lande lebt, gleichgültig lassen".