Ulrich Greiner

Schamverlust

Vom Wandel der Gefühlskultur
Cover: Schamverlust
Rowohlt Verlag, Reinbek 2014
ISBN 9783498025243
Gebunden, 352 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Ein Erfolgsroman, in dem die Erzählerin genüsslich ihren Analverkehr schildert; eine Pop-Diva, die in einem Kleid aus Rindfleisch ins Rampenlicht tritt; eine knapp dem Tod entronnene Moderatorin, die vor laufender Kamera einen Heiratsantrag stammelt: Leben wir in einer Kultur der Schamlosigkeit? Der Vorwurf moralischer Verwahrlosung gehört zum Repertoire jeglicher Kulturkritik. Aber hat sich nicht doch etwas verändert? Mit klarem Blick spürt Ulrich Greiner Scham- und Peinlichkeitsgefühlen nach, wie sie uns im Alltag und in literarischen Texten begegnen. Denn die Literatur ist ein einzigartiges Archiv der Schamgeschichte. So öffnet dieses elegant geschriebene Buch den Blick für den Wandel der Zeit und die Gesellschaft, in der wir leben.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.06.2014

Ganz angetan ist Rezensent Oliver Pfohlmann von der Studie über den Wandel der Gefühlskultur, die Ulrich Greiner mit seinem Buch "Schamverlust" vorlegte. Inspiriert durch den sich in letzter Zeit medial entfaltenden Exhibitionismus sinniere der Journalist und Literaturkritiker, so Pfohlmann, in Abgrenzung zu analogen Emotionen wie Schuld und Peinlichkeit und anhand von soziologischen Theorien sowie Beispielen aus der Literatur über das Schamempfinden der Gegenwart. Fernab von Standardthesen der Kulturkritik, fundiert und durchaus überzeugend, trage Greiner Thesen und Argumente zusammen. Einzig fraglich findet Pfohlmann das Nicht-Existenzielle des Schams - für Greiner ein Abgrenzungspunkt zur Peinlichkeit - und führt die in den Suizid getriebenen Mobbingopfer als Gegenbeweis an.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2014

Lorenz Jäger hat Ulrich Greiners Buch über "Schamverlust" als eine "Studie zum öffentlichen Benehmen" gelesen. Er attestiert dem Literaturwissenschaftler treffende, wenn auch nicht unbedingt neue Beobachtungen über die Verschiebung der Schamgrenzen. Greiners kulturkritische Äußerungen bleiben für Jägers Geschmack dabei fast zu milde. Auch die Auseinandersetzung des Autors mit dem Schamverlust im Blick auf die Literatur- und Ideengeschichte, die auf eine "Galerie beschämter Helden" hinausläuft, scheint Jäger nicht ganz befriedigend. Ebenso kann ihn Greiners These, an die Stelle von alter Schuld- und noch älterer Schamkultur sei eine Peinlichkeitskultur ohne Gewissen und Tragik getreten, letztlich nicht recht überzeugen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.03.2014

Ohne jeden Kulturpessimismus stellt Ulrich Greiner in "Schamverlust" den Wegfall zahlreicher Regeln fest, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch unser Schamgefühl regelten, notiert Rezensentin Christiane Müller-Lobeck. Die damit einhergehende "Entformalisierung der Umgangsformen" ist aber nicht nur eine Befreiung von alten Zwängen, sie bringt zwangsläufig einen ganzen Haufen neuer Regeln mit sich, erfährt die Rezensentin. Das zeige Greiner vor allem anhand von Alltagsbetrachtungen und Büchern: Fontane, Broch, Thomas Mann - etwas weniger kanonisch hätte es für die Rezensentin schon sein dürfen, umso beeindruckender findet sie es aber, was Greiner da so alles aus den alten Hüten zaubert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.03.2014

Rezensent Stephan Speicher kennt und schätzt Ulrich Greiner als feinsinnigen Literaturkritiker und ehemaligen Feuilletonchef der "Zeit". Nun hat Speicher sein neues Buch "Schamverlust" gelesen und kann dem Autor in seinen Beobachtungen nur zustimmen. Greiner beschreibe etwa, wie sich Körper- und Sexualscham verändert haben, werfe auch auf einen Blick auf die zahlreichen Schamverletzungen des Fernsehens, stelle aber insbesondere die ethischen und ästhetischen Kategorien von Scham in den Mittelpunkt seiner Reflexionen, berichtet der Rezensent. Als "Bedingung von Moral" und als Begegnung mit sich selbst, setze er die Scham von der Peinlichkeit ab, welche man nur innerhalb sozialer Situationen empfinden könne. Interessiert liest der Kritiker auch Greiners Gedanken zur Scham in der Literatur - etwa bei Kafka, Dostojewski, Borchardt oder Bernanos. Vor allem lobt der Rezensent das Vermögen des Autors seine Erkenntnisse ganz ohne "Predigen" zu vermitteln.
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