Sherko Fatah

Das dunkle Schiff

Roman
Cover: Das dunkle Schiff
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2008
ISBN 9783902497369
Gebunden, 430 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Das Buch erzählt die Geschichte des jungen Kerim, von Beruf Koch, der sich aus dem irakischen Grenzland auf die beschwerliche und gefährliche Reise nach Europa macht. Von früh an der Idee verfallen, sich zu verwandeln, hat er noch andere Gründe für seine Flucht, war er doch unter die Gotteskrieger geraten und mit ihnen durch das Land gezogen, bevor er sich von ihrem Weg der Gewalt lossagte. Kerim, bemüht, in Deutschland ein neues Leben zu beginnen, kann, obwohl er in dem fremden Land auch Zuwendung und sogar seine erste Liebe findet, die Vergangenheit nicht abschütteln, vielmehr scheint diese sich fortwährend auf ihn zuzubewegen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.04.2008

Bewegt, begeistert und sichtlich ist Jens Jessen von diesem Roman, den er zwar voller Spannung verschlungen hat, aber auch immer wieder beiseite legen musste - um gegen die Tränen anzukämpfen! Wie Sherko Fatah das macht? Ganz einfach, er erzählt absolut schmucklos, in einem "asketischen Realismus" von einem echten Schicksal, dem Schicksal eines Kurden, dem vom Autor vielleicht ein bisschen viel für ein Leben aufgebürdet wurde, dafür aber in "ungeheurer Plausibilität", wie Rezensent Jessen schwärmt: Kerim, irakischer Kurde, flieht nach der Ermordung seines Vaters durch Saddams Schergen, wird gefangener islamistischer Gotteskrieger, denen er sich erst anschließt, um später auch sie zu fliehen. Als Schiffbrüchiger wird er an die Küsten Europas gespült, nach Berlin, wo er in die Fänge einer jungen Studentin gerät. Damit gelinge Sherko Fatah das, was sonst nur Victor Hugo und Robert Louis Stevenson oder geschafft hätten: das "Abenteuerliche in die hohe Kunst" zu führen. Aber auch an Dostojewskis Figuren, die das Böse als etwas Gutes empfinden, oder den Parsifal fühlt sich der Rezensent hier erinnert.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.03.2008

Sehr eingenommen ist Nico Bleutge von Sherko Fatahs Roman über einen jungen Mann, der sich im Irak Gotteskriegern anschließt, sich von ihnen wieder abwendet und nach Deutschland flieht. Wie der Autor die entscheidenden Erlebnisse dieses Mannes in seinen Erinnerungen nach und nach aufrollt, wie er seinen Wandel und sein Gefühl elementarer Fremdheit sowohl in der Heimat als auch in Deutschland beschreibt, findet Bleutge höchst gekonnt. Beeindruckt hat ihn auch die sensible, aber unpathetische, andeutende, aber doch genaue Sprache des Autors und sein geschickter Umgang mit Motiven. Außerdem lobt er den Verzicht auf "vorschnelle Deutungen".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.03.2008

Trotz seiner spannenden Geschichte hat Sherko Fatahs Roman "Das dunkle Schiff" den Rezensenten Andreas Fanizadeh nicht recht überzeugt. Das liegt zum Teil daran, dass ihm all das, was Fatah seinem Protagonisten, dem kurdisch-irakischen Kerim zustoßen lässt, schlicht zu viel wird: Kerim wächst unter der Gewaltherrschaft Saddams auf, macht später, als die Amerikaner im Irak einmarschieren, eine Karriere als Glaubenskrieger und landet schließlich als illegaler Migrant in Berlin. Dabei lässt sich die psychologische Entwicklung des Protagonisten jedoch nicht recht nachvollziehen, wendet der Rezensent ein. Fatah stelle seinen Helden durchgehend als Opfer äußerer Einflüsse dar, ohne über sein Innenleben Aufschluss zu bieten. Dadurch erscheinen Fanizadeh die Wandlungen Kerims unglaubwürdig und erfunden. Den Helden stets nur als Opfer äußerer Umstände darzustellen erscheint Fanizadeh literarisch wie politisch zu schlicht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2008

Für eine wirkliche "Entdeckung" hält Rezensent Wolfgang Schneider den Autor Sherko Fatah, dem er für diesen Roman den Preis der Leipziger Buchmesse gewünscht hätte. Begeistert ist er schon vom "Romananfang voll Schönheit und Schrecken". Fatah schildert hier, wie kurdische Frauen im Nordirak per Abwurf aus einem Helikopter getötet werden. Der Protagonist des Romans Kerim ist noch jung, als er Zeuge dieses Ereignisses wird. Später wird er von Islamisten verschleppt und lädt, ohne Überzeugungstäter zu sein, doch Schuld auf sich. Was aber Früchte trägt, ist die scharfe Kritik am Westen - und zwar ausgerechnet dann, als Kerim nach Berlin ins Exil entkommt. Bezwingend findet der Rezensent den "verfremdeten Blick aufs Vertraute", überzeugend aber auch die Einsichten in die sich radikalisierende "Parallelgesellschaft".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.03.2008

Meike Fessmann preist die Erzählkünste Sherko Fatahs, der sie in seinem jüngsten Roman nicht zuletzt durch die "Behutsamkeit" begeistert, mit der der kurdisch-deutsche Autor seine bedrückende Geschichte erzählt. Im Mittelpunkt des Romans steht Kerim, der im kriegsgeschüttelten Grenzgebiet des Nordirak aufwächst, sich islamistischen Gotteskriegern anschließt und schließlich auf einer riskanten Flucht nach Berlin gerät, fasst die Rezensentin zusammen. Sie findet es grandios, wie der Autor nicht nur die kindliche, traumnahe Perspektive auf die grassierende Gewalt darstellt, sondern auch mit welchem Geschick Fatah beispielsweise die Kampfreden des Anführers der Gotteskrieger mit abrupten Schnitten und Pausen konterkariert, so dass die Leser sich selbst ihre Gedanken dazu machen müssten. Wenn sie auch moniert, dass die Fluchtgeschichte allzu "kolportagehaft" geraten ist, so schwingt sich der Roman dann im letzten in Berlin spielenden Teil wieder zu alter Größe auf, wie sie lobt. Fessmann ist auch dafür dankbar, dass sich der Autor moralischer oder politischer Deutungen seiner Geschichte völlig enthält.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.02.2008

Sabine Peters gefallen die leisen Töne in diesem Buch. Dass der Autor Sherko Fatah seine Geschichte von "Gewalt und Glauben", der Verführung eines jungen Menschen zum "Gotteskrieger", nicht nur auf den Irak und den Islam bezieht, sondern den Westen miteinbezieht und seine Hauptfigur Täter und Opfer zugleich sein lässt, rechnet sie ihm hoch an. Ebenso den Verzicht auf Erklärungsversuche und die Analyse des "Paradigmenwechsels von politischen zu religiösen Bewegungen". Die aus der Doppelperspektive entstehende Tragik (der Hauptfigur) und die Leerstellen des Textes empfindet Peters als Gewinn. Um so eindringlicher erfährt sie, "wie Gewalt aussieht, wie sie klingt".
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