Robert Gernhardt

Später Spagat

Gedichte
Cover: Später Spagat
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783100255099
Gebunden, 128 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

"Die Gedichte dieses Bandes entstanden - von leicht erkennbaren Ausnahmen abgesehen - in den letzten drei Jahren. Dies gilt für den Inhalt beider Abteilungen. 'Später Spagat' versucht noch einmal jene Verbindung von Standbein und Spielbein, Ernstbein und Spaßbein, Verschlüsselbein und Entschlüsselbein, die bereits das Ziel meiner vorherigen Gedichtbände gewesen ist. Nur dass ich diesmal die Aufsatzpunkte des Spagats so reinlich als es ging geschieden habe, wohl wissend, dass auch dieser Spagat eine Mischung wird überbrücken müssen oder doch zumindest können: Jedes noch so ernst gedachte Gedicht kann beim Leser eine untergründige Freude daran erwecken, dass es dem Autor gelungen ist, Worte für das Schwersagbare zu finden. Zugleich vermag der gleiche Leser die Ernsthaftigkeit wahrzunehmen, mit welcher der Autor versucht hat, seinen heiteren Gebilden eine gewisse Dauer zu verleihen. Ob mir diese Mischung geglückt ist? Darüber mögen andere befinden." Robert Gernhardt

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.08.2006

Mehr ein emotionaler Nachruf ist Dieter Hildebrandts Rezension des "Späten Spagats" von Robert Gernhardt, eine Erinnerung an einen mit einem "manischen Schreibdrive" ausgestatteten Vielschreiber, der auch in diesem letzten Gedichtband "hellwach und todwund" die Gegenwart und die eigene Krankheit kommentiert. Weder "nachgelassene noch nachlassende" Stücke lägen hier vor, betont Hildebrandt, sondern ein Gernhardt in Hochform, der noch einmal versuche, "Standbein und Spielbein" zu verbinden. Hildebrandt zitiert einige der Gedichte, die für ihn in den besten Fällen, etwa bei "Für die Jugend", zu "Abseitsfallen der Semantik" werden. Tief berührt hat den Rezensenten zudem, wie sich das über Jahrzehnte hinweg kultivierte lyrische Ich von Robert Gernhardt mit dem Krebs konfrontiert sieht und in "Blut, Scheiß und Tränen" (so ein Gedichttitel) neu aufersteht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.07.2006

Der Rezensent Patrick Bahners nimmt den Titel vom "Späten Spagat" in seiner Kritik wörtlich. Er sieht darum den Dichter Robert Gernhardt als "Vorturner" am Werk, als Meister des eher prosaischen als pathetisch-poetischen Worts. Und die komische Kunst des Autors, der die Form bricht, weil er sie liebt, nehme sich aus als das, was sie in Wahrheit nicht sein kann, als "Volkssport", der aussieht wie etwas, das jeder kann. Dabei, beeilt sich Bahners hinzuzufügen, ist kaum etwas schwerer als die fast schwerelose Form, die die Wörter nimmt, die jeder kennt, und Dinge mit ihnen tut, die jeder versteht. Was herauskomme, seien, wie eh und je bei Gernhardt, "lichte Gedichte" noch in schockschwerer Not. Dem Tode sehr nah und weiter sich nähernd, gelingen, so Bahners, dem Dichter eleganteste "Gleichgewichtsübungen", balanciere er Krankenbulletin und Tumorberichterstattung einerseits und die gewagtesten Übungen komischer Form, in geschüttelten Reimen und anderen Arten von Jux und Dollerei mit Sprache und Vers. Hier ist ein Dichter gestorben, findet Bahners, der nicht nur klüger war, wie er selbst einst schrieb, als sein Schöpfer. Viel komischer war er auch, um keine Pointe verlegen in Leben und Tod.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.07.2006

Undenkbar wäre der Dichter Robert Gernhardt, der komische und der nicht so komische, wie der Rezensent Lothar Müller betont, ohne das Bewusstsein für Form, ohne das glänzende handwerkliche Können, das sich zwischen Reim und Vers überaus souverän und mit Sinn für virtuose Regelverletzung bewegte. Es spricht aus dieser dichterischen Fortbewegungsart nicht nur die innigste Kenntnis der Tradition, sondern auch, so Müller, das "Urvertrauen des Autors in die Sprache". Sie ist nicht kaputt zu kriegen und offenbart in jedem Anschlag des Dichters ihr komisches Potenzial. Nicht kategorisch, sondern nur relativ unterscheiden sich dieser geteilten Grundauffassung wegen die beiden Hälften des Buches, "Standbein" und "Spielbein". Gewiss, so Müller, nehmen im eher ernsten Teil die Krankheitsberichte vom fortgesetzten Sterben den größeren Teil ein, im eher komischen zweiten dominiere die Verjuxung der Sprache. Aber der Geist ist derselbe und der Band nicht zuletzt darum, findet der Rezensent, "ein veritables Vermächtnis".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.07.2006

Dichten war immer auch eine Art Sport für Robert Gernhardt, ein In-Form-Bringen, In-Form-Bleiben, Aus-der-Form-Fallen und so fort. Vom Tod hat er sich dabei inspirieren eher denn stören lassen. Genau das sehe man seinem letzten Gedichtband nun auch an, in dem, so der Rezensent Jörg Magenau, der "Spagat zwischen listiger Heiterkeit und bitterem Ernst" noch einmal bravourös gelingt. In zwei Hälften zerfällt der Band, "Standbein" und "Spielbein" benannt, komisch gemeint beziehungsweise ernst. Ganz klar ist die Trennung aber auch wieder nicht, denn schon in den Todes- und Krankheitsgedichten findet sich eine Tendenz in Richtung "Feier des Daseins". Mit dem komischen Handwerkszeug, das Gernhardt beherrschte wie kaum einer, geht er im "Spielbein"-Teil zu Werke. Es wird geschüttelt, gereimt, gejuxt und auch einfach Unsinn in Form gebracht. Manches, findet Magenau, ist dabei durchaus "ewigkeitsverdächtig". In jedem Fall zu bewundern: Wie der Dichter die Zeit zu nutzen verstand, die ihm blieb.
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