Reinhard Jirgl

Nichts von euch auf Erden

Roman
Cover: Nichts von euch auf Erden
Carl Hanser Verlag, München 2013
ISBN 9783446241275
Gebunden, 512 Seiten, 27,90 EUR

Klappentext

Im 23. Jahrhundert ist die Erde für die Raubgier der Märkte und Mächte zu klein geworden. So beginnt die Auswanderung der Starken auf Mond und Mars; auf Erden zurück bleibt nur die alte, schwache Menschheit. Schon zwei Jahrhunderte später erweist sich der Mars als so lebensfeindlich, dass die neuen Menschen zurückkehren und brutal die Macht auf der nun friedlichen Erde an sich reißen. Was wie eine düstere Science-Fiction-Vision klingt, ist ein Roman über die uralte Frage von Emigration und Heimkehr. Reinhard Jirgl erzählt von Gier und Gewalt, Unterdrückung und Krieg, Leben und Tod.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.07.2013

Einen Funken Sympathie findet man in Rezensent Hubert Winkels' Kritik zu Reinhard Jirgls Science-Fiction-Roman "Nichts von euch auf Erden". Das Spiel mit Literatur und Sprache hat zeitweise durchaus Witz, gibt er zu. Aber am Ende ist der Rezensent völlig erschöpft: Es gibt einfach zu viel von allem. Winkels beschwert sich über "seitenlange florale Orgasmusmetaphernwucherungen" und "futuristisch aufgepimpte geologische Fachsprachenstrapazen", mit dem opportunistischen Ich-Erzähler kann er nicht sympathisieren, und die Weltuntergangsstimmung, die Jirgl verbreitet, geht ihm auch ziemlich auf die Nerven. Die Welt ist schlecht, die Realität existiert nicht, dafür wird seitenlang gelispelt. So rettet man weder Welt noch Roman, fürchtet Winkels.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.06.2013

In höchsten Tönen feiert Rezensent Helmut Böttiger die visionäre Kraft dieses Romans, der zugleich Science Fiction und Thriller ist und - wie es bei diesen Genres nicht anders sein soll - Diagnose der Gegenwart. Besonders fasziniert Böttiger das Widerspiel von Erde und Mars in diesem im 25. Jahrhundert angesiedelten Roman: Die Erde verdämmert in künstlicher Verzückung, die als "immerwährender Sonnenuntergang" ausgemalt ist, so erzählt Böttiger, während sich auf dem Mars ein asiatischer, ein amerikanischer und ein europäische Block feindlich gegenüberstehen und doch einigen müssen in dem Versuch, auf dem Planeten eine atembare Atmosphäre zu schaffen. Und das wird auf eine interessante Art misslingen, die auch das "Paradies des Endes" auf der Erde gefährden wird. Böttiger legt auch großen Wert auf die für Jirgl so spezifischen Schreibweisen, die sogar die physische Druckseite in Frage stellen und das Experiment mit "alphanumerischen Codes" einschließen. Kurz: Jirgl ist für Böttiger eine "einsame Größe" unter deutschen Literaten.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.06.2013

Science Fiction im besten Sinne, also als - zudem glänzend recherchierte - Extrapolation des Gegenwärtigen in die Zukunft, die sich souverän bei filmischen Vorbildern bedient, um dabei in einer strategischen Volte aber die Literatur zu ihrem eigenen Recht zu verhelfen, hat ein völlig begeisterter Nico Bleutge hier gelesen: Wie Jirgl hier eine Utopie - Frieden auf Erden - ins Dystopische wendet, hält Bleutge nicht nur als großes Science-Fiction-Panorama für lesenswert, sondern in erster Linie auch als literarisches Forschungslabor: Zum einen wegen der nichtlinearen Erzählweise, in der einzelne Kapitel einander im Wechsel von Perspektive, Textform und Gattung spiegelnd kommentieren, zum anderen aber auch wegen der zahlreichen sprachlichen Experimente, in deren Verlauf Jirgl seinen Marsbewohnern eine ganz eigene Sprach- und Ausdruckswelt zimmert, für die sich, wie Bleutge schreibt, Jirgls Hang zu Agglutination und Kalauer bestens als Gefäß anbietet: Ein Fest der "Sprache und Imagination", schwärmt Bleutge, der Hollywoods Computerfarmen hier für einmal auf ihren Platz verwiesen sieht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.04.2013

Für Rezensent Oliver Jungen ist Reinhard Jirgls neuer Roman "Nichts von euch auf Erden" nicht weniger als ein "Eposmassiv voller Pathos und narrativer Virtuosität". Bis an die Grenzen der Fantasie und der Lesbarkeit wird der Kritiker in dieser atemberaubenden "kosmischen Phantasmagorie" geführt, die ihm Jirgls gewaltigen Pessimismus und Zynismus einmal mehr auf brillante Weise vor Augen führt: Im fünfundzwanzigsten Jahrhundert spielt dieser Roman, in dem der Rezensent nicht nur den Krieg zwischen Körper und Geist, sondern auch die Kulminierung aller Kriege der Geschichte erlebt. Dabei kämpft er - durchaus bewundernd - nicht nur mit der oft rätselhaften "Jirgl-Orthografie", sondern auch oft mit dem Überschwang dieses apokalyptisch donnernden Zukunftsentwurfs.
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