Ralf Rothmann

Junges Licht

Roman
Cover: Junges Licht
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518416402
Gebunden, 237 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Ein Sommermorgen, das leichte, noch ungläubige Erwachen am ersten Tag der Ferien. Während die Mutter und die kleine Schwester nach Norddeutschland ans Meer fahren, muß der zwölfjährige Julian Collien mit dem Vater allein zu Hause bleiben - das Geld reicht nicht für einen gemeinsamen Urlaub. Julian vertreibt sich die Langeweile der endlosen Tage im "Tierclub" und in den Weizenfeldern am Rand der Kohlehalden. In den einsamen Stunden, während der Vater Nachtschicht hat, sieht er sich den Zudringlichkeiten des Hausbesitzers ausgesetzt und erlebt gleichzeitig die erste erotische Faszination für Marusha, das Nachbarsmädchen, dessen Zimmer an den Balkon der Familie grenzt. Aber nicht nur Julian ist von der Frühreifen angezogen, auch sein Vater scheint es zu sein.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.10.2004

Thomas Laux ist begeistert: Rothmanns bestes und überhaupt ein "Meisterstück". Sechziger Jahre, der Ruhrpott aus der Perspektive des zwölfjährigen Julian: proletarische Tristesse, der Vater melancholisch, die Mutter ist krank und muss zur Kur, an der Wand ein halbfertiger Starschnitt, Schnaps und Vorgärten. Die Enge der Bundesrepublik, die "mit ihrer Freiheit noch nichts Rechtes anzufangen weiß", der Krieg hängt noch unter der Decke wie alter Zigarettenqualm. Was dem Rezensenten besonders gefällt: Rothmann stattet seine fiktionalen Räume nicht nur authentisch aus und verlässt sich nicht nur auf die Wirkung der Reminiszenzen von Jerry Cotton bis "Weiße Rosen aus Athen", sondern liefert einen "ebenso feinfühligen wie realistischen und facettenreichen Gesamtentwurf, der bis in die Nebenschauplätze und -figuren hinein zwingend bleibt". Kurzum: ein "Sittengemälde" mit einer "herausragenden Epochen- und Milieuschilderung". Hoffentlich, so Laux, bleibt Rothmann den Protagonisten des Potts verbunden, jetzt, da er in Berlin lebt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2004

Das "Verdienst" dieses Romans sieht Rezensent Burkhard Müller in der "ruhigen Genauigkeit", mit der Ralf Rothmann aus der Sicht des 12-jährigen Julian ein Familienleben im Ruhrpott in den sechziger Jahren und das Milieu der Kumpel schildert. Nicht durch "Originalität" will dieser Autor überzeugen, dem durchaus bewusst sei, dass dieses literarische Feld bereits "gut vorbearbeitet" ist, sondern mit einer detaillierten und dabei dennoch "angenehm diskreten" Erzählweise, bemerkt der Rezensent angetan, für den gerade darin auch der Reiz dieses Familienromans liegt. Müller ist davon überzeugt, dass das Buch stark autobiografisch geprägt ist, und hier gefällt ihm besonders, dass Rothmann nicht in "verklärende Rückschau" verfällt, wie sie in der Gegenwartsliteratur gerne geübt werde. Besonders aufgefallen ist dem Rezensenten auch, wie "zart und wunderbar" dem Autor manche Figurenzeichnungen gelungen sind, und auch die Dialoge findet er wegen ihres zeittypischen Klangs ausgesprochen geglückt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.09.2004

Geradezu hingerissen zeigt sich Rezensentin Ursula März von Ralf Rothmanns neuem Roman, in dem der Autor den Leser ins proletarische Milieu der Bergbauarbeiter führt. Rothmann schafft es, seinen Geschichten religiöse und mystische Motive "selbstverständlich anzuverwandeln", verzichtet auf die "Attitüde des Erhabenen" und jeden "rhetorischen Voralarm". Die Transzendenzstimmung, die die Rezensentin ganz besonders begeistert, wird zum "natürlichen Element", da der Autor zwar auf der Basis von Bildbeschreibungen erzählt, sie aber nicht "rhetorisch auflädt". Seine Stärke sei die "Askese", die kamerahaften Ausschnitte, die "Tendenz ins Abstrakte". All das macht auch seinen neuen Roman schön und bedeutsam, so "menschlich und intelligent".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.08.2004

Wie Ralf Rothmanns bisherige Romane auch, beschreibt "Junges Licht" eine "Ruhrgebietskindheit", erklärt Rezensent Jörg Magenau. Und nicht irgendeine Kindheit, sondern Rothmanns eigene sei es, an der er entlang schreibe, gewissermaßen stromaufwärts, denn seine Helden werden zunehmend jünger. Diese Geschichte, die aus der Sicht des zwölfjährigen Ich-Erzählers Julian Collien geschrieben ist, hat dem Rezensenten sehr gefallen. Julian sei wie alle Helden Rothmanns ein Beobachter, ein "Danebensteher", der versuche, den Geschehnissen aus dem Weg zu gehen. Wenn sie ihn dann doch einholen, so Magenau, wehrt er sich nicht, sondern erduldet sie als "schweigsamer Held des Ertragens". Besonders gelungen findet der Rezensent, wie Rothmann gleichsam "aus dem Innern der Vorstellungswelt des Kindes" schreibt, umso mehr als Julian vieles erspürt, ohne es wirklich zu verstehen. Dazu gehöre auch die "kaum begriffene Sexualität", die überall im Roman "vibriere". Lobend erwähnt der Rezensent ebenfalls, dass Rothmann die Armut der Bergarbeiter nicht verkitscht oder verklärt, dafür aber ein regelrechtes "Museum der Arbeitswelt" in seine Erzählung einflicht, das mit seinen Beschreibungen der Welt unter Tage und ihrer "tektonischer Spannungen" zum Echo des rissigen Familienlebens über Tage wird.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.08.2004

Wolfgang Schneider ist begeistert von Ralf Rothmanns "sommerhellem" und "subtilem Ruhrgebietsroman". Wieder einmal - so befindet Schneider - zeige Rothmann seine besondere "Gabe der äußeren Genauigkeit". Erzählt werden die Adoleszenz-Erlebnisse des zwölfjährigen Julian im Ruhrgebiet der sechziger Jahren, so etwa "Schulangst", "Familienpein" und erste Erfahrungen mit "Sexualität und Tod". Sehr ausführlich gibt Rezensent verschiedene Passagen aus dem Roman wieder, wohl um seiner Begeisterung Nachdruck zu verleihen. Unter anderem hebt er die Szenen hervor, in denen Julian vom pädophilen Vermieter seiner Familie "nachgestellt" wird. "Sehr gekonnt" habe Rothmann hier eine leise Bedrohlichkeit inszeniert, wie in einem "Hitchcock-Film". Überhaupt - so schwärmt Rezensent Schneider- gebe es momentan "kaum einen anderen Autor", der die Lebensphase Pubertät derart "poetisch" erfassen könne. Dabei - so führt Rezensent Schneider aus - werden die inneren Konflikte der Figuren nie "auspsychologisiert", sondern dank Rothmanns "filigraner Beschreibungskunst" in äußeren Dingen symbolisiert. Besonders beeindruckt hat Schneider die Verwendung eines wiederkehrenden Vogel-Motivs, ein - wie er sagt - "ingeniöses Poem in Prosa". Und trotz einer gewissen Tendenz zur "Verklärung" sieht Rezensent Schneider Rothmanns Buch weitab von allem "Kitsch".
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