Philip Roth

Verschwörung gegen Amerika

Roman
Cover: Verschwörung gegen Amerika
Carl Hanser Verlag, München 2005
ISBN 9783446206625
Gebunden, 432 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz. Amerika 1940. Charles Lindbergh, Fliegerheld und Faschistenfreund, verbucht bei den Präsidentschaftswahlen einen erdrutschartigen Sieg über Franklin D. Roosevelt. Unter den amerikanischen Juden breitet sich Furcht und Schrecken aus - auch bei der Familie Roth in Newark. Aus der Sicht des 8-jährigen Philip schildert der Autor, was passiert wäre, wenn ...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.09.2005

"Sein jüngster Roman ist vielleicht nicht sein bestes Buch", gibt Andrea Köhler zu, auf Philip Roth selbst, den sie im Zuge dieser Rezension auch persönlich getroffen hat, lässt sie aber nichts kommen. Roth sei ein Autor, der "wie kein zweiter" die hellen und dunklen Seiten Amerikas miteinander konfrontiert hat. Der in der 2Verschwörung gegen Amerika" verwandte "rückwarts gewandte Konkunktiv", in dem der antisemitische Charles Lindbergh 1940 die Wahlen gewinnt und Amerika nahe an eine Diktatur heranrückt, in der Juden ausgegrenzt und umgesiedelt werden, diese geschichtliche Fiktion verträgt sich mit den realen Familienerinnerungen, auf denen Roth seine Figuren aufbaut, nicht immer, wie Köhler schreibt. Um die Geschichtsfuiktion vergessen zu machen, habe Roth sein Elternhaus so real wie nie beschrieben. Diese "Tatsächlichkeitsbürde" verhindere den typischen Roth'schen Sarkasmus, den Köhler vermisst, der Roman liest sich für sie daher stellenweise wie eine "späte Liebeserklärung an Vater und Mutter". Und auch mit dem Finale, in dem Lindbergh kommentarlos in einem Flugzeug verschwindet, habe es sich Roth "ein bisschen leicht" gemacht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.09.2005

Rezensent Robin Detje huldigt Philip Roth? "meisterhaftes Werk" und zieht gegen eine merkwürdige Verschwörung der deutschen Kritik zu Felde. "Ungenau und unwillig" sei der Roman besprochen worden, meint der Rezensent, und insbesondere den Schluss habe man als "Schmonzette" abgekanzelt, wo er doch sehr genau die Bildung von "Entlastungsmythen" darstelle. Die abenteuerliche Geschichte eines antisemitischen amerikanischen Präsidenten Charles Lindbergh sei stets "bewundernswert" geerdet durch die Kindheitsgeschichte des kleinen Philip in einer jüdischen Nachbarschaft. Roth gehe es schließlich weniger um den Politthriller, so der Rezensent, als um die Spiegelung des Politischen im Privaten und die "Gefährdung der Demokratie von innen". Hier sei der Roman "beinahe genial" und keineswegs melodramatisch. Auch habe Roth kein politisches Statement geschrieben, dem man vielleicht "Mutlosigkeit" vorwerfen könne, stellt der Rezensent fest, sondern eine "ruhige und zarte Erzählung". Und entgegen allen Unkenrufen über einen verkorksten Schluss sei das Ganze "aus einem Guss".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.08.2005

Philip Roth habe wieder einmal seinen alten "Trick" angewandt, einen gewissen "Philip Roth" im Roman auftreten zu lassen, protokolliert Rezensent Jörg Magenau. Der Autor beschreibe dieses Mal seine Kindheit in Newark in den vierziger Jahren. Allerdings mit einer kleinen Abweichung von der Historie, so der Rezensent, im Roman werde nicht Franklin Delano Roosevelt, sondern der Flieger und Nazi-Sympathisant Charles Lindbergh zum Präsidenten gewählt. Aus der Sicht des kleinen Philip erzähle Roth, wie die historisch-realen antisemitischen Kräfte in Amerika in seinem fiktiven Planspiel Oberhand gewännen, und das Leben für Juden in Newark und Amerika eng und enger werde. Als eine gelungene Erdung betrachtet der Rezensent die autobiografische Kerngeschichte mitten in einer historischen Als-ob-Fiktion. So erziele der Roman neben einem "historischen Erkenntnisgewinn" auch einen Gewinn an Realitätsgehalt, da er von der Angst im kleinen Philip und in der Gesellschaft erzähle. Darüber hinaus, so der Rezensent, habe Roth auch einen "Gegenwartsroman" über Ängste und Abwehrmechanismen im heutigen Amerika geschrieben. Nur der Schluss sei "wenig befriedigend", wenn Lindbergh mit dem Flugzeug den Roman verlasse, und Roosevelt als Deus ex Machina rechtzeitig zurückkehrt, um Amerika 1942 in den Krieg zu führen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.08.2005

Einerseits wertet Rezensentin Ursula März den Roman "Verschwörung gegen Amerika", der in den USA und in Europa als Sensation gefeiert wird, als "wohl bedeutendsten politischen Roman" aus der Feder Philip Roths. Andererseits wird sie den Eindruck nicht los, dass sich Roth an seiner brillanten und "kühnen" Idee, der Historie zum Trotz, den Fliegerhelden und Nazisympathisanten Charles Lindbergh zum Präsidenten der USA zwischen 1940 und 1942 zu machen und ihn die USA in eine "gemäßigte, in Ton und Habitus moderne, gleichsam sportlich-fortschrittliche Diktatur" antisemitischer Prägung verwandeln zu lassen, überhoben hat. In der ersten, "atemberaubend eindrücklichen" Hälfte des Romans sei davon noch nichts zu spüren: Mit großer Meisterschaft beschreibe Roth, wie ein politisches Klima der Angst eine Gesellschaft "entstellt". In der zweiten Hälfte jedoch stehe Roth vor dem Problem, seine fiktive Historie wieder an die "Realhistorie" anknüpfen zu lassen, und seine Einfälle diesbezüglich findet die Rezensentin schlichtweg "abstrus" und schmonzettenhaft. Letztlich, so die Einschätzung der Rezensentin, gerinnt der Schrecken über die Plausibilität dieser Fiktion zum Zweifel daran, dass es so hätte kommen können - ein Zweifel, der die Wirkung dieses kontrafaktischen Experiments de facto zunichte macht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.08.2005

Evelyn Finger sah ihr ganzes Vergnügen, das Philip Roths "radikal desillusionistischer" neuer Roman "Verschwörung gegen Amerika" ihr bereitet hatte, ruiniert durch das mutlose Ende. Nachdem Roth auf 350 Seiten plausibel gemacht hat, wie auch die amerikanische Gesellschaft in den 40er Jahren ein gewissermaßen demokratisch-pazifistischer Antisemitismus unterspülte, nachdem Charles A. Lindbergh zum Nachfolger von Franklin D. Roosevelt gewählt geworden war, weil er die USA aus dem Weltkrieg herauszuhalten versprach, knickt der Autor ein vor dem Ungeheuerlichen seiner historischen Fiktion und verlegt rasch das Böse doch noch nach Berlin: Hitler soll den Atlantikflieger "gegen seinen Willen inthronisiert" haben!? Da lachen ja die Hühner, aber Evelyn Finger, wie gesagt, lacht nicht; sie fühlt sich betrogen. Mit "seiner ganzen verehrungswürdigen Erzählkunst" hat Roth sie durch die Augen des kleinen Philip die Leiden einer "vage jüdischen" Kleinbürgerfamilie in Newark miterleben lassen, Leiden, die hervorgerufen werden durch die Verbitterung des Vaters und des Vetters, der in Europa zum Kriegskrüppel geschossen wurde. Die ganze Geschichte fand Finger um so überzeugender, als ja immerhin der jüdische Komponist Kurt Weill und der kommunistische Dichter Bertolt Brecht Lindbergh mit ihrer "Radiokantate" "Der Lindbergflug" ein literarisches Denkmal gesetzt haben. Verblendungspotenzial also war auf jeden Fall vorhanden.
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