Peter Sloterdijk

Sphären. Drei Bände

Blasen. Globen. Schäume.
Cover: Sphären. Drei Bände
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783518414941
Kartoniert, 2565 Seiten, 79,00 EUR

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.08.2004

Rezensent Ralf Konersmann fühlt sich nahezu erschlagen von den zweieinhalbtausend Seiten, die Sloterdijks "Sphären-Projekt" insgesamt umfasst. Als Vorbild für diesen "Drang zur Monumentalität" hat Konersmann Montaigne ausgemacht. Wie Montaignes Essays seien auch Sloterdijks "Sphären" aus dem "Geist der Skepsis" geboren; und ganz wie im Vorbild seien die vielen Abschweifungen und Exkurse dem Zweck dienlich, die "Konventionen der philosophischen Prosa zu unterlaufen" und zu erweitern. Für Rezensent Konersmann zeigt sich Sloterdijk dabei als "Wortkünstler". Ziel von Sloterdijks "Sphärologie", so erklärt Konersmann, ist eine umfassende "Theorie der Gegenwart". Dafür bedient er sich verschiedener "Explikationsmetaphern": Im ersten Band wurde die "Seifenblase" als Leitmotiv und Symbol für das Individuum erkoren; im dritten und abschließenden Band wird dies im Bild des "Schaums", in dem die Seifenblasen "koexistieren" und eine "prickelnde Selbstauflösung" formieren, wieder aufgegriffen. Rezensent Konersmann ist auch so freundlich zu erläutern, was der Schaum "versinnbildlicht", es ist nämlich "die Flüchtigkeit der Geltungen in der Moderne". Kritisch merkt Konersmann an, dass Sloterdijk in seiner Pointenverliebtheit manchmal übers Ziel hinausschießt, zum Beispiel sei sein Umgang mit Herders Mängelwesentheorie schlichtweg "Kokolores". Doch all das findet der Rezensent verzeihlich, weil Sloterdijk mit "eigener Stimme" philosophiert, was heutzutage leider "keineswegs selbstverständlich" sei. Jetzt fehlen - so schließt Konersmann - für Sloterdijks originelles Sphärenprojekt eigentlich nur noch "kluge Leser".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.06.2004

"Wer käme heute als Denk-Prosaist (nicht nur im deutschen Sprachraum) Sloterdijk gleich?" So enthusiastisch fragt Hans-Klaus Jungheinrich angesichts des Bandes "Schäume", mit dem Peter Sloterdijk nun seine 1998 begonnene "Sphären"-Trilogie beschließt. Als "große Welt-Erzählung" bezeichnet der Rezensent das Werk, das "triftige, gültige, tagesfrische philosophische Welt-Deutung" liefere. Anders als die meisten auf die Zeit fixierten Kollegen betreibe Sloterdijk "eine umfassende Raum- oder Raumerkundungsphilosophie". Darin mag es seinen Grund haben, dass der Rezensent diagnostizieren kann, Sloterdijk - "Urenkel Nietzsches" - wolle von der Moderne-Skepsis der Frankfurter Schule nichts wissen, und für ökologischen Fatalismus habe er nur Verachtung übrig. Eher hält er es mit Luhmanns Ironie "und der analytischen Unbestechlichkeit Arnold Gehlens". Auch Heidegger bleibt, trotz "vorsichtiger Ehrfurcht", maßgebliche Instanz. Natürlich gibt es Strittiges, räumt Jungheinrich ein; so verkennt der Karlsruher Philosoph beispielsweise seiner Meinung nach "das improvisatorische Moment des sozialen Zusammenhalts" der Favelas, die Sloterdijk nur als "Verelendungssyndrom" sehe. Insgesamt aber seien die "Schäume" eine anregende, aufregende Lektüreerfahrung: "Das Sphären-Konstrukt ist nun vielleicht nicht gerade eine akademische Philosophie zum Mitschreiben, Zitieren und bequem Nach-Hause-Tragen geworden. Umso mehr doch Philosophie, wie sie sein soll."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2004

Lorenz Jäger ist sehr angetan von dem letzten Band von Peter Sloterdijks dreibändiger Sphärologie. Es sei dem Philosophen hier gelungen, lobt Jäger in einer langen Besprechung, "aus unscheinbaren Beobachtungen eine vielfach überzeugende und stets anregende Gegenwartsdiagnose zu filtern". Gefunden hat der Rezensent außerdem eine "durchdachte, in vielen Teilen auf der Höhe der jeweiligen Einzeldisziplinen stehende philosophische Deutung des Menschen als eines wohnenden Tiers". Und "unübertrefflich" erzählen könne Sloterdijk, "so dass Begriffe sich dabei erhellen". Erstes Ziel des Philosophen, so der Rezensent, sei es gewesen, die "Affektsystematik" zu erschüttern, die "dem Soliden und Ernsten" automatisch den Vorzug zu geben geneigt war: "Schaum als Vorwurf, als kritischer Topos - das ist für Sloterdijk der Inbegriff der alten Welt." "Wo man Verluste an Form beklagte, stellen Gewinne an Beweglichkeit sich ein", zitiert Jäger aus dem Buch - und damit sei auch "fast schon das Programm dieser Untersuchungen beschrieben." Sloterdijk wolle dem Leser "die Annehmlichkeiten der Gegenwartsmoderne schmackhaft machen", die allzulange schlechtgeredet worden sei: "Festeres, Substanzhafteres, scheint er dem Leser sagen zu wollen, gibt es nun einmal nicht - richte Dich ein." Und wer in dem Philosophen eine "rechte" Alternative zu Habermas habe sehen wollen, so Jäger schließlich noch, müsse nun außerdem seinen Irrtum einbekennen: auch Sloterdijk stehe ganz auf dem Standpunkt der "Moderne", deren Recht er allerdings anders begründe, mit einer "Phänomenologie ihrer Elemente" nämlich, und einer "Ontologie des Lockeren, Verschiebbaren, Offenen".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.05.2004

Ausreichend "Gelegenheit, ambivalente Reaktionen zu entwickeln" hat Ludger Lütkehaus bei der Lektüre von Peter Sloterdijks zweieinhalbtausendseitiges Monsterwerk "Sphären" bekommen. Die ersten beiden der auf drei Bände angelegten Menschheitsgeschichte, "Blasen" und "Globen", liegen bereits seit einigen Jahren vor. Darin hatte er zum einen recht subtil eine "allgemeinste Theorie des gegenwärtigen Zeitalters", zum anderen etwas drastischer die Merdokratie, die "Herrschaft der Scheiße", nachgezeichnet, wie der Rezensent informiert. In "Schäume" geht es Sloterdijk darum die Gegenwart unter dem Gesichtspunkt nachzuzeichnen, "dass das Leben sich nun in 'Raum-Vielheiten' von 'lose aneinanderrührenden lebensweltlichen Zellen' entfaltet, deren schaumartige Kombination ebenso beweglich wie fragil ist". Und man merkt es bald: Auch hier ist wieder der ganze Sloterdijk drin, versichert Lütkehaus: "Fremdwörterexzesse und Metapherndelirien", der hohe Ton und die "herrische Geste" finden sich neben einem "überbordenden Reichtum an Beobachtungen, Einfällen, Intuitionen, weitreichenden Entwürfen, dazu an Lesefrüchten einer fabelhaften rezeptiven Intelligenz". Einige Kapitel beweisen Lütkehaus dabei durchaus, wie originell und stimulierend Sloterdijk denken kann - etwa seine Neuinterpretation von Nietzsches "Der tolle Mensch", andere, wie das Schlusskapitel findet er dabei schlichtweg "monströs". Hier komme es knüppeldück, ächzt er, wenn Sloterdijk die Entdeckung "der Leichtigkeit des Seins in den Schäume-Rümen der Moderne" zu einer "affirmativen Farce" gerinnen lasse.