Peter Sloterdijk

Die schrecklichen Kinder der Neuzeit

Cover: Die schrecklichen Kinder der Neuzeit
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783518424353
Gebunden, 489 Seiten, 26,99 EUR

Klappentext

Was treibt die Menschheit voran? Entwickelt sie sich von Niederem zu Höherem? Orientiert sich Fortschritt an Lehren aus der Geschichte? Ist Geschichte als Progression der und in der Freiheit zu begreifen? Solche überkommenen Fragen und die korrespondierenden unpassenden Antworten blenden den Übergang von einer Generation zur nächsten aus, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer mehr gefährdet ist. Mit dem Gelingen oder Scheitern dieses Übergangsstadiums, in welchem teilweise kriegerische und mörderische, teilweise die Population ganzer Kontinente auslöschende Szenarien dominieren, steht der Fortbestand der uns bekannten Zivilisation auf dem Spiel.
Deshalb ist dieses Buch von Peter Sloterdijk eines von der äußerst pessimistischen Sorte: ein Schwarzbuch über kommende Generationen. Denn da in der Moderne die Traditionsfäden chronisch reißen und immerfort neue Vektoren den Zug in Kommende bestimmen, wandeln sich die Individuen zu "Kindern ihrer Zeit", Nachkommen "schlagen aus der Art". Da moderne Elterngenerationen selbst meist schon zivilisatorisch labil antreten, gerät die Formung ihres Nachwuchses zu einem unbeendbaren Match zwischen potentiell schrecklichen Eltern und potentiell schrecklichen Kindern.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 11.10.2014

Peter Sloterdijks Buch hat es in sich, meint Rezensent Martin Meyer. Das ist durchaus als Lob gemeint, erhält der Rezensent vom Autor doch eine Fülle von "Großgedanken", Fußnoten und Ironien im Rahmen von Sloterdijks historischer Anthropologie und zur Frage, was die Moderne befeuerte und was uns das kostet. Dass der Autor nicht nur Negatives auffährt, sondern in seinem Traktat auch das Kreative und Innovative unserer Geschichte herausstreicht, beruhigt den Rezensenten. Im Ganzen jedoch muss er mit Sloterdijk erkennen, dass die dynamische Weltzeit, der "Sturz nach vorn", den der Autor an Bewegungen und Figuren (wie Napoleon) festmacht, neben Triumphen vor allem Untergänge gezeitigt hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.07.2014

Bei Peter Sloterdijk geht's wie immer um alles, aber worum genau? In glänzenden Formeln setzt Gustav Seibt zu einer Verteidigung dieses neuesten Buchs von Sloterdijk an. Zumindest zittert es offenbar vor Gegenwärtigkeit. Letztlich scheint Sloterdijk so etwas wie den Fortschritt kritisch in den Blick zu nehmen, und das mit der Skepsis eines Konservativen, der leider zu aufgeklärt ist, um das noch im Namen religiöser Wahrheit oder traditioneller Bindung zu tun. Aber es steckt wohl noch viel mehr drin in dem Buch. Ausgebreitet unter einer "Kuppel von schimmernden Aphorismusmosaiken" erwartet uns eine ganze Spielzeugkiste voll mit Sinnfiguren: "Adam und Eva, Aeneas, Jesus Christus, der Heilige Franz, uneheliche Condottieri, Universalkünstler der Renaissance" und viele mehr. Dabei scheint der Generationenbegriff eine wichtige Rolle zu spielen. Am Ende macht Sloterdijk laut Seibt ein "Angebot zu überzeitlicher Gelassenheit" als letztem prekären Rückzugsort gegen den "anti-patriarchalischen Fortschrittsstress", dem die Herren ausgesetzt sind.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.06.2014

Sehr eingenommen zeigt sich Stephan Schlak von Peter Sloterdijks Werk "Die schrecklichen Kinder der Neuzeit". Er rühmt den Philosophen als "Originalitätsvirtuosen", preist seine erzählerisches Können und das "Ingenium seiner Ausdruckskraft". Nach einem Rückblick auf das Auftauchen Sloterdijks in den frühen achtziger Jahren in der philosophischen Szene widmet er sich eingehend dem neuen Werk des Denkers. Dieses hat ihn sogleich gepackt und fasziniert mit seinem Anspruch, die Geburt der Moderne und zugleich ihren Geburtsfehler zu rekonstruieren. Und auch wenn im Einzelnen nicht immer klar scheint, worum es gerade geht, liefert Sloterdijks nach Ansicht des Rezensenten ein eindrucksvolles Panorama abendländischer Kulturgeschichte.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.06.2014

Für den Rezensenten Dirk Pilz ist es immer wieder ein Vergnügen, Peter Sloterdijk zu lesen. Auch das neue Werk des Philosophen bildet hier keine Ausnahme. Das Vergnügen besteht für ihn auch darin, dass sich Sloterdijk nicht mit den Schwierigkeiten im mittleren Bereich zufrieden gibt, sondern in seinem Denken immer die höchsten Herausforderungen sucht. Weshalb ihn Pilz auch mit einem Hochgebirgskletterer vergleicht, dem man beim Klettern, beim Aufsteigen und Abstürzen gern zusieht. "Die schrecklichen Kinder der Neuzeit" beschreibt Pilz als Versuch, "unser Zeitalter zu verstehen". In seiner gedankenreichen Besprechung gibt er zu verstehen, dass es nicht leicht ist, 500 Sloterdijk-Seiten auf eine These zu reduzieren. Jedenfalls scheint es um die unterschiedlichen Lebens- und Denkweisen zu gehen, mit denen sich der alte und der neue Mensch im Unbehagen, das durch die Offenheit des Menschen entsteht, einzurichten versucht. Dabei geht es laut Pilz durchaus theologisch und apokalyptisch zu, so dass er am Ende das Buch würdigt als das unbedingt lesenswerte "Werk eines Rufers in der Wüste, der auf die Zeichen der Zeit weist".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 21.06.2014

Mit größtmöglicher Verachtung nimmt Rezensent Rudolf Walther den Philosophen Peter Sloterdijk und dessen neues Werk "Die schrecklichen Kinder der Neuzeit" aufs Korn. Er charakterisiert den Sloterdijk als "lärmenden Generalisten" und hält ihm vor, eine endlose Kette von hohlen, sich widersprechenden Pauschalbehauptungen zu produzieren. Der Gestus dabei sei "gespreizt-totalisierend". Viel mehr als heiße Luft kann der Rezensent in der Kulturtheorie des Autors beim besten Willen nicht finden. Zur historischen Aufklärung tragen Sloterdijks "Improvisationen" in seinen Augen jedenfalls nichts bei. Naserümpfend wendet der Rezensent sich ab. Der Leser staunt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.06.2014

Die Moderne sieht Peter Sloterdijk überall dort am Werk, "wo immer das Interesse an Enterbung und Neubeginn aufflammt", zitiert Thomas E. Schmidt aus "Die schrecklichen Kinder der Neuzeit" und begrüßt dieses Verständnis der Moderne als anthropologische anstatt historische Kategorie. Der Bruch mit der Tradition, mit der Reproduktion kultureller Werte ist für den Autor das Merkmal der Neuzeit, fasst der Rezensent zusammen und umreißt das weite Meer, das Sloterdijk mittels eines "sehr breiten Schleppnetzes von Methoden und Fragen" durchkämmt: von Alexander dem Großen über Jesus und seine Apostel bis zu de Sade und Deleuze spannt sich Sloterdijks Bogen. Äußerst anregend findet Schmidt das alles, nur wenn die Sprache aufs moderne Finanzwesen kommt, für Sloterdijk bereits ein Vorzeichen der Apokalypse, klinkt er sich aus: hier erscheint ihm die Beschreibung "nicht dicht, sondern nur hysterisch".