Per Olov Enquist

Der Besuch des Leibarztes

Roman
Cover: Der Besuch des Leibarztes
Carl Hanser Verlag, München 2001
ISBN 9783446199804
Gebunden, 376 Seiten, 21,47 EUR

Klappentext

Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Der dänische König Christian VII. ist verrückt und muss nach außen dennoch seinen königlichen Pflichten nachkommen. In Wahrheit machen die Staatsgeschäfte andere und seine Ehe mit der englischen Prinzessin Caroline Mathilde ist eine Farce. Als er seinem Leibarzt Struensee empfiehlt, er solle sich der einsamen Königin annehmen, ahnt keiner, dass sich daraus eine tragische Leidenschaft entwickeln wird. Ein psychologisches Drama um Politik, Macht und Liebe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.05.2001

Mit einem Gedankenspiel, wie es denn gewesen wäre, wenn Schiller sich dieses Stoffes angenommen hätte, kommt Kristina Maidt-Zinke auf die ungewöhnliche Episode in der dänischen Geschichte zu sprechen, die widersprüchlich dokumentiert sei, viel Material biete und daher in der Verarbeitung einiges über den Autor verraten könne, um dann die Inszenierungskunst Enquists im Umgang mit diesem Stoff zu loben; sie verwendet das Bild "Romanbühne", um die Plastik der Figuren zu verdeutlichen. Enquist verstehe es über das Zeitkolorit hinaus menschliche Grundkonflikte sichtbar zu machen, "im Unerhörten das Allgemeine zu zeigen". Dann erwähnt sie seine Metaphorik der Augen als Spiegel der Seele und lobt die Empathie bei der Gestaltung der Figuren, vor allem die Zeichnung des Titelhelden Struensee zeuge sogar von einer Art Seelenverwandtschaft. Zudem gefällt ihr, dass das Portrait des Königs einem Vexierbild gleiche, denn ob König Christian schlicht geisteskrank oder aber ein hypersensibler Grenzgänger sei, lasse Enquist erfreulicherweise offen. Weiterhin lobt sie noch die zwanglos hergestellte Gegenwartsnähe des Romans - das mache ihn zum "Glücksfall" eines historischen Romans -, um schließlich an den Roman "Der Favorit der Königin " von Robert Neumann zu erinnern, den dieser 1935 im Exil verfasst hat, ein Roman, der ihrer Meinung nach im Zusammenhang mit Enquists Werk durchaus einen zweiten Blick verdiene.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.03.2001

Sibylle Cramer ist voll des Lobes für Per Olov Enquists historischen Roman "Der Besuch des Leibarztes". Der Autor von Filmen, Literatur- und Theaterkritiken und Romanen hat auch hier wieder einmal unter Beweis gestellt, dass er in einer "gestochenen Genauigkeit, Wortökonomie und Bildkraft" erzählen kann, findet die Rezensentin. Die Geschichte über die Beziehung zwischen dem Leibarzt Struensee, den dänischen König Christian VII. und dessen Gemahlin habe Enquist zugleich in der Form einer Romanze, einer Komödie, einer Tragödie und einer Satire rekonstruiert. Entstanden sei so ein historischer Bilderbogen, dessen Erbauer niemals an der Oberfläche des Geschehens verharre. Enquist macht Geschichte lebendig, ist die Rezensentin überzeugt. Mit Fantasie habe der Autor historische Fakten und Ereignisse so miteinander kombiniert, dass ein schönes, ruhiges Bühnenbild am Vorabend der Französischen Revolution entstanden sei.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 01.03.2001

Der Schwede Per Olov Enquist ist nicht der erste, der sich des historischen Stoffs über Aufstieg und Fall des deutschen Arztes Johann Friedrich Struensee angenommen hätte, berichtet Andreas Breitenstein. Zahlreiche literarische Arbeiten über den Leibarzt, den dänischen König Christian VII. und die Beziehung von Struensees zu dessen Frau Caroline Mathilde wurden bereits im 19. Jahrhundert verfasst. Von Enquist aber dürfe man besonders viel erwarten, meint der Rezensent. Denn seit den sechziger Jahren sei der Autor für seine akribisch recherchierten und komplex angelegten Romane, Dramen und Essays bekannt. Seine Erwartungen sieht der Rezensent erfüllt. Die historische Handlung werde individual- und sozialpsychologisch, historisch-politisch, kulturanthropologisch und ideengeschichtlich ausgeleuchtet. Herausgekommen sei ein Tagtraum und ein Nachtmahr der Vernunft, eine Vater-Sohn-Geschichte, ein Amour fou, der Machtkampf zweier Parvenüs und die Emanzipationsgeschichte einer Frau. Kein moralisches Traktat, findet Breitenstein, sondern ein vielschichtiger Roman, in dem Enquist verschiedene historische Quellen und ein auktoriales Räsonement eingesetzt habe. Manchmal allerdings sprachlich etwas überdeterminiert, meint der Rezensent. Höchstes Lob aber spendet er dem Übersetzer Wolfgang Butt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.03.2001

Reinhard Baumgart zeigt sich ohne Einschränkung begeistert von diesem "großen Buch", dass die übliche belletristische Produktion anderer Autoren seiner Ansicht nach weit überragt. Der Rezensent begründet dies gleich mit einem ganzen Sammelsurium von Argumenten, etwa wenn er von der großen Souveränität der Autors spricht, den vielen verschiedenen Facetten des Romans aus Historie, Märchen, Bibelzitaten, Enquists politischem Blick oder auch seiner "Erfahrung, die er als Grenzgänger zwischen Reportage, Essay, Autobiografie, Fiktion sich erarbeitet hat". Und obwohl schon gleich am Anfang des Buchs klar werde, dass der Leibarzt Struensee mit seiner Liebe scheitern und am Ende hingerichtet werden wird, so tue das der Spannung dieses historischen Roman keinen Abbruch. Vielmehr konzentriere sich der Autor auf das "Wie und Warum des Ablaufs", was nach Baumgart hervorragend gelungen ist. Bei den Eros-Thanatos-Konflikten fühlt sich der Rezensent gar an Schiller und an Wagners Musikdramen mit seinen variierenden Motiven erinnert, wobei ihm die glasklare psychologische Zeichnung der Figuren besonders imponiert. Nicht zuletzt macht Baumgart auf die "bewundernswerte" Übersetzung Wolfgang Butts aufmerksam. Nur eines mokiert der Rezensent in seiner Besprechung: Dass Enquist noch immer nicht den Literatur-Nobelpreis erhalten hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.02.2001

Heinrich Vormweg ist hingerissen von diesem historischen Roman, der Johann Friedrich Struensee, den Aufklärer und 1772 hingerichteten Leibarzt des dänischen Königs, in den Mittelpunkt stellt. In seiner eingehenden Rezension lobt er das Buch in den höchsten Tönen: Es sei genau, von großer "Intensität", phantasievoll und dabei kenntnisreich und auch die Übersetzung ins Deutsche findet er schlichtweg "vorzüglich". Dabei macht der Rezensent bei der Schilderung der Widerstände gegen die Aufklärungsversuche eine "erschreckende Aktualität" aus. Vormweg hebt hervor, dass sich der schwedische Autor auf historische Dokumente stützt und findet trotzdem, dass das Buch "weit mehr als ein historischer Roman" ist, indem es die Frage stellt, ob sich "Vernunft, Freiheit und Humanität" damals wie heute überhaupt in dieser Welt verwirklichen lassen. Er betont, dass Enquist den Roman trotz trüber Erkenntnisse nicht ohne Hoffnung enden lässt, wenn er schildert, dass in Dänemark 1788, kurz vor einer derartigen Entwicklung in Frankreich, die Leibeigenschaft abgeschafft wird.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de