Patrick Modiano

Die Kleine Bijou

Roman
Cover: Die Kleine Bijou
Carl Hanser Verlag, München 2003
ISBN 9783446202726
Gebunden, 152 Seiten, 15,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Peter Handke. Die neunzehnjährige Therese sieht in der Metrostation eine Frau und glaubt, ihre Mutter wiederzuerkennen. Während sie ihr folgt, kehren die Erinnerungen zurück: an die Kindheit, in der man sie "Die kleine Bijou" nannte, an die Mutter, eine gescheiterte Ballerina, an die Wohnung am Bois de Boulogne und an die Männer, die dort ein und aus gingen. Und daran, dass die Mutter ihre kleine Tochter verließ und nach Marokko ging. Wie in einem unheimlichen Traum jagt Therese der Gestalt hinterher und wird dabei selbst von den Bildern der Vergangenheit gejagt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.06.2003

Für Wolfgang Schneider gehört dieser Roman zum "Schönsten", was der französische Autor bisher geschrieben hat, wobei er bemerkt, dass Modiano noch nie "so nah am Psycho-Thriller" war wie mit diesem Buch. Wie auch in seinen anderen Büchern spielt die Handlung in der Zeit der deutschen Okkupation in Paris, wobei eine zweite Zeitebene in den 50er Jahre verankert ist, erklärt der Rezensent. Eine junge Frau, die in den 40er Jahren von ihrer Mutter verlassen wurde, glaubt, sie auf der Straße wieder entdeckt zu haben, was einen Erinnerungsstrom an ihre Kindheit auslöst, fasst Schneider zusammen. Ihn fasziniert besonders die Zeichnung der beiden "Zufallsbekanntschaften", die die Ich-Erzählerin macht und die dem Rezensenten wegen ihrer "Ungreifbarkeit" besonders gelungen dargestellt erscheinen. Als die eigentliche "Kunst" des Autors aber preist er die "suggestive Unschärfe" mit der Modiano manches in seiner Geschichte belässt, so Zum Beispiel die Frage, ob die Mutter sich seinerzeit mit den "Deutschen eingelassen" hat. Nur manchmal, räumt der Rezensent ein, werden Andeutungen allzu "plakativ" eingesetzt. Alles in allem jedoch handelt es sich bei dem Roman um ein "kleines Juwel", betont Schneider, der sich für den großen "Lektüregenuss" auch für die Übersetzung von Peter Handke bedankt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.06.2003

Barbara Villiger Heilig ist schwer beeindruckt von dem neuen Roman des Franzosen Patrick Mondiano - gerade, weil die Umsetzung der Geschichte ein "heikles Unterfangen" ist. Heikel findet Villiger Heilig zuerst einmal, dass der Autor sich "seit ein paar Büchern in die Empfindungswelt junger Mädchen hineinschreibt", doch das gelingt ihm ausnehmend gut. Das liegt an einer angemessenen Zurückhaltung, die "lakonisch und unsentimental" berichtet und sich "nicht anmaßt, erklärend auszuplaudern, was sich ihrem [der Protagonistin] Bewusstsein verschließt". Die Geschichte handelt von einem Mädchen, das von ihrer halbweltlichen Mutter verlassen wurde - ob die Mutter wirklich gestorben ist oder, wie von der Protagonistin vermutet, sich abgesetzt hat, wird dabei offen gelassen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.05.2003

Auch in Patrick Modianos neuestem Roman "Die kleine Bijou" bleibt alles schön mysteriös, versichert Rezensent Christoph Bachmann: Der Leser betrete eine "Welt der schwebenden Valeurs und vorsätzlich im Halbschatten belassenen Sachverhalte". Und Bachmann scheint damit ganz zufrieden. Bijou heißt eigentlich Therese, ist neunzehn Jahre alt und begegnet eines Tages in der Metro einer Frau, die sie für ihre verschollene Mutter hält. Therese verfolgt die Frau. Doch mit jedem Versuch, das Rätsel ihres Verschwindens zu klären, vertieft sich nur die Verwirrung, erklärt Bachmann. "Was hat man da eigentlich gelesen?" fragt er am Ende. Offenbar etwas faszinierendes, eine "seltsam betörende" Geschichte, eine "gothic novel aus dem Geist des Existenzialismus", auf jeden Fall ein Buch, das Bartmann "umso unheimlicher" wurde, je länger er sich damit beschäftigte.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.04.2003

Das Leben der kleinen Bijou, die eigentlich Therese heißt, birgt ein großes Rätsel. Von ihrer Mutter hatte man ihr berichtet, sie sei bereits vor zwölf Jahren verstorben, dann scheint sie dem Mädchen eines Tages unverhofft über den Weg zu laufen. Nun geht sie ihr nach, in der Hoffnung, in der Vergangenheit den Schlüssel für ihr "ungelöstes Leben" zu finden, interpretiert Rezensent Jochen Jung die Verfolgung der fremden Frau im gelben Mantel, wobei, wie Jung anmerkt, das Mädchen selbst zuweilen wie eine Verfolgte wirke. Jung hat dieses Buch sehr gefallen. Er findet es "ganz und gar undeutsch", "leicht, schwebend" und "sehr kunstvoll". Er warnt jedoch jeden, der in Büchern das "pralle Leben" sucht: Hier findet er nur Kunst. Auch die Übersetzung von Peter Handke hat unserem Rezensenten gefallen. Er nennt sie "wunderbar unauffällig".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 05.04.2003

Ein "Mädchenleben ohne Fixpunkte" schildert Patrick Modiano in seinem neuen Roman "Die kleine Bijou", berichtet Rezensent Roman Luckscheiter. Zwölf Jahre nachdem Thérèse von ihrer Mutter verlassen wurde, erzählt Luckscheiter, meint sie, in der Pariser Metro ihre Mutter wiedergesehen zu haben. Sie folge ihr, ohne sie anzusprechen, und beginne geradezu manisch, ihr Leben um die plötzlich wieder aufscheinenden Phantome ihrer Vergangenheit herum zu gestalten, referiert Luckscheiter. Damit setzte ein Strudel zunehmender Verunsicherung ein, in den Leser selbst mit hineingezogen werde. Beeindruckt hat Luckscheiter, wie Modiano den Leser in das "enge Universum eines leidenden Ichs" führt. Pathos vermeidet Modiano nach Ansicht Luckscheiters durch die "kunstvolle Kühle der Pathologie". Kurze Sätze bestimmten das Tempo und lenkten den Blick ebenso geschickt auf das Fremde wie die bisweilen eigentümliche Wortwahl. Die Übersetzung des Romans von Peter Handke würdigt Luckscheiter als "kongenial".
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