Olga Grjasnowa

Die juristische Unschärfe einer Ehe

Roman
Cover: Die juristische Unschärfe einer Ehe
Carl Hanser Verlag, München 2014
ISBN 9783446245983
Gebunden, 366 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Leyla wollte immer nur eins: Tanzen. Doch nach einem Unfall muss sie das Bolschoi-Theater in Moskau verlassen. Altay ist Psychiater. Nachdem sich seine große Liebe umgebracht hat, lässt er keinen Mann mehr an sich heran. Altay und Leyla führen eine Scheinehe, um ihre Familien ruhig zu stellen. Als die beiden mit Mitte zwanzig in Berlin von vorne anfangen, tritt Jonoun in ihr Leben. Olga Grjasnowa erzählt von zwei Frauen und einem Mann, die von der Liebe träumen, aber auch nicht wissen, wie man mit der Liebe lebt. Eine rasante Dreiecksgeschichte und ein ungeheuer direkt erzählter Roman über Glück und Unglück in einer Zeit, da alles möglich scheint.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.01.2015

Sibylle Birrer zeigt sich enttäuscht von Olga Grjasnowas zweitem Roman. Zwar wirken das erzählerische Talent der Autorin, ihre Verve und Gestaltungskraft, auch in diesem Buch, wie Birrer versichert, doch werden sie überlagert vom Problem der Figurenzeichnung. Die nämlich will nicht gelingen, so Birrer, wenn die Charaktere mal der Sinnhaftigkeit, mal der Zufälligkeit anheimgegeben werden, wenn zu der Tatsache, dass ihnen Halt und Orientierung fehlt, der Umstand kommt, dass die Autorin ihnen weder Raum noch Zeit gibt, sich zu entwickeln. Am Ende einer veritablen Road-Novel von Berlin über Aserbaidschan bis nach Georgien und Armenien besteht der Roman für Birrer nur noch aus Klischees und aneinandergereihten Themenfeldern. Schade, findet die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.10.2014

Hymnisch bespricht Rezensentin Meike Fessmann Olga Grjasnowas neuen Roman "Die juristische Unschärfe einer Ehe", in dem sie der 25jährigen Balletttänzerin Leyla zunächst durch ihren Lebensmittelpunkt Berlin, später in ihre Heimat Baku und bis Georgien und Armenien folgt. Die Kritikerin erlebt gebannt die konfliktreiche Menage a trois der ihren Körper quälenden Leyla mit ihrem Ehemann Aray und der Barkeeperin und Performance-Künstlerin Jonoun, liest aber ebenfalls mit angehaltenem Atem von den Erlebnissen der Protagonistin in ihrer Heimat Baku, wo sie neben den politischen Missständen auch die unglückliche Ehe ihrer Mutter beobachtet und schließlich bei illegalen Autorennen mitmacht. Fessmann bewundert nicht nur die wie "Peitschenhiebe" knallenden Sätze dieses handlungs- und energiereichen Romans, sie lobt auch die strenge und überzeugende Komposition und zeigt sich begeistert von Grjasnowas Vermögen, gekonnt von der Balance zwischen Physis und Psyche, Ordnung und Chaos zu erzählen. Nicht zuletzt hat diese herrlich "überdrehte" Mischung aus Road-Novel, Elegie und Tragikomödie die Kritikerin dank aktueller Fragestellungen nachhaltig bewegt.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.10.2014

Rezensentin Dana Buchzik braucht viel Platz, um Olga Grjasnowas Roman auf den Prüfstand zu stellen. Heraus kommt eine deftige Kritik an Grjasnowas Figuren, die für Buchzik leider Abziehbilder bleiben, ächzend unter der Last des biografischen Gewichts. Multinationale Patchwork-Biografien sind das, erklärt Buchzik, die hunderte zusätzliche Seiten gerechtfertigt hätten. Weil das Buch aber nicht mal 300 Seiten hat, erklärt die Rezensentin, kommt es zu keiner Tuchfühlung zwischen den Personen, ihrem Werdegang und ihrem Umfeld. Stark erscheint die Autorin der Rezensentin immer dann, wenn sie kaukasische Abgründe ausleuchtet, wenn sie kalt beobachtet, analysiert und kommentiert. Dann kann Buchzik was lernen und sogar lachen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.10.2014

In ihrem Roman "Die juristische Unschärfe einer Ehe" erforscht Olga Grjasnowa die "emotionalen Untiefen der Polyamorie", berichtet Moritz Scheper, der erst einmal befürchtet hatte, er hätte es mit einem weiteren Berlinbuch zu tun, in dem die Stadt als "libertäre Spielwiese" gefeiert wird, so der Rezensent. Grjasnowa erzählt eine Dreiecksgeschichte, verrät Scheper: Leyla und Altay, beide homosexuell, waren im postsowjetischen Russland eine Zweckehe eingegangen, um Repressionen zu entgehen, die Amerikanerin Jonoun, gerade erst in Berlin angekommen, verliebt sich in Leyla, die von Altay eifersüchtig verteidigt wird, fasst der Rezensent zusammen. Erst im zweiten Teil der Geschichte müssen Jonoun und Altay gemeinsame Sache machen, weil es Leyla aus einem aserbaidschanischen Gefängnis herauszuholen gilt, erklärt Scheper, der es ganz folgerichtig findet, dass eine so verwirrende Liebesgeschichte am Ende nicht ganz entwirrt werden darf.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.09.2014

Hochstrukturiert erzählt Olga Grjasnowa die Dreiecksgeschichte eines schwul-lesbischen, russischen Ehepaars aus der "postmainstreamigen Elite" im Berlin der neunziger Jahre, erklärt Rezensentin Eva Behrendt, die mit dem Ergebnis allerdings, trotz Grjasnoswas intensiver und rasanter Erzählweise, nicht vollauf zufrieden ist. Die strenge Kapitelstruktur etwa steht für sie in keinem zwingenden Verhältnis zu dieser Beziehung, auch die eine oder andere "kolportagehafte Wendung" fällt ihr auf. In ihren Beschreibungen neigt die Autorin zur zwar geschickt konturierten Skizze, schreibt die Kritikerin, was sich allerdings mitunter in einer wenig prägnanten Beschreibung dieses Zweck- und doch Liebesverhältnisses und den darin umfassten Formen des Begehrens niederschlägt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.09.2014

Hellauf begeistert schreibt Rezensentin Sabine Vogel von einer neuen Generation deutscher Autorinnen, die abgedreht und zugleich "formal souverän" von Existentiellem und Gesellschaftlichem schreiben. Olga Grjasnowa etwa, die in ihrem zweiten Roman "Die juristische Unschärfe einer Ehe" gewohnt "temperamentvoll" von der 24-jährigen Bolschoi-Balletteuse und Berghaingängerin Leyla erzählt, die in Berlin eine Menage à trois mit der jüdischen New Yorker Kunststudentin Jonoun und dem homosexuellen muslimischen Psychiater Altay beginnt. Selten hat die Kritikerin so wunderbar zart und diskret beschriebene Sex-Szenen gelesen, und so lässt sie sich gern in die Eifersüchteleien und Liebeswirren des Dreiecksgespanns entführen. Und mit Blick auf diesen faszinierenden Roman verzeiht sie der in Leipzig geschulten Autorin auch das "schmierenkomödiantische Metapherngeklingel", das sie ab und an überfällt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.09.2014

Mit Sympathie hat Daniela Strigl den neuen Roman von Olga Grjasnowa gelesen, der von "unaufgeräumten Gefühlshaushalt" einer jungen Liebes-WG in Berlin erzählt: einer Ballerina, die dem militärischen Drill des Moskauer Bolschoi entkommen ist, einer israelischen Medienkünstlerin und einem schwulen Armenarzt aus Baku. Die Exotik und Extravaganz des Milieus lässt sich die Rezensentin gern gefallen, den eigensinnigen Tonfall der Autorin auch. Dankbar nimmt Strigl auch gewisse Einblicke in den aserbaidschanischen Operettenstaat mit, dessen Öl-Kaste sich enttäuscht vom Westen abwandte: "Er war ihrer Kaufkraft nicht gewachsen." Das konventionelle Ende der Geschichte nimmt die Rezensentin der Autorin jedoch etwas übel, der Titel dagegen leuchtet ihr überhaupt nicht ein.
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