Norbert Frei

Karrieren im Zwielicht

Hitlers Eliten nach 1945
Cover: Karrieren im Zwielicht
Campus Verlag, Frankfurt am Main - New York 2001
ISBN 9783593367903
Gebunden, 364 Seiten, 25,46 EUR

Klappentext

Das Buch zur Fernsehserie. In Zusammenarbeit mit Tobias Freimüller, Marc von Miquel u.a.. Ärzte, Unternehmer, Journalisten, Juristen und Offiziere die Eliten des Dritten Reiches waren auch in der jungen Bundesrepublik gefragt. Dass von einer Stunde null 1945 nicht die Rede gewesen sein konnte, zeigen Karrieren wie die von Hermann Josef Abs, Hans Filbinger, Reinhard Gehlen, Reinhard Höhn, Hanns-Martin Schleyer und vielen anderen. Es sind exemplarische Biografien, die veranschaulichen, wie wichtige Funktionsträger des Nationalsozialismus schon bald nach dem Ende der politischen Säuberung einfussreiche Positionen in dem entstehenden demokratischen Staat erlangten. Was waren die politischen und moralischen Folgen für die Bundesrepublik? Und wie gehen wir heute mit dem Fortwirken nationalsozialistischer Normen nach 1945 um?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.07.2002

Norbert Seitz hält die Arbeit des Historikers Norbert Frei über Hitlers Eliten schlichtweg für "atemberaubend". In dem Buch, das auch Beiträge anderer Historiker wie Tobias Freimüller oder Jens Scholten enthält, stellt sich Seitz zufolge Nachkriegsdeutschland als ein "Eldorado von unermesslicher Toleranz" dar: Mediziner, die Euthanasieprogramme durchführten, Bundeswehrgründer aus der alten Wehrmacht, ökonomische Profiteuren des Unrechts, kriegspropagandistische Journalisten oder schrecklichen Juristen - sie alle trafen nach 1945 auf das weite Herz ihrer Mitmenschen und durften ihre Karrieren in der Bundesrepublik fortsetzen. Die Beispiele ungebrochener Karrieren verweisen dabei nicht nur auf ein Problem der Elitenkontinuität, meint Seitz, sondern auch auf die mental nach 1945 durchaus weiter bestehenden 'Volksgemeinschaft'. Überzeugend findet der Rezensent auch Freis unaufgeregten Ton und sein differenziertes Fazit, wonach die Demokratie letztlich die vielen alten Nazis "einigermaßen schadlos überstanden" habe, und die Skandale um Globke und Oberländer, Filbinger oder Werner Höfer "die Demokratie eher gestärkt als geschwächt" hätten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.04.2002

Dieses Buch kann, so der Rezensent Bernd Sösemann, nur ein Einstieg in eine sozialgeschichtlich und geografisch auszuweitende Forschung sein. Doch bilde der "gut geschriebene" und "sorgfältig recherchierte" Sammelband des Zeithistorikers Norbert Frei - über die Verantwortung der Berufsgruppen der Mediziner, der Unternehmer, der Juristen und der Journalisten für die Verbrechen im Dritten Reich - eine gute Grundlage, lobt Sösemann. Der Rezensent folgt insbesondere dem Beitrag von Marc von Miquel über den Neuanfang der westdeutschen Justiz und das öffentliche Engagement aus Studenten- und Kulturkreisen in der DDR. Miquel befasse sich mit der Bedeutung des Auschwitz-Prozesses (1963) für weiter Ereignisse: Debatte über die Frage der Verjährung für Mordverbrechen, Freispruch für einen der Hauptangeklagten, Hans Joachim Rehse (1968), und den Rücktritt von Hans Filbinger (1978). Ärgerlich findet der Rezensent nur das "beschönigende Vorwort" von Thomas Fischer, einem Fernsehredakteur und Mitproduzenten der dem Buch zugrundeliegenden Fernsehserie: Ganz unangemessen zeige sich Fischer allenfalls "irritiert" über die Geschwindigkeit, mit der die alten Chargen eine "zweite Chance" bekamen, und vertrete leichtfertig die Behauptung, die Demokratie wäre durch die "Skandale um Personen wie Filbinger" gestärkt worden.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.01.2002

Der Band des Bochumer Historikers Norbert Frei und fünf überwiegend junger Wissenschaftler deckt Kontinuitäten in den Karrieren nationalsozialistischer Juristen, Mediziner, Unternehmer, Offiziere und Journalisten auf, die den Rezensenten Michael Wildt in Erstaunen darüber versetzt haben, wie es der Bundesrepublik überhaupt gelingen konnte, sich zum demokratischen Rechtsstaat zu entwickeln. Dieses Begleitbuch zu einer Fernsehserie ist wissenschaftlich seriös, eingängig geschrieben und bebildert, lobt Wildt, kritisiert aber, dass die Autoren die NS-Vergangenheit der DDR weitgehend außen vor gelassen haben, obwohl die Quellen inzwischen zugänglich sind. Damit ignorierten sie, mäkelt der Rezensent, das ostdeutsche Publikum, außerdem hätte er einen Vergleich zwischen West- und Ostdeutschland äußerst spannend gefunden. An der Betrachtung der Eliten in der Bundesrepublik hat der Rezensent aber nichts auszusetzen. Es zeige sich ein differenziertes Bild, das weder die These von der "Stunde Null", noch die Unterstellung einer schier ungebrochenen Fortsetzung der Machenschaften der NS-Eliten unterstützt, sondern die Brüchigkeit der wackligen Entwicklung der Bundesrepublik offenbare.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.01.2002

"Wahrhaft aufregend" findet Franziska Augstein den vom Bochumer Ordinarius Norbert Frei herausgegebenen Sammelband mit sechs "vorzüglichen" Aufsätzen über Juristen, Mediziner, Offiziere und andere Angehörige der NS-Elite, die nach 1945 weitgehend unbehelligt ihre beruflichen Karrieren fortsetzen konnten. Die Rezensentin schafft ihrer Erleichterung Luft, dass das Buch, das als Begleitband zu einer Fernsehreihe in der ARD konzipiert wurde, zwar auch in seiner Übersichtlichkeit ans Fernsehpublikum gerichtet ist, aber trotzdem mit der simplifizierenden Massenware eines Guido Knopp wenig gemein habe. Doch Augstein äußert auch Bedauern: Die ostdeutsche Geschichte werde hier vernachlässigt und auch der in der Bundesrepublik präsente Antikommunismus hätte besser herausgearbeitet werden müssen, denn schließlich gründe auch auf dieser Haltung der versöhnlich-verdrängende Umgang mit der NS-Zeit. Trotzdem kann Augstein das "bewegende" und "faire" Buch nur empfehlen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.12.2001

Axel Schildt ist voll des Lobs über dieses Begleitbuch zu einer ARD-Fernsehdokumentation. Sinnvollerweise habe sich Frei nicht einfach auf die NS-Eliten und ihr Nachleben in der BRD konzentriert, sondern statt dessen die Führungsschichten ausgewählt, die für den Wiederaufbau nötig waren, wobei er die Gruppen, die er untersuche, "strategisch klug ausgewählt" habe. Anhand zahlreicher Einzelbeispiele zeige der Autor die Rolle, die die Führungsschicht der NS-Zeit in der Bundesrepublik gespielt habe, wobei er die Tatsache nicht übergehe, dass die Entnazifizierungsmaßnahmen der Siegermächte keinesfalls erfolglos waren. Nach Ansicht des Rezensenten hat Frei mit seinem Buch einen "gelungenen ersten Überblick" gegeben, der eine Lücke schließe, da es ansonsten zum Thema fast ausschließlich Fallstudien gebe.