Miguel Abensour

Demokratie gegen den Staat

Marx und das machiavellische Moment
Cover: Demokratie gegen den Staat
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518585740
Gebunden, 269 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. Von Stuttgart und Madrid bis Kairo und Tel Aviv befinden sich die Menschen auf den Straßen, um ihre Rechte einzuklagen und für ihre Anliegen bei den Herrschenden Gehör zu finden. Nicht nur arabische Despoten, sondern auch repräsentative Demokratien scheinen sich mit dieser Demokratie von der Straße schwer zu tun. Vielleicht ist es daher an der Zeit, die Demokratie neu zu denken? Miguel Abensour wählt als Ausgangspunkt seiner Überlegungen Karl Marx, der bislang nicht als bedeutender Demokratietheoretiker bekannt war. Abensour gelingt es jedoch, in den Texten des frühen Marx eine Theorie der "wahren Demokratie" freizulegen, in der die Demokratie nicht mit dem Staat zusammenfällt. Vielmehr entsteht sie aus dem Volk heraus, das eine öffentliche Sphäre für Konflikte schafft, die sich dann den staatlichen Apparaten und den in ihnen repräsentierten Machtverhältnissen entgegenstellt. Es ist eine solche "Demokratie gegen den Staat", die sich heute an vielen Orten der Welt Bahn bricht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.08.2012

Miguel Abensour versuche in seinem Buch "Demokratie gegen den Staat", die Politik aus den Fängen der Wirtschaft zu befreien - aus Herfried Münklers Sicht allerdings ohne Erfolg. Münkler führt das Zu-kurz-greifen des französischen Philosophen vor allem auf ein fehlerhaftes - weil vornehmlich am Staat zu Marx Zeiten orientiertes - Staatsverständnis einerseits und ein voreiliges Urteil über den Charakter des "Volkes" zurück. Abensour wolle den jungen Marx ("einmal mehr") gegen den späten in Stellung bringen, den Staat als bloßen Oberbau der wirtschaftlichen Verhältnisse und - nach einer Auslegung von Machiavellis Schriften - als Instrument der herrschenden Klasse deuten, das dem demokratischen Freiheitsdrang "des Volkes" entgegenstehe. "Kompliziert und voraussetzungsvoll" nennt Münkler diese Ausführungen Abensours - und dennoch unterkomplex. Der Staat habe sich seit Machiavelli und Marx gehörig verändert und bei den derzeitigen Sozialetats sei es zumindest fragwürdig, ob die Menschen einer rigoros partizipatorischen Demokratie den Vorzug vor dem derzeitigen System geben würden - "Dauerpräsenz und Dauerpartizipation" seien vielleicht weniger ansprechend als Abensour meine. Insbesondere bezweifelt Herfried Münkler die praktische Tauglichkeit der Überlegungen des Autors.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.05.2012

Anregend findet Rezensent Steffen Vogel die Überlegungen von Miguel Abensour über die "wahre Demokratie". Der französische Philosoph zeigt für ihn auf, dass damit kein neues institutionelles, konfliktfreies Gefüge gemeint sein kann, sondern vielmehr der Freiraum, den sich die Bürger gegen einen vereinheitlichenden Staat immer wieder neu erkämpfen. Der Autor entfaltet seine Argumentation entlang einer Auslegung von Marx. Vogel weist in diesem Zusammenhang vor allem auf die Bezüge zwischen Marx und Spinoza sowie Marx und Machiavelli hin, die Abensour herausarbeitet. Dass der Autor keine Bezüge zur aktuellen Situation herstellt, findet er nicht weiter schlimm, zumal das Buch trotzdem ein besseres Verständnis der gegenwärtiger Entwicklungen ermöglicht. Es hilft in seinen Augen insbesondere dabei, "die Fixierung auf den Staat - als Reforminstrument oder Unterdrückungsapparat - aufzugeben und das demokratische Potenzial einer Politik der Straßen und Plätze zu begreifen."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.05.2012

Provozierend kritisch findet Robin Celikates diese Auseinandersetzung Miguel Abensours mit dem Staat. Widerstand, Rebellion gegen einen als im Wesentlichen antidemokratisch verstandenen Staat macht laut Rezensent für den französischen Philosophen die Demokratie gerade aus. Abensours Intention sieht er darin, den illusionären Charakter der Vorstellung aufzuzeigen, der Staat sei die einzig mögliche Form von Demokratie. Celikates attestiert der überaus innovativen Marx-Interpretation des Autors ein hohes kritisches Potential. Allerdings bleiben seines Erachtens durchaus Fragen offen: etwa, ob es eine demokratische Gesellschaft, in der die Spaltung in Regierende und Regierte dauerhaft aufgehoben ist, überhaupt geben kann. Nichtsdestoweniger stellt Abensour für ihn wichtige und richtige Fragen.
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