Martin R. Dean

Meine Väter

Roman
Cover: Meine Väter
Carl Hanser Verlag, München 2003
ISBN 9783446202665
Gebunden, 400 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Wie lebt man mit zwei Vätern und zwei Vaterländern? Robert ist bei seiner Mutter und dem Stiefvater in der Schweiz aufgewachsen, doch sein wirklicher Vater stammt aus Trinidad. Als er plötzlich eine Spur von ihm findet, bricht er auf nach London und es beginnt eine wunderbare und komische Reise durch Vergangenheit und Gegenwart, in die Schweizer Berge und auf die karibischen Inseln.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2003

Nicht völlig überzeugen konnte Pia Reinacher der neue Roman von Martin R. Dean, der sich in einer erzählerischen Großunternehmung der Suche nach dem leiblichen Vater widmet. Vatersuche und Vatermord, Identitätsbeschädigung und -konstruktion lauten laut Reinacher die bestimmenden Themen des Buches, die der Autor als deutlich markierte Erzählfäden von Anfang an auslegt. Das hat zum Vorteil, merkt die Rezensentin an, dass sich die Erzählfäden nicht zu Stolperfallen für die verwirrten Leser auswachsen, die sich in dem Wust von Geschichten und Untergeschichten, aufgearbeiteter Theorie und einer Vielzahl von Schauplätzen zurechtfinden müssen. Gerade die - alle in Frage kommenden Disziplinen abdeckende - Theoriebefrachtung lässt die Figuren in Reinachers Augen streckenweise wie reine Thesenträger aussehen. Dennoch gefällt ihr der Roman in der Ernsthaftigkeit seines Anliegens. Er bedürfte ihres Erachtens allerdings einer straffenden Struktur.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.07.2003

Hans-Herbert Räkel hat auffällige Gemeinsamkeiten zwischen dem Autor Martin R. Dean und dem Ich-Erzähler Robert festgestellt. So seien beide in der Schweiz als Sohn einer Schweizerin und eines aus Trinidad stammenden Arztes aufgewachsen, ohne je ihren leiblichen Vater, ebenfalls aus Trinidad stammend, kennen gelernt zu haben. Mit Blick auf das Umschlagsfoto des Autors ist sich der Rezensent nicht sicher, dass Dean diese "Kongruenz von Autor und Erzähler" überhaupt vermeiden wollte. Räkel führt an, dass dies der Erzählung einerseits die Würde des Authentischen verleiht. Andererseits gibt er zu bedenken, dass das Buch ein Roman sein will und muss. So droht die Mischform aus Fiktion und Biografie für den Rezensenten zum "Geburtsfehler" zu werden. Der Versuch des Autors, "die Vaterlücke so umzuarbeiten, dass sie sprechend wird", misslingt ebenso wie die Suche des Ich-Erzählers nach seinem leiblichen Vater, urteilt Räkel. Das ist noch nicht alles: Neben "überraschend viele ästhetische Mängel" stößt sich Räkel an einem "gewissen Überfluss an ziemlich nebensächlichen, alltäglichen oder grotesken Tatsachen" und an Dialogen, die "in ihrer Trivialität und im Ton manchmal zwar herzzerreißend realistisch, in ihrer Masse aber doch ärgerlich wie Unkraut werden können".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.03.2003

Eingeschnappt reagiert der Rezensent Hans-Peter Kunisch auf Martin R. Deans Versuch, einen "Unterhaltungsbestseller" zu verfassen. Der Autor sei wohl mit dem Erfolg seiner anspruchsvollen Bücher in "Literaturkreisen" nicht zufrieden und möchte nun mit einem "verständlichen" Werk in der breiten Öffentlichkeit bekannt werden, unterstellt Kunisch. Deans frühere Werke konnten es laut Rezensent noch mit Botho Strauß oder Jürg Federspiel aufnehmen. In "Meine Väter" fehlt Kunisch nun aber sowohl die "an Adornos Minima Moralia geschulte, aphoristisch pointierte Gesellschaftskritik" als auch der "hohe sprachliche Anspruch". Der Protagonist des Romans verliert sich bei der Suche nach seinem Vater in "Vorabend-Dialogen" und "pädagogisierenden Weisheiten", kritisiert Kunisch. Er wirft Dean weiter vor, über einen "betulich-dekorativen Realismus" nicht hinauszukommen und einige Passagen wohl aus Reiseprospekten abgeschrieben zu haben. Naserümpfend scheint Kunisch dem seiner Meinung nach "begabten Schriftsteller" zu empfehlen, sich doch bitte nicht am Geschmack der Massen zu orientieren - der Leser erfährt aus dieser Rezension indes wenig Differenziertes über das besprochene Buch.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.02.2003

Die Vatersuche ist ein beliebter literarischer Topos, stellt Rezensent Roman Bucheli klar, doch nicht jeder Autor behandele sein Thema mit solcher Ironie wie Martin R. Dean, der sich seinen Protagonisten als Karikatur eines Pathetikers und Egozentrikers vom Leibe hält. Dean geht sogar noch weiter, hat Bucheli bemerkt, er verspotte selbst das Personal seines ersten Romans, in dem es auch schon um das Thema ging, das Dean am Herzen liegt: der vergebliche Versuch, Erinnerung und eine Lebensgeschichte zu rekonstruieren. "Das Gedächtnis lässt sich nicht delegieren", stellt Bucheli fest. In "Meine Väter" sucht Robert seinen leiblichen Vater aus Trinidad, findet ihn als kranken Greis, der bald stirbt und seine Lebensgeschichte schlicht nicht mehr erinnert. Je mehr nun Robert über ihn zu erfahren sucht, desto mehr entgleitet er ihm auch. Dean ist es nicht darum zu tun, meint der Rezensent, die Vatersuche als literarisches Muster zu unterlaufen oder zu konterkarieren; er mache vielmehr die unvermeidliche Differenz sichtbar zwischen einer beziehungsweise vielen Lebens-Geschichten und dem versäumten Leben selbst, das durch noch so viele Geschichten nicht einzuholen sei. Und hier lässt der Autor auch großen Ernst statt lächerlicher Distanzierung walten, lobt Bucheli.