Martin Kluger

Der Vogel, der spazieren ging

Roman
Cover: Der Vogel, der spazieren ging
DuMont Verlag, Köln 2008
ISBN 9783832179984
Gebunden, 318 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Samuel Leiser ist ein einsamer Vogel. Sein Vater Yehuda entkam den Nazis, indem er vorgab, Autor zu sein und als Künstler nach Amerika einreisen durfte - wo er zum gefeierten Kriminalschriftsteller Jonathan Still wurde. Nun übersetzt Samuel seine Bücher ins Deutsche. Zwischen den Zeilen sucht und findet er versteckte Botschaften. Doch was bedeuten sie? In einem Sommer Anfang der Siebziger zieht Samuels frühreife Tochter Ashley aus England zu ihm nach Paris, damit sich beide einmal in Ruhe kennenlernen. Bald aber wird es eng in der kleinen Wohnung: Samuels Ex-Frau Letitia kommt mit Vater und neuem Freund zu Besuch. Durchreisende bleiben länger als erwartet, sogar Yehuda fliegt samt Gangster-Verwandtschaft ein. Dem turbulenten Familientreffen zwischen Eheschwüren und Eifersuchtsdramen entkommt Samuel nicht einmal, indem er sich in seine Spanischlehrerin verliebt. Denn nicht nur die Menschen seines Lebens überfallen ihn, sondern auch ihre Geschichten und ererbten Alpträume - bis zum furiosen Finale.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.08.2008

Viel Sympathie, auch Bewunderung für das Talent Martin Klugers legt der Rezensent Wolfgang Schneider an den Tag. So richtig glücklich geworden ist er mit dem Roman aber trotz eigentlich stimmiger Ingredienzien nicht. Entfaltet wird, teils anschließend an den Erzählband "Der Koch, der nicht ganz richtig war", die Geschichte eines übermächtigen Vaters, unter dessen Ruhm als Krimiautor der ich-erzählende Sohn Samuel Leiser zu leiden hat. Dessen Tochter wiederum entwickelt einen Enthusiasmus für alles, was jüdisch ist - und damit auch für die Geschichte ihrer Familie. Verdrängtes tritt zutage, mal komödiantisch, mal eher tragisch. Zugleich misstraut, so Schneider, der Autor der Psychologie, weshalb vieles bedeutungsvoll scheint, ohne dass die Bedeutung ganz klar wird. Bei allem Geschick des ehemaligen Drehbuchautors für den Konfliktaufbau und den "eminenten Prosa-Qualitäten" a la Nabokov zum Trotz: Irgendwie fehlt dem Rezensenten etwas, irgendwie scheint ihm das ganze ein wenig zu sehr konzentriert auf eine "Privatmythologie".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.05.2008

Christoph Bartmann schwelgt beglückt im neuen Roman von Martin Kluger, dem er als allzu seltenes Attribut in der deutschsprachigen Literatur, überbordenden Witz und pralle Lebensfülle zuschreibt. Die 1972 angesiedelte "deutsch-jüdisch-französisch-amerikanisch-uruguayischen" Familiengeschichte erzählt Samuel Leiser, Übersetzer der alljährlich erscheinenden Kriminalromane seines Vaters, aus dem Rückblick. Er berichtet von dunklen Geheimnissen der Vergangenheit seines Vaters genauso wie von den Turbulenzen seines Liebeslebens und den Schwierigkeiten mit seiner halbwüchsigen Tochter aus geschiedener Ehe, die zu ihm nach Paris zieht. All dies erzähle Kluger derart beschwingt, lebendig, witzig und klug, dass man sich als Leser nicht nur in die Welt des Romans hinein wünsche, sondern in dieser abschweifenden Familiengeschichte eigene Erinnerungen wach gerufen sehe, schwärmt der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.04.2008

Martin Kluger hat einen besonderen Erinnerungsroman geschrieben, dessen "herzzerreißende Komik" Dorothea Dieckmann berührt hat. Der Roman spielt im Paris im Jahr 1972, wo sich die jüdische "Mischpoke" von Sam Leiser trifft, einem Sohn des dem Konzentrationslager entkommenen Krimiautors Yehuda Leiser alias Jonathan Still. Die Vergangenheit erreicht den Protagonisten, der sich wie sein Vater eigentlich auf ihre Verdrängung verlegt hat, in Form von Lügengeschichten und Legenden seiner jüdischen Verwandten, stellt die Rezensentin fest. Kluger arrangiert seinen "Totentanz" mit Motiven aus dem Trivialroman und jongliert gekonnt mit Versatzstücken des Films und der Unterhaltung. Dahinter aber offenbart sich nicht nur der "Abgrund" der Vergangenheit, sondern zugleich der Ursprung dieser Erzählweise als "chassidische Weisheit", so die Rezensentin hingerissen.