Lutz Seiler

Kruso

Roman
Cover: Kruso
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783518424476
Gebunden, 484 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Als das Unglück geschieht, flieht Edgar Bendler aus seinem Leben. Er wird Abwäscher auf Hiddensee, jener legendenumwogten Insel, die, wie es heißt, schon außerhalb der Zeit und "jenseits der Nachrichten" liegt. Im Abwasch des Klausners, einer Kneipe hoch über dem Meer, lernt Ed Alexander Krusowitsch Kruso kennen.
Eine schwierige, zärtliche Freundschaft beginnt. Von Kruso, dem Meister und Inselpaten, wird Ed eingeweiht in die Rituale der Saisonarbeiter und die Gesetze ihrer Nächte, in denen Ed seine sexuelle Initiation erlebt. Geheimer Motor dieser Gemeinschaft ist Krusos Utopie, die verspricht, jeden Schiffbrüchigen des Landes (und des Lebens) in drei Nächten zu den "Wurzeln der Freiheit" zu führen. Doch der Herbst 89 erschüttert die Insel. Am Ende steht ein Kampf auf Leben und Tod und ein Versprechen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2014

Geradezu "tollkühn" findet Roman Bucheli den Roman von Lutz Seiler, den er einer ausführlichen Besprechung unterzieht, um ihn dann am Ende emphatisch zu preisen . Seiler erzählt hier von zwei Männern, Edgar Bendler und Alexander Krusowitsch, die sich ausgerechnet im Wendejahr 1989 der Welt entziehen wollen, um auf der Ostsee-Insel Hiddensee ihre ganz eigenen Vorstellungen von Freiheit zu realisieren. Mit den großen Fluchtbewegungen, die andere DDR-Bürger zu Zehntausenden in den Westen treibt, haben sie nichts am Hut, sie suchen ihre Freiheit im Innern, erklärt der Rezensent. Dabei blicke Seiler geradezu angestrengt vom historischen Geschehen weg und hin zu seinen sehr intim gezeichneten Protagonisten. Bucheli deutet das als eine "Verweigerung eindeutiger Gesten", im politischen wie literarischen Sinne, und sieht darin die große poetische Provokation des Roman, die Seiler einen seiner beiden Helden auch selbst aussprechen lässt: "Poesie war Widerstand."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.09.2014

Zu Recht wird Lutz Seilers Romandebüt "Kruso" allenthalben gefeiert, findet Rezensent Christoph Schröder, zu Recht wird auch das Lyrische seiner Sprache gefeiert, so leid der Rezensenten das Klischee auch ist. Seiler erzählt die Geschichte einer kleinen Enklave auf Hiddensee, die 1989 ihr Heil nicht in der gefährlichen Flucht über die Ostsee sucht, sondern in der Flucht nach innen, in die Abschottung und Dichtung, fasst Schröder zusammen, denn: "Poesie ist Widerstand". Die Umbruchszeit wird zwar in zahllosen kleinen Anspielungen auf den panischen Staatsapparat beschworen, geht an den Inselbewohnern aber weitestgehend vorbei, so Schröder, für den dieses Buch auch ein hervorragendes Beispiel für einen anhaltenden innerdeutschen literarischen Konflikt liefert: Bekennt man sich im ehemaligen Westen zu einem offensiven Realismus, halten die Ost-Schriftsteller an dem Versteckspiel fest, das einmal überlebensnotwendig war, erklärt der Rezensent - nicht ohne sich unmittelbar für die Pauschalisierung zu entschuldigen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.09.2014

Lutz Seilers "Kruso" ist ein Dichter-Roman, und als solcher verlangt er Lorenz Jäger einiges an Geduld ab, ehe er seine hypnotische Wirkung entfalten kann, ehe sich durch die häufigen Wiederholungen ein bestechender Rhythmus entfaltet und die Aufmerksamkeit sich feinstellt, berichtet der Rezensent. Seiler erzählt die Geschichte eines kleinen Menschenzirkels auf Hiddensee zur Wendezeit, die sich um ihren Meister Alexander "Kruso" Krusowitsch, gelegentlich auch "Losch" genannt, ordnen und seinen poetischen Freiheitspredigten lauschen, fasst Jäger zusammen, dem dieses Buch trotz der Merkwürdigkeiten sehr gefallen zu haben scheint.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.09.2014

Diesem Buch wünscht Jürgen Verdofsky Dauer. Zwischen Hilbig und Johnson gesellt er den Autor, weil der wie nie zuvor den Grenzflucht-Toten zwischen Hiddensee und Dänemark gedenkt, wie Verdofsky schreibt, weil er untröstlich und heiter zugleich erzählt, aufklärt und Geheimnis schafft und jedenfalls eine seltene Literatur schreibt, wie der Rezensent versichert. Die Geschichte des Abwäschers Kruso zwischen Stasi und Subversion erzählt der Autor dabei behutsam, so Verdofsky, mit wenig Metaphernaufwand und so, dass sich die Schichten im Text in den Augen des Rezensenten beinah von allein ineinander bewegen. Kunstvoll leicht erscheint ihm dies Erzählen, sanft surrealistisch, und dahinter eine "feste" Geschichte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.09.2014

Lothar Müller hat große Worte für den Debütroman von Lutz Seiler. Nicht nur preist er das Sich-selbst-Herausschälen des Prosaautors Seiler aus dem Lyriker Seiler, Müller findet Seilers lyrische Sprache im Buch auch in "Ganzkörperprosa" überführt, die sich der Rezensent (um im Bild zu bleiben) gerne anzieht. Genauer: Müller schätzt hier vor allem die "körpernahe" Sprache, mit der Seiler den Schauplatz (Hiddensee), das Genre (Abenteuerroman) und die Geschichte (vom Untergang der DDR) neu vermisst. Da wird die Robinsonade, die im Spitznamen des Helden anklingt, zur Abwaschorgie unter Deck, also in der Gastroküche und die Ostseeinsel zum Sammelbecken gestrandeter Freiheitssehnsüchtiger einer abgetakelten Gesellschaft. Ein Buch wie ein Leuchtturm, freut sich Müller.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.08.2014

Alexander Cammann ist von Lutz Seilers erstem Roman "Kruso" restlos begeistert und bekundet dem Autor den Schritt in die erste Reihe der zeitgenössischen deutschen Literaten, in die er als Dichter ohnehin schon gehörte, so der Rezensent. Der Debütroman erzählt die Geschichte von Edgar "Ed" Bendler, von Alexander "Kruso" Krusowitsch und vom Mythos Hiddensee, dem ehemals "freisten Fleck" der DDR, berichtet Cammann. Es geht um die Frage, wie Freiheit möglich ist und wie viel Führung, Verführung und Gefolgschaft sie verträgt, erklärt der Rezensent. Kruso sieht die Insel als ersten Schritt auf dem Weg zu seiner persönlichen Utopie, einer skurrilen "Männerherrschaftsidee": "Der Keim der wahren Freiheit, Ed, gedeiht in Unfreiheit", zitiert der Rezensent. Es ist das Jahr 1989 und nach und nach verlassen die Eingeschworenen die Insel, bis nur noch Ed und Kruso übrig sind und schließlich aneinander geraten, fasst der Rezensent zusammen, der Seiler noch viele Huldigungen prophezeit.