Ludwig Norz, Jean-Paul Picaper

Die Kinder der Schande

Das tragische Schicksal deutscher Besatzungskinder in Frankreich
Cover: Die Kinder der Schande
Piper Verlag, München 2005
ISBN 9783492046978
Gebunden, 462 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Michael Bayer. Renee Lannegrand war 17 Jahre alt, als sie sich in den deutschen Soldaten Heinz Rosentretter verliebte. 1941 kam Tochter Mylene auf die Welt. Nach dem Ende der deutschen Besatzung wurde sie von ihren Nachbarn kahlgeschoren und als "Deutschen-Hure" durch den Ort getrieben. Ihre Tochter war fortan der "Deutschen-Bastard". Erstmals haben Jean-Paul Picaper und Ludwig Norz die Schicksale der 200.000 Kinder erforscht, die während der deutschen Besatzung in Frankreich geboren wurden und als "Kinder der Schande" aufwuchsen, oftmals gedemütigt, ausgeschlossen und stigmatisiert. Viele von ihnen wollen bis heute unerkannt bleiben. Zur Demütigung kam mit dem Älterwerden noch der dringende Wunsch, den Vater kennenzulernen - meist vergeblich. Mylene Lannegrand allerdings hatte Glück: Sie fand zwar nicht mehr ihren Vater, aber ihre Halbgeschwister in Köln und damit eine neue Familie.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.11.2005

Etwa zweihunderttausend so genannte "Deutschkinder" seien in Frankreich während und nach der deutschen Okkupation geboren worden, referiert Rezensent Arnulf Baring. Und es seien "überwiegend Kinder der Liebe" gewesen, nicht solche von Vergewaltigungen wie beispielsweise durch mittelalterliche Söldner oder die Rote Armee 1944/45, stellt Baring ausdrücklich heraus. Dass die Zahl nur geschätzt werden könne, läge an den bis heute stigmatisierten Lebensschicksalen dieser Menschen. Weder die französische noch die deutsche Regierung hätten ihre gesellschaftliche Ausgrenzung beendet, oder sie sogar, überlegt Baring, als "Vorboten deutsch-französischer Versöhnung" anerkannt. Im Ersten Teil des Buches würden die Autoren ausführlich von "herzzerreißenden Lebensläufen" berichten. Im zweiten Teil dann untersuchten sie die sozialen, politischen und kulturellen Faktoren, die während der deutschen Besatzungszeit schlussendlich zu den deutsch-französischen "Verbindungen" geführt hätten. Wichtig sei beispielsweise ein eklatanter Männermangel durch den Krieg, aber auch ein angeblich beeindruckendes Auftreten der deutschen Soldaten. Simone de Beauvoir habe dies anschaulich geschildert, und insbesondere auf dem flachen Land hätten die vergleichsweise sportlichen deutschen Soldaten punkten können.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.09.2005

Cornelius Wüllemkemper bedankt sich bei Jean-Paul Picaper und Ludwig Norz für diesen umfangreichen Band, in dem sie "eines der letzten Tabus" deutsch-französischer Geschichtsaufarbeitung brechen und Kinder porträtieren, die aus Liebesbeziehungen zwischen deutschen Soldaten und französischen Frauen im besetzten Frankreich während des Zweiten Weltkriegs hervorgegangen sind. Die Autoren beleuchten nicht nur die damaligen Lebensumstände in Frankreich, sondern widmen sich vor allem zwölf Einzelschicksalen sogenannter "Kinder der Schande", und damit einer Minderheit, deren gesellschaftliche Anerkennung ein einzigartiges Zeichen des gemeinsamen Geschichtsbewusstseins wäre, lobt der Rezensent. Die unkonventionelle Herangehensweise der Autoren an diese Schicksale - sie dokumentieren Aussagen von Betroffenen, ohne sie auf Authenzität zu prüfen - sowie der Versuch, die deutschen Schuldkomplexe mit einer frankreichkritischen Sicht zu begegnen, lassen jedoch manchmal eine "groteske Idealisierung" der deutschen Besatzer zu, mahnt Wüllenkemper. Doch bis auf den nicht erwähnten "realen persönlichen Vorteil", den manche Frauen hinsichtlich der Besetzung aus einer solchen Beziehung zogen, vermisst Wüllenkemper nichts und liest hier ein "Zeugnis der tiefgreifenden und ernst gemeinten Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich", das beweist, wie sehr die Beziehung beider Länder von Emotionen geprägt ist.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.07.2005

Elke Schubert ist angetan davon, dass Jean-Paul Picaper und Ludwig Norz, die Autoren dieses Buches über Besatzungskinder in Frankreich sich nicht nur auf individuellen Schicksale konzentrieren, sondern auch die politischen Rahmenbedingungen der Besatzung reflektieren. Das Buch hatte zudem für viele Betroffene eine therapeutische Funktion: Viele Besatzerkinder haben erst durch Picapers Buch Leidensgenossen gefunden und den Mut, ihrer oft problematischen Familiengeschichte nachzuforschen. Zudem decken die Autoren "mit dieser - der ersten Veröffentlichung zu diesem Thema überhaupt - auch die Lebenslüge vieler Franzosen auf, die sich nach dem Krieg als ein Volk von Widerstandskämpfern feierten". Bis heute ist das Thema von Seiten der französischen Regierung tabuisiert. Insofern leistet das Buch nach Meinung der Rezensentin notwendige und überfällige Aufklärung.