Lorraine Daston, Katherine Park

Wunder und die Ordnung der Natur

Cover: Wunder und die Ordnung der Natur
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783821816333
Gebunden, 554 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Sebastian Wohlfeil und Christa Krüger. Seit den siebziger Jahren sind Lorraine Daston und Katherine Park einem schillernden Forschungsgegenstand nachgegangen: dem Wunderbaren. Dass sie sich dabei weder in den faszinierenden Details verloren haben noch in der Fülle des überwältigenden Stoffs ertrunken sind, gleicht selbst schon einem Mirakel - denn ob Basilisken, die mit Blicken töten können, finstere Völker, die jeden Seemann in seiner Landessprache ansprechen und den Verblüfften am liebsten gut gewürzt verspeisen, Magneten, die Eisennägel aus den Schiffen ziehen, Einhörner, die nur von Jungfrauen zu fangen sind oder sagenhafte Herrscher, versunkene Kulturen, wundersame Steine, seltsame Tiere, Hermaphroditen und absonderliche Missgeburten - es gibt nichts, was die menschliche Fantasie so beflügelt hat, wie eben das, was neu und kaum zu glauben ist.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.02.2003

Lorraine Dastons und Katherine Parks "Wunder und die Ordnung der Natur" hat Rezensentin Rebekka Habermas überaus fasziniert. Die Autorinnen zeigen nach Auskunft der Rezensentin nicht nur, dass die Geschichte der Naturforschung zuweilen "recht eigenwillige Wege" genommen hat, sondern auch, dass sie nicht in den gängigen Termini des Entzauberungs- und damit Rationalisierungsprozesses beschrieben werden kann. Wie Habermas ausführt, verdeutlichen die Autorinnen anhand vieler Beispiele aus der Geschichte der Wunder, dass den in den jeweiligen Jahrhunderten sehr unterschiedlichen Vorstellungen vom Wunder immer auch sehr verschiedene Konzeptionen von der Ordnung der Natur - als deren Ausdruck oder als deren Abweichung alle Formen des Wunderbaren galten - zugrunde lagen. Daston und Park weisen darüber hinaus nach, dass der Rationalisierungsprozess sich nie innerhalb in sich geschlossener Wissenssysteme, sondern im politischen und religiösen Raum der Gesellschaft abspielte. "Damit soll mit dem klassischen Narrativ der Wissenschaftsgeschichte aufgeräumt werden", hält Habermas fest, "dass es die Wissenschaften waren, die das Wunder zerstörten und die das Staunen in Abscheu verwandelten." Mit ihrer in "bester Wissenschaftsprosa" geschriebenen und "wunderbar illustrierten" Studie liefern Daston und Park für Habermas "gleichsam den vielleicht gelehrtesten, in jedem Fall einen der spannendsten Kommentare zu aktuellen Debatten über den Status von Naturwissenschaften".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.12.2002

Eine "pralle Wunderkammer" hätten die zwei Autorinnen aufgesperrt, berichtet Rezensent Sebastian Handke hocherfreut. Er widmet dem Buch einen halbseitigen Artikel, der neugierig macht. Ein Stück "Kulturgeschichte des Abnormen" bekomme man mit diesem Buch zu lesen, eine Geschichte der Wunder und des Staunens. Dem Leser würde etwa erklärt wie im 16. Jahrhundert die "gepflegte Monster-Unterhaltung" angestoßen wurde, "die besser ohne Frauen stattzufinden habe, weil deren allzeit gefährdete Einbildungskraft selbst Missgeburten zur Folge haben könnte". Auch der "Verbannung der Leidenschaft", die bis in die Moderne anhält und in der die Abscheu vor Monstern zum "ästhetischen Urteil" wurde, widmen die Autorinnen Erwägungen. Einige Fragen des Rezensenten, vor allem nach den "Institutionen, die die Diskurse des Wider- und Außernatürlichen kontrollieren", blieben zwar unbeantwortet in diesem Buch - aber lesenswert sei es allemal.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.12.2002

Lorraine Dastons und Katherine Parks ist mit ihrem Buch "Das Wunderbare und die Ordnung der Natur" nach Ansicht von Rezensentin Claudia Brosseder ein "Kabinettstück moderner Naturwissenschaftsgeschichte" gelungen. Die Autorinnen gehen das schillernde Thema laut Brosseder "mit Raffinesse" an, und schaffen es dabei, gleichzeitig die großen Fragen der Wissenschaftsgeschichte zu bearbeiten. So könne man das Buch als "höchst spannenden Bericht" über die Gedanken von Gelehrten aus sechs Jahrhunderten, aber auch als Paradebeispiel neuartiger Wissenschaftsgeschichte lesen. Hingerissen ist Brosseder von der Begeisterung, mit der die Autorinnen zeigen, wie das Thema "Wunder" Menschen jeder Herkunft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert zum Staunen gebracht hat. Dastons und Parks Beurteilung der Entwicklungen des modernen naturwissenschaftlichen Denkens, das ohne eine teleologische Geschichtstheorie fortschreitender Rationalisierung auskommt, hält Brosseder für "hochinteressant". Für die Autorinnen entscheiden das Zusammenspiel von emotionalen Affekten, die die Wissenschaftler antrieben, und kulturell vorgegebenen Themen, was einen Gegenstand zum Objekt wissenschaftlicher Neugier mache, und nicht der Zwang, ein Problem zu lösen. Insgesamt ein "bildschön ausgestattetes" Buch, über dessen Aussagereichtum man nur staunen könne, schließt die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Dieses Buch über Wunder und über- und außergewöhnliche Phänomene, in das Lorraine Daston, Direktorin am Berliner Max-Plack-Institut für Wissenschaftsgeschichte, und die Medizinhistorikerin Katharine Park zwanzig Jahre gemeinsamer Forschung haben einfließen lassen, ist "ein Meisterwerk", schwärmt Michael Adrian. "Materialreich" erbringen die Autorinnen den Beweis, dass die Beschäftigung mit Phänomenen wie "Mensch-Tier-Hybriden", Riesen, Vulkanausbrüchen und Zaubertüchern für Philosophen und Forscher bis zur Aufklärung ein grundlegendes Thema gewesen war, so der beeindruckte Rezensent. "Glänzend" rekapitulierten die Autorinnen, wie über viele Jahrhunderte im Kontext kultureller und gesellschaftlicher Veränderungen Erkenntnisse darüber gesammelt und verbreitet wurden, ohne dass sie dabei den "roten Faden" ihrer "historischen Epistemologie" verlieren würden. "Facettenreich" und in einer "mustergültig klaren Diktion" legen sie, so Adrian, die Änderungen im Umgang mit diesen Erscheinungen offen. Auch die Übersetzung von Sebastian Wohlfeil und Christa Krüger erntet vom Rezensenten höchstes Lob, ebenso die Auswahl der vielen Abbildungen, die die Autorinnen zur Illustration "klug ausgewählt" hätten und so dem Leser eine zusätzliche "visuelle Führung" durch die Geschichte ermöglichten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Die sich "glänzend ergänzenden Autorinnen", schreibt Helmut Meyer, haben ein Buch vorgelegt, dass sich auszeichnet durch ein "beispielhaftes" Einlassen auf die "wissenschaftsgeschichtliche Tugend", den "zeitgenössischen Einteilungen, Begrifflichkeiten und Debatten" zu folgen. Ihr Thema, die Wunder und ihre Bedeutungsgeschichte, wird dadurch auf eine Weise aufgefächert, die den Wundern erlaubt, "als vorzügliche Probierkörper" den Erkenntnisstand der jeweiligen Epoche "auszuloten". Meyer spart nicht mit Lob und gibt ausführlich das Grundgerüst wieder, das die Autorinnen an ihrem Material herausgearbeitet haben: der fortschreitende "Kursverfall" der Wunder, die schließlich nur noch "als vulgärer Affekt der ungebildeten Schichten" gelten. "Die Lust der Autorinnen an ihrem reich verzweigten Thema steckt an", schreibt Meyer und freut sich, dass bei aller komplexen Wissenschaftlichkeit durch die Fülle der Abbildungen auch eine Art Bilderbuch herausgekommen ist, das "bar jeder akademischen Schwerfälligkeit" ist und Lust zum Blättern macht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Begeistert, neugierig und staunend formuliert Elisabeth von Thadden, was ihr in diesem Buch begegnet ist: eine Geschichte der Wunder und des Staunens. Sie ist, so schreibt sie, wie eine "Variante zur Soziologie Pierre Bourdieus, der wissen wollte, welcher soziale Schmuck wirkungsvoll ziert". Hier geht es dagegen um jene Zeit, in der das Licht der Aufklärung noch nicht alle Schlupflöcher der Neugier besetzt hielt, als also das Interesse der "Forscher" weniger der "Gleichförmigkeit" als den "Abweichungen" galt. Dabei ist die "Geschichte der Verwunderung", so Thadden, "nicht zuletzt ein atemloses Gerangel um die Deutungshoheit", zum Beispiel zwischen aristotelischer Philosophie, kirchlichen Dogmen oder schließlich eben den Aufklärern wie Voltaire. Das "Monstrum" einer Frau mit vier Brüsten ist für Voltaire nicht mehr interessant, sogar eher verdächtig: "weil das Staunen nicht mehr zum Habitus und ins Weltbild der Eliten passte", wie Thadden schreibt. Dies, so die Rezensentin, ist ohnehin die "zentrale These" des Buches: dass im Verlauf der von den Autorinnen untersuchten 600 Jahre das Wundern und die Wunder "die Gunst der europäischen Hochkultur" verloren und zur Domäne der Ungebildeten wurden. Kaum verwunderlich, dass Thadden in diesem "Familienfest", in der "die stolze Vernunft" neben ihre weniger respektablen Vorfahrinnen an denselben Tisch gesetzt wird, den "Ton feiner Ironie gegenüber den restlos Aufgeklärten" ausgemacht haben will.