Jörg Baberowski

Verbrannte Erde

Stalins Herrschaft der Gewalt
Cover: Verbrannte Erde
C.H. Beck Verlag, München 2012
ISBN 9783406632549
Gebunden, 606 Seiten, 29,95 EUR

Klappentext

Stalins Gewaltherrschaft fielen Millionen Menschen zum Opfer. Sie verhungerten, verschwanden im "Archipel Gulag" oder wurden im Laufe der "Säuberungen" von Partei, Staatsapparat und Militär ermordet. In seinem Buch entwickelt Jörg Baberowski neue Perspektiven auf die stalinistischen Verbrechen und führt den Leser hinab in die paranoide Welt des sowjetischen Diktators. Die Bolschewiki wollten eine neue Gesellschaft erschaffen und träumten vom neuen Menschen. Doch reicht es aus, auf das bolschewistische Projekt der Modernisierung zu verweisen, um die stalinistischen Gewaltexzesse zu erklären? War Stalins Terrorherrschaft eine notwendige Folge der kommunistischen Ideologie? Das bolschewistische Projekt, so die These des Buches, bot eine Rechtfertigung für den Massenmord. Aber es schrieb ihn nicht vor. Es war Stalin, ein Psychopath und passionierter Gewalttäter, der den Traum vom neuen Menschen im Blut der Millionen erstickte. Er war Urheber und Regisseur des Terrors, der erst mit seinem Tod aufhörte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.04.2012

Wie vom Autor vorgeschlagen, liest Ulrich M. Schmid das neue Buch von Jörg Baberowski als Revision seiner Arbeit "Roter Terror" von 2003. Hatte der Autor den Stalinismus vormals als Modernisierungsdiktatur bezeichnet, widerlegt er sich nun selbst, so erläutert uns der Rezensent, indem er detailreich die vormoderne Prägung des Stalinismus nachweist. Die drei Hauptthesen des Autors untersuchend, stellt Schmid allerdings fest, dass eine Reduktion des Stalinismus auf die Person Stalin die Traditionslinien der Gewalt missachtet, die Schmid sowohl vor Stalin als auch weiter bei Chruschtschew und Breschnew entdeckt. Zweifel meldet der Rezensent auch bei Baberowskis Feststellung eines allumfassenden politischen Opportunismus für die Zeit des Stalinismus an. Trotzdem findet er den Band packend wie ein Krimi und gespickt mit Erklärungen zur Frage, wie eine Gewaltherrschaft eine ganze Gesellschaft in ihren Bann ziehen konnte; die problematischen Grundthesen muss Schmid hierfür gar nicht zu Rate ziehen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2012

Franziska Augstein ist nicht überzeugt von Jörg Baberowskis Stalin-Buch, in dem der Berliner Historiker seine These revidiert, dass Gewalt und Terror dem Bolschewismus nicht zwangsläufig eigen waren, sondern vor allem von Stalin ins Werk gesetzt wurden. In diesem Buch nun will Baberowski deutlich machen, dass die Bolschewiki von Anfang an ihre Herrschaft auf Gewalt und eine Verrohung der Gesellschaft stützten, die Ideologie sei dabei völlig nachrangig gewesen. Aber warum, fragt die Rezensentin, schreibt er dann ein Buch über Stalin, den pathologischen Gewalttäter? Und warum ergeht er sich dann in endlosen Beschreibungen von Folterungen und Hinrichtungen. Als der Autor noch meinte, Stalin sei "kein Zyniker" gewesen, da hätte Augstein die Aufzählung all des Horrors sinnvoll gefunden, aber jetzt findet sie all die Grausamkeiten als Beleg seiner These redundant.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2012

Mit Faszination, aber nicht ohne Skepsis folgt Peter Sturm den Darlegungen des Autors. Mit Sympathie registriert er zunächst, dass Baberowski in den einleitenden Bemerkungen ein frühes Werk revidiert und "Verbrannte Erde" nun als Antwort auf damals offen gebliebene Fragen präsentiert. Aber schnurrt der Stalinismus tatsächlich auf die Person Stalins zusammen? Baberowski, so Sturm, ist "extrem auf Stalin fokussiert", und es stellt sich für ihn die Frage, ob so eine starke Personalisierung als Erklärung für den wahnwitzigen Terror des Systems, nicht am Ende das System freispricht. Aber leider lässt Sturm diese Frage offen. Als besondere Erkenntnis nimmt er aus diesem Band mit, das man lernt, "in welcher Welt Stalins Gefolgsleute lebten". Am Ende bemängelt Sturm, dass der Band etwas zu viel Voraussetzungen macht und überdies vom Verlag nachlässig lektoriert worden sei.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.03.2012

Sehr beeindruckt hat Stefan Reinecke dieses Buch gelesen, in dem der Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski die Geschichte der stalinistischen Gewaltexzessen erzählt. Sehr gekonnt findet Reinecke, wie Baberowski die Willkür und Maßlosigkeit schildert, mit der Stalin in den Jahren 1937 bis 1938 Hunderttausende von Menschen töten ließ. Was dieses Ausmaß der Gewalt betrifft, stellt Reinecke fest, gab es keinen Unterschied zwischen nationalsozialistischer und stalinistischer Herrschaft. Und wenn Baberowski eine Verbindung von Stalin zum Terror der Bolschewisten zieht, die von Beginn der Revolution an eine solch schwache Machtposition hatten, dass sie ihr Regime nur durch einen gnadenlosen Krieg gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen konnte, dann geht Reinecke auch d'accord. Nicht ganz überzeugt ist er von Baberowskis Konzentration auf Stalins psychopathologische Persönlichkeit, und die von ihm behauptete Zwangsläufigkeit des Großen Terrors.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.03.2012

Grandios und zutiefst verstörend findet der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel dieses Buch seines Kollegen Jörg Baberowski, der darin die Gewaltgeschichte des Stalinismus ganz neu rekonstruiert. Dass Baberowski dabei keine Erklärungen und keine Rationalisierungen des Großen Terrors bietet, sondern im Gegenteil eher Kritik an solchen Versuchen übt, macht für Schlögel den Kern und die große Bedeutung des Buches aus. Baberowski zeichnet darin, gestützt auf sorgfältige Recherchen, nach, wie die Gewalt und "Praktiken der Verrohungen", die zunächst nur auf die Führungsclique beschränkt war, zu allgemeinen Verhaltensweisen werden. Sehr interessant findet Schlögel auch, dass Baberowski zur Erläuterungen bestimmter Machttechniken eher Praktiken der Mafia oder kaukasischer Räuberbanden heranzieht als das Programm der KPdSU. Zwei Punkte sieht Schlögel mit dem Buch sehr entschieden geklärt: "Nicht Ideen töten, sondern Menschen". Und: Ohne Stalin hätte es die Mordexzesse der dreißiger Jahre nicht gegeben. (Aber was ist mit dem Gulag? Den in Kauf genommenen Hungersnöten?)

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.02.2012

Das Buch über Stalins Gewaltherrschaft des Berliner Historikers Jörg Baberowski ist laut Dirk Pilz keine Lebensbeschreibung des Diktators, sondern der Versuch einer historischen Erklärung, wie und warum sich Stalin als Alleinherrscher der Sowjetunion so lange behaupten konnte. Für den Autor ist Stalin ein Gewaltverbrecher aus Passion und das System des Stalinismus allein auf die Persönlichkeit dieses "Psychopathen" und das fortgesetzte Streben nach Sicherung seiner Macht zurückzuführen, erklärt der Rezensent. Die These ist nicht völlig neu, selten aber ist bisher ein Historiker dieser Fragestellung so gründlich nachgegangen, lobt Pilz. Das sei eine ziemlich überraschende Wende von Baberowskis eigenem, in einer Studie von vor acht Jahren geäußertem Standpunkt, wo er die exzessive Gewalt - in Anlehnung an den Soziologen Zygmunt Bauman - noch als kühles Ordnungsprinzip interpretiert hatte, so der Rezensent. Umso beeindruckender, wie plausibel der Autor jetzt vor allem anhand des Befehls Nummer 00447, mit dem Stalin den Großen Terror einleitete, seine damalige These selbst widerlegt, wobei er mit solidem Quellenmaterial, Kenntnisreichtum und zudem in sehr lesbarer Sprache überzeugt, wie Pilz sehr eingenommen feststellt.