Ivan Nagel

Streitschriften

Politik - Kulturpolitik - Theaterpolitik. 1957-2001
Cover: Streitschriften
Siedler Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783886807314
Gebunden, 224 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

In diesen Band hat Ivan Nagel jene Reden, Aufrufe und Gutachten aufgenommen, die ihn weit über seinen Beruf als Theaterintendant bekannt machten. Die Anlässe waren unterschiedlich: der Aufstand in Ungarn 1956; die deutsche Kultur- und Theaterrevolte um 1969; das Erlahmen vieler der besten Impulse in den anderthalb Jahrzehnten von 1974 bis 1989; die übergroßen Chancen und Versäumnisse ab 1989; ein neues Erschrecken zehn Jahre später. Der Impuls blieb über die Jahre der gleiche: die Wendung gegen das Routinierte, Geduckte, Unfreie, Eingesperrte - auf der Bühne und im Leben der Bundesrepublik.

Im Perlentaucher: Rezension Perlentaucher

Ivan Nagel wurde 1931 in Budapest geboren, hat den Holocaust überlebt, studierte in Zürich und Frankfurt/Main. Er ist einer der bedeutendsten Köpfe des deutschsprachigen Theaters dieser Nachkriegszeit. Er kam, ein jüdischer Emigrant, "mit Schweizer Abitur und französischen Fremdenpapieren nach Deutschland" und sollte ausgewiesen werden. Seinem Lehrer Adorno gelang es, das zu verhindern. Wir danken ihm auch dafür. Noch besser als dieser späte Dank wäre gewesen, wir hätten Ivan Nagel besser genutzt. In dem bei Siedler erschienenen Band "Streitschriften" liegt eine Reihe seiner Essays aus den Jahren 1957 bis 2001 vor. Sie sind selbstverständlich wahr, wunderbar clare et distincte, dabei nie verletzend. Nagel wird niemals persönlich und ist es doch immer. Ivan Nagel ist einer der besten Essayisten der Bundesrepublik. Die hat es nur noch nicht verstanden. Sie versteht es seit Jahrzehnten nicht. Sie? Wir. Sonst hätten wir ihm schon 1969 geschrieben, dass er natürlich Recht hatte in dem Streit mit dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund und mit Kuby und Boehlich...
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.02.2002

Walter Hinck ist insgesamt sehr angetan von diesem Band mit gesammelten Reden, Beiträgen zur Kulturpolitik und "Manifesten", die zwischen 1957 und 2001 entstanden sind. Zunächst lobt er die Einleitung der einzelnen Texte, die neben einer lebensgeschichtlichen Notiz den Anlass verzeichnen und so die "Einordnung" erleichtern. Auch die "denkwürdige" Rede zur Eröffnung der Wehrmachtsausstellung von 1999 preist er begeistert: Noch nie sei auf derart "hoher literarischer Stufe" über Schuld und Erinnerung gesprochen worden. Nicht so gut gefallen haben dem Rezensenten die "Streitschriften", in denen Ivan Nagel die finanzielle Lage der Theater und den "leidigen Kampf um die Budgets" beklagt. Diese Themen erzeugen beim Leser mit wachsendem zeitlichen Abstand "Ermüdung", beschwert sich der Rezensent, der findet, dass sie sich für das "literarische Überleben" schlicht nicht eignen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.10.2001

Mit großem Interesse hat Christopher Schmidt die "Streitschriften" gelesen und setzt sich mit ihnen in einer ausführlichen Rezension auseinander. In dem Buch, dass Texte aus über 40 Jahren versammelt, zeige sich der Autor einmal mehr als "Skeptiker", der, wiewohl in "rhetorisch kugelsicherer Weste", auf die "Barrikaden" geht, so der Rezensent fasziniert. Schmidt sieht hier einen "scharfen Kontrast" zwischen "skrupulös" formulierten Argumenten und der Rage, die sich in den Ansichten des Theaterkritikers, den er liebevoll "Hans Pulverdampf" nennt, Bahn bricht. Problematisch erscheint ihm, dass der Autor die Grundsätze seiner eigenen Positionen fast nie hinterfragt und seine gelegentlichen "Seitenhiebe" auf das Feuilleton scheinen dem Rezensenten ein bisschen "snobistisch". Doch ist er beeindruckt von diesem "außenseiterischsten Insider der Kultur" und lobt das Buch dafür, sowohl tagesaktuelle "Chronik" als auch "intellektuelle Autobiografie" in sich zu vereinen.
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