Helene Hegemann

Jage zwei Tiger

Roman
Cover: Jage zwei Tiger
Hanser Berlin, Berlin 2013
ISBN 9783446243675
Gebunden, 320 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Als der Stein die Windschutzscheibe durchschlägt, ist seine Mutter sofort tot. Kai, 11, überlebt und beschließt im Zustand des Schocks, der sich als eine Art geraffter Reifeprozess äußert, sich ab jetzt von nichts und niemandem mehr abhängig zu machen. Er flieht vor den überforderten Ersthelfern und läuft verletzt durch das angrenzende Waldgebiet, bis er auf eine Ziege trifft und wenig später auf einen abgehalfterten Zirkusclan. Und auf Samantha, die zu der Gruppe von Jugendlichen gehört, die 24 Stunden zuvor den Stein von der Autobahnbrücke geworfen haben. Cecile, 17, Kokainproblem und gesteigerter Selbstzerstörungsdrang, zieht bei ihrem neuen Freund ein. Sein Sohn heißt Kai. Inzwischen ist er 13 und immer noch liebt er Samantha. Gemeinsam mit Cecile macht Kai sich auf die Suche nach ihr und versucht herauszufinden, wie man in einer Welt, die alte Menschen verachtet, erwachsen werden kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.08.2013

Helene Hegemanns neuer Roman "Jage zwei Tage" ist Rezensentin Felicitas von Lovenberg ziemlich auf die Nerven gegangen. Die Geschichte um Kai, der mit elf Jahren erlebt, wie seine Mutter bei einem Autounfall stirbt, nachdem Jugendliche einen Stein von einer Brücke geworfen haben, sich bald darauf in das einarmige "Zirkusgirl" Samantha verliebt, die mitverantwortlich für den Unfall ist und schließlich bei seinem Vater, einem neurotischen Münchener Kunsthändler, der essgestörten, kokain- und selbstzerstörungssüchtigen Cecile begegnet, scheitert laut Lovenberg vor allem an Hegemanns Drang, die Handlung gnadenlos und bedeutungsschwer zu kommentieren. Zunehmend verärgert liest die Kritikerin den stets die eigene Zerstörtheit reflektierenden Jugendjargon, der bei all den pathetischen Superlativen nie Raum für Leichtigkeit lässt, sondern neben "pseudosubversiven" Insidern, viel Koketterie und Kalkulation vor allem selbstverliebte "Schwurbeleien" produziert. Und am Ende wusste aber die Rezensentin, was gemeint ist, wenn der Jugend etwas "scheißegal" ist.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.08.2013

Begeistert, ja geradezu aufgeregt ist Eva Behrendt: Ein "großes, bewegendes, oftmals finsteres" Lektüreerlebnis bietet ihr der zweite Roman der jungen Autorin, die sie vor allem auch stilistisch seit ihrem wegen Plagiatsvorwürfen umstrittenen Debüt sichtlich gereift sieht. Helene Hegemann erzählt ihre zu unwahrscheinlichen Happy Ends führende Geschichte über drei junge Leute, deren Lebensläufe sich miteinander verquirlen, auf wilde, alle Auflagen zum Maßhalten geflissentlich missachtende Weise, schwärmt die Rezensentin, die den teuflischen Witz, mit dem Hegemann Jargon und Habitus des Kulturbetriebs schon durch kleinste sprachliche Zusätze aufspießt, sodass bald schon verkiffte WGs als "bizarres Utopia" in Frage kommen, glücklich feiert. Lebensprall ist dieses Buch, das im eigentlichen Kern eine rast- und atemlose, panoramatische Darstellung der Gesellschaft im Sinn hat, so Behrendt abschließend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.08.2013

No future in diesem neuen Roman von Helene Hegemann. Meint Catrin Lorch, die sich mächtig Raum nimmt für ihren Verriss. Statt eine Vision ihrer Generation zu entwerfen oder immerhin eine eigene Dystopie, schimpft die Rezensentin, verneigt sich Hegemann mit "vorauseilendem Exhibitionismus" bloß dauernd vor dem Kulturbetrieb, seinem Voyeurismus und der Elterngeneration samt deren überholtem Diskurs über Jugendkultur. Wenig subtil findet Lorch darüber hinaus, wie die Autorin ihre Figuren charakterisiert und die Handlung entwickelt, stilistisch undifferenziert und anspruchslos, in enervierender Skizzenhaftigkeit. Kaum eine Stelle, an der sich die Autorin der Rezensentin so klug und unverstellt zeigt, wie Lorch sie aus Interviews kennt.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.08.2013

Die ersten neunzig Seiten von Helene Hegemanns neuem Roman "Jage zwei Tiger" haben Ijoma Mangold erstmal verblüfft. Nachdem er damals von ihrem ungestümen Stil, der "auf seine Lesbarkeit pfiff", ehrlich angetan war, hat ihn der offensichtliche Professionalisierungsschub, den die junge Autorin durchgemacht hat, überrascht. Hegemann erzählt die Geschichte zweier Jugendlicher, des dreizehnjährigen Kai und der siebzehnjährigen Cecile, die beide aus guten Elternhäusern mit künstlerischem Einschlag kommen und gleichermaßen vom Szeneleben ihrer Eltern angekotzt und fasziniert sind, fasst Mangold zusammen, die Milieuskizze ist am Anfang ein wenig redundant: "viel Geld und wenig Liebe". Doch Hegemann groovt sich ein, berichtet der Rezensent. Treffend imitiert sie den Kunstszenejargon und kombiniert "hochkomplexe Hypotaxe mit süffigstem Jugendslang", und das bleibt ihm Ohr, verrät Mangold. Dazu glänzt die Autorin als Beobachterin von Distinktionsverhalten, verrät er. Der Rezensent zieht den Hut.
Stichwörter