Heinz Schlaffer

Geistersprache

Zweck und Mittel der Lyrik
Cover: Geistersprache
Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 9783446238824
Gebunden, 203 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Heinz Schlaffer legt die Fundamente der Lyrik frei. Von der Antike bis zur Gegenwart kommt der Dichtung eine bestimmte Aufgabe in der Kultur einer Gemeinschaft zu: von der Anrufung der Götter bis zum Spruch für Menschen, vom Bettellied bis zum Erntedank, von der Beschwörung bis zum Liebeszauber. Um solche Zwecke zu erreichen, setzt das Gedicht außergewöhnliche Mittel wie Rhythmus, Reim und Metaphern ein. Heinz Schlaffer hat ein anschauliches, durch markante Beispiele sinnfälliges Buch geschrieben. Für alle, die sich gern von Gedichten anrühren lassen und genauer wissen wollen, wie Dichtung gemacht ist und wozu wir sie auch heute brauchen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.07.2012

An einem Fest des Intellekts durfte Manfred Koch teilnehmen. Hans Schlaffers, wie Koch versichert, fern aller aufdringlichen Gelehrsamkeit oder lyrischen Ergriffenheit angesiedelter Gang durch die Lyrikgeschichte als durch ein kultisch gefärbtes Zauberreich aus Tanz, Musik und Sprache bietet ihm, alles, was der Kopf begehrt: Eine aufregende These (Lyrik ist Ansprache des Übernatürlichen), die souveräne Beherrschung der Lyrikgeschichte (von den Griechen bis zu den neueren europäischen und amerikanischen Literaturen) sowie der theoretischen Begriffe und einen klaren Stil. Dass Schlaffer zudem keine Lektürerezepte für Lyrik parat hat, sondern bloß seine Skepsis gegenüber sinnversessener Interpretation äußert, gefällt Koch außerordentlich.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.04.2012

Der Literaturwissenschaftler Heinz Schlaffer hat sich seit seinen ersten Publikationen mit dem "Nachleben" in der Literatur im Sinne Aby Warburgs beschäftigt, zeigt Stephan Wackwitz auf. Jetzt also mit dem "Nachleben" der Poesie, die, wie der Autor in seinem jüngsten Buch nachzuweisen sucht, einst der Anrufung höherer Mächte diente und diesen Zweck bis heute ihre besondere sprachliche Form schuldet. Der Rezensent räumt zwar ein, dass Schlaffers Befunde nicht unbekannt sind. Selten hat er diese aber in derart konziser, kenntnisreicher, kluger und gut zu lesender Form präsentiert bekommen, wie er schwärmt. Die "Durchdachtheit" seiner Thesen lässt selbst komplizierte Zusammenhänge einfach erscheinen, preist Wackwitz und bewundert mit diesem Buch nicht zuletzt, wie versiert sich ein akademischer Autor verständlich an eine allgemeine Leserschaft wendet. Der Rezensent verspricht, dass sich das Buch in einem Rutsch lesen lässt und man es dann immer wieder gern zur Hand nehmen wird. Da Schlaffers "Geistersprache" eine "Geschichte vom Ende der Literatur" und ihrem Weiterleben ist, ist dieses glänzende Buch aber auch von Melancholie geprägt, so Wackwitz abschließend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.03.2012

In bestechender Klarheit sieht Hans-Herbert Räkel in Heinz Schlaffers Buch über "Zweck und Mittel der Lyrik" eine einfache, aber sehr plausible These glänzend dargelegt. Heinz Schlaffer argumentiert, dass der Zweck, der einst die besonderen sprachlichen Mittel der Lyrik rechtfertigte, nämlich die Beschwörung von Geistern und Göttern, verschwunden ist und somit die lyrischen Mittel um eine "leere Mitte" kreisen. Unerschrocken geht der Autor ein Heiligtum an, das, wie er in bemerkenswerter Konsequenz argumentiert, zur "reinen Poesie" verklärt, doch im Grunde etwas "Betrügerisches" hat, so der Rezensent bewundernd. Im letzten Kapitel über zeitgenössische Lyrik sieht der Autor dann auch noch die letzten Bastionen der Poesie, nämlich Metrum, geregelten Vers und Reim desavouiert und somit auch formell die "Entgeisterung" nachvollzogen, wie Räkel bemerkt. Warum Schlaffer dann im letzten Satz seines Totenscheins der Poesie meint, das Gedicht "lebt weiter", findet der Rezensent dann aber ziemlich unvermittelt. Er vermutet, dass Schlaffer hier in seinem an erhellenden und aufschlussreichen Argumenten reichen Buch eben nur die halbe Wahrheit über die Poesie erzählt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2012

Rezensent Dirk von Petersdorff weiß um Heinz Schlaffers Vorliebe für Provokationen und auch mit seinem neuen Buch "Geistersprache"  über Zweck und Mittel der Lyrik enttäuscht ihn der Germanist nicht. Souverän und leichthändig führe Schlaffer anhand von Versen, die sich von den frühen Kulturen, etwa im alten Ägypten, bis ins zwanzigste Jahrhundert zu Rilke und William Carlos Williams erstrecken, vor, dass die Funktion der Lyrik im Wesentlichen in der lobenden, beschwörenden oder klagenden Anrufung von Geistern bestehe. Erst in der lyrischen Moderne sei diese archaische Funktion in den Hintergrund getreten, berichtet der Kritiker, der hier erfährt, dass dieser lyrische Zweck auch heute noch in Kinderversen, Gesängen von Fußballfans und im Rock und Pop verfolgt werde. An dieser Stelle hätte sich der Rezensent allerdings etwas mehr Anschaulichkeit gewünscht. Auch Schlaffers Kritik an der lyrischen Moderne, der er vorwirft, die Rhythmik und den Glauben an ihre Wirkung verloren zu haben, hätte Petersdorff gern differenzierter ausgeführt gesehen, nichtsdestotrotz versichert der Kritiker, sich mit diesem ebenso streitbaren wie aufschlussreichen Buch nie gelangweilt zu haben.
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