Fritz J. Raddatz

Unruhestifter

Erinnerungen
Cover: Unruhestifter
Propyläen Verlag, München 2003
ISBN 9783549071984
Gebunden, 496 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Furios und brillant wie eh und je führt uns Fritz J. Raddatz, der große Feuilletonist, Literaturkritiker und Essayist, durch sein bewegtes Leben. Wo er hinkam, stiftete er Unruhe, aber eine aufklärerische, anregende, produktive. Alle Großen aus Literatur und Publizistik der vergangenen Jahrzehnte treten auf und fügen sich zu einem kulturhistorischen Kaleidoskop unserer Zeit - funkelnd, amüsant, bewegend.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.10.2003

Ein wenig zu dick für den Geschmack von Klaus Harpprecht hat Fritz J. Raddatz in seinen Erinnerungen aufgetragen. Wegen der "grellen Krassheiten der Erzählung" fühlt sich Harpprecht gar an die Romanreportagen des "genialisch-verlogenen" Italieners Curzio Malaparte erinnert. Gab es die "lederumwickelte eiserne Reitpeitsche" wirklich, mit der Raddatz von seinem Vater so brutal gezüchtigt wurde? Der einstige "Reitersmann" Harpprecht gibt sich skeptisch. Zwar lässt ihn Raddatz' Drama einer "verdunkelten Jugend" - sexuellen Missbrauch durch die Stiefmutter inklusive - nicht kalt. Doch ein wenig unangenehm findet er es schon, wie Raddatz permanent sein "lädiertes Ego" zur Schau stellt, sich stets "zu Unrecht verfolgt" und "fast immer verraten" fühlt und sich als Märtyrer stilisiert. Raddatz schießt zum Bedauern von Harpprecht immer wieder über das Ziel hinaus, etwa wenn er seitenlang die Namen der Berühmten, der Stars, der Großen genussvoll abspult oder Details über den künstlichen Darmausgang des verstorbenen Hubert Fichte nennt. Harpprecht vermutet "verletzte Eitelkeit" als "Leitmotiv" von Raddatz' "abenteuerlicher und doch so erzbürgerlicher Existenz". Abschließend fasst er zusammen, was ihn Raddatz' Erinnerungen am meisten stört: "der Mangel an humaner Fantasie, die moralisierende Arroganz, die Neigung zum Selbstmitleid, die melancholische Insistenz auf dem Verkanntsein".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.10.2003

"Fabelhaft fesselnd", "finster-faszinierend" - mit solch allerliebst alliterierenden Attributen belegt Joachim Kaiser die Memoiren seines Freundes Fritz J. Raddatz. Aufregendes, Gutes und viel Boshaftes hat er in dem Buch gefunden, aber auch Hochamüsantes. Die gelegentlich durchschimmernde "affektierte Selbst-Verliebtheit" lässt er Raddatz als "französisch" durchgehen. Doch insbesondere die Schwester hält er für die faszinierendste Gestalt, die ihm auf Buchseiten je begegnet sei. Die Opfer des Buches - die Verleger Kindler und Rowohlt sowie die Kollegen von der Zeit, allen voran Marion Gräfin Dönhoff - tröstet Kaiser damit, dass Raddatz sich selbst gegenüber nicht weniger schonungslos ist. Und gerade die Schilderungen seines bürgerlich-preußischen Vaters ließen keinen Zweifel daran, woher "die anti-bürgerliche Wut im Kritiker und Literaten Raddatz stammte".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.10.2003

Die "Verteidigungsschrift eines narzisstisch Gekränkten" erblickt Rezensent Wolfgang Schneider in Fritz J. Raddatz' Erinnerungen mit dem "allzu plakativen Titel" "Unruhestifter". Dass sich der "Paradiesvogel und Provokateur des deutschen Feuilletons" in seinen Erinnerungen nicht als Musterschüler mit behüteter Kindheit stilisieren würde, war nach Schneider zu erwarten. Stattdessen lerne man Raddatz kennen als "perfekten Dieb" in den Ruinen des ausgebombten Berlins, als stellvertretenden Cheflektor beim renommierten Verlag "Volk und Welt", als Programmchef von "Rowohlt", als mit Millionärsgattinnen durch New York streifenden Dandy, als Feuilletonchef der "Zeit", der permanent seinen nimmermüden Einsatz für die Literatur preise. Über einen Mangel an Selbstbeweihräucherung kann man sich nach Einschätzung Schneiders nicht beklagen: Raddatz' "kompensatorisches Eigenlob" grenze bisweilen an Nietzsches groteske Selbstverherrlichung in "Ecce Homo", urteilt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.09.2003

Das Leben des Fritz J. Raddatz verlaufe "nach dem Kurs einer dubiosen Akte: Auf den Aufstieg folgt stets der tiefe Fall", resümiert Elke Schubert nach der Lektüre seiner Erinnerungen. Man könne beim Lesen "einen langen Abschnitt deutscher (West- wie Ost-) Nachkriegsgeschichte besichtigen", lobt die Rezensentin. Dabei ist sie teilweise von Resignation übermannt worden angesichts der Tatsache, dass es heute kaum noch mehr "solche Menschen" gebe, die sich jenseits von Verkaufszahlen mit Literatur beschäftigen. Schubert haben besonders die Kapitel über Raddatz' Zeit in der noch jungen DDR gefallen, in denen er sehr "plausibel" von den damaligen - meist aus dem Exil zurückgekehrten - literarischen Weggefährten, erzähle. Erkennbar wurde für sie aber auch ein "sehr eitler Literaturbesessener", der sich von seinen Kränkungen - vor allem seit seinem Ende als Literaturchef bei der Zeit - nicht mehr erholt habe, so dass "zwangsläufig auch Gehässigkeiten" nicht ganz fehlen. Schuberts Fazit lautet demnach auch: Man könne "keine neutrale Wahrheit erwarten". Das sei eben das Privileg des Autobiografen, der "sich endlich selbst in ein Licht rücken dürfe, von dem er meint, es gebühre einem".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.09.2003

Theo Sommer will nach eigenen Angaben weder als Literaturwissenschaftler noch als Kommunikationswissenschaftler die Erinnerungen des Autors unter die Lupe nehmen. Vielmehr fühlt er sich aufgerufen, gegen die "boshafte, nein: bösartige Darstellung" über Raddatz' Zeit als Feuilleton-Chef bei der Zeit einzuschreiten. Er findet es unschön und unfein, was Raddatz über Bucerius, Dönhoff, Helmut Schmidt und Augstein schreibt und insbesondere das "Widerwärtige", das dem Autor am Sarg Bucerius' durch den Kopf gegangen ist, hätte er besser für sich behalten, so Sommer abgestoßen. Besonders "unanständig" findet der entsetzte Rezensent, wenn Raddatz Gräfin Dönhoff unterstellt, sie habe sich zu Unrecht zur "Widerstandskämpferin" erklärt. Insgesamt hat er den Eindruck, dass der Autor in seinen Erinnerungen einfach "alle niedermacht" und er meint, die "Beschimpfungen" seien in Wahrheit "Selbstbespiegelung". Am Ende attestiert er Raddatz zwar, ein aus "Leidenschaft" guter Feuilleton-Chef gewesen zu sein aber dieses Buch kann Sommer ganz und gar nicht gutheißen.