Ernst Osterkamp

Poesie der leeren Mitte

Stefan Georges Neues Reich
Cover: Poesie der leeren Mitte
Carl Hanser Verlag, München 2010
ISBN 9783446235007
Gebunden, 292 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Stefan George, der bedeutendste Dichter des Symbolismus in Deutschland, ist wieder ins Zentrum des Interesses gerückt. Große Biografien haben seine schillernde Persönlichkeit, seine Ansichten zur Politik und den männerbündischen "George-Kreis" ausgeleuchtet, weniger jedoch seine schwierigen Gedichte. Ernst Osterkamp widmet sich in seinem Essay Georges spätem Buch "Das Neue Reich". Aus seiner Interpretation rekonstruiert er Georges Gedankengebäude und führt es ad absurdum.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.08.2010

Mit großem Interesse hat Alexander Cammann diese Deutungen von Stefan Georges lyrischem Spätwerk gelesen, auch wenn er immer wieder Fragezeichen dahinter setzt. Denn Ernst Osterkamp sei zwar ein gelehrter Interpret, der bei seiner Lektüre ein mikrophilologisches Feuerwerk zu entfachen verstehe, minutiös Gedichtzeilen abklopfe und Inhumanität, Verstiegenheit und Verachtung darin sezieren würde. Auch lege Osterkamps Deutung dar, wie Georges Lyrik zu Staatsfunktionslyrik eines kommenden, nationalsozialistischen Reiches mutiert sei. Doch gerade hier erhebt der Kritiker Einspruch, dem scheint, dass derlei konkretes Deutschtum doch ein wenig zu eng für Stefan Georges heilsgeschichtliche Sendung sei. Auch klingt in Cammans Kritik Bedauern durch, dass Osterkamp keine Gesamtdeutung liefert, sondern seine Argumente im Wesentlichen auf die Einzelinterpretationen von vier späten Gedichten stützt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.07.2010

Seit ein paar Jahren ist der Dichter-Seher Stefan George, lange Zeit doch eher demodiert, wieder in aller Munde. Scheinbar, so Manfred Koch, springt der in Berlin lebende Germanist Ernst Osterkamp da mit seinem neuen Buch auf einen fahrenden Zug auf. Das aber täuscht. Denn gerade um den (zu nicht geringem Teil selbstgeschaffenen) Mythos George und den Männerbund um ihn herum soll es hier nicht gehen. Sondern: um den Dichter. Kein Problem im Prinzip, meint Koch, der allerdings nicht versteht, warum Osterkamp sich dann ausgerechnet auf den literarisch schwachen Gedichtband "Das Neue Reich" konzentriert. Die Rehabilitation gelinge so jedenfalls nicht. Aufschlussreich ist das Buch in seinen präzisen und teils "beeindruckenden" Einzelanalysen für den Rezensenten dennoch: die "ideologiekritische" Durchleuchtung des Dichters gelinge Osterkamp nämlich, möglicherweise gegen seinen eigenen Willen, ganz ausgezeichnet.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.05.2010

Um die Gedichte sollte es gehen. Dem Rezensenten Jens Malte Fischer, der mitunter argwöhnt, Stefan Georges Ruhm gründe sich eher auf die Biografie des Dichters denn auf sein Werk, kommt dieses Buch entgegen. Dabei macht es sich Ernst Osterkamp nicht leicht, wie Fischer findet, und nimmt sich ausgewählte Texte aus Georges letztem, sprödesten Werk vor. Fischer rühmt Osterkamps philologische Tugenden: Genauigkeit, Nüchternheit, stilistische Elastizität, Risikofreude. Georges Selbststilisierungen (zu Goethe, Hölderlin, Christus), das ganze Ausmaß seines Messianismus wird Fischer erst in Osterkamps "luzider" Interpretation ganz offenbar. Ebenso Georges Frauenverachtung, sein Antimodernismus, seine Verwerfung der Demokratie. Wie der Autor hier gegen eigene Sympathien mit dem Lyriker George arbeiten muss und dem Leser dennoch keine Zumutung erspart, hat Fischer sehr beeindruckt. Georges Texte aus dem Jahr 1928 liest der Rezensent nunmehr als "Aussaatgedichte" für eine unheilvolle Zeit. Osterkamps Buch hält er für einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Rolle Georges in unserem 20. Jahrhundert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.03.2010

Dagegen, dass der Germanist Ernst Osterkamp die Wirkung Stefan Georges auf ihre Ursache, seine Dichtung nämlich, zurückzuführen gedenkt, und sich wie Rudolf Borchardt ein einzelnes Buch, in diesem Fall Georges letzte Gedichtsammlung von 1928, interpretatorisch vornimmt, hat Rezensent Patrick Bahners nichts einzuwenden. Dass Osterkamp die Poetologie des "Neuen Reiches" jedoch im Wesentlichen an den drei Eingangsstücken festmacht und das übrige, laut Bahners "disparate" Material der Sammlung eher unbeachtet lässt, gefällt ihm weniger. Auch dass der Autor die Auseinandersetzung mit abweichenden Interpretationen scheut, befremdet den Rezensenten. Wirklich überzeugend findet er Osterkamps Argumentation nur, wenn sie zeigt, wie George, durch die Masken Goethes und Hölderlins sprechend, seinen schöpferischen Anspruch ins Maßlose steigert. Falsch und einseitig hingegen erscheint dem Rezensenten Osterkamps Versuch, dem so sprechenden George völkisches Denken zu attestieren und aus Georges "Neuem Reich" das neue Reich von 1933 herauszulesen.
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