Don DeLillo

Der Omega-Punkt

Roman
Cover: Der Omega-Punkt
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2010
ISBN 9783462041927
Gebunden, 112 Seiten, 16,95 EUR

Klappentext

Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. Ein junger Filmemacher sucht einen ehemaligen geheimen Kriegsberater der amerikanischen Regierung in dessen Haus irgendwo in der kalifornischen Wüste auf. Er hofft, ihn für eine Dokumentation gewinnen zu können. Als die Tochter des älteren Mannes auftaucht, nimmt die Geschichte einen verhängnisvollen Lauf.
Im MoMa in New York betrachtet ein Mann eine Installation: Hitchcocks "Psycho", verlangsamt auf eine Spielzeit von 24 Stunden. Und er betrachtet zwei Männer, einen älteren, einen jüngeren, die sich die Installation anschauen. Schnitt.
Mitten in der Wüste, "südlich von Nirgendwo", lebt der dreiundsiebzigjährige Richard Elster in einem einsam gelegenen Haus. Hierher hat er sich zurückgezogen, um über Raum und Zeit nachzudenken. Elster, ein Gelehrter, der sich jahrelang mit dem Thema Auslöschung in all seinen Varianten beschäftigt hat, diente der amerikanischen Regierung während des Irakkriegs zwei Jahre lang als geheimer Berater, er sollte ihre Kriegshandlungen mit einem intellektuellen Referenzrahmen versehen. Als seine Dienste nicht mehr gebraucht werden, zieht er sich in die Wüste zurück.
Dort besucht ihn Jim Finley, ein junger Filmemacher, der Elster von seinem Filmprojekt überzeugen möchte: eine Dokumentation ganz ohne Schnitt, nur eine einzige Einstellung: ein Mann - Elster - vor einer Wand. Keine Fragen aus dem Off, keine Regieanweisung. Zwölf Tage schon diskutieren die beiden Männer, als Elsters Tochter Jessie auftaucht, eine junge Frau aus New York, die die Dynamik der ganzen Geschichte grundlegend verändert. Etwas Unfassbares geschieht, und alles Gesagte wird in Frage gestellt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.03.2010

Dieser gerade einmal 100 Seiten umfassende Text ist ein Virtuosenstück, findet Rezensent Christoph Schröder, das sich aus seiner Sicht als solches auch nahtlos in das Werk dieses Autors fügt: in seiner brillanten und stimmigen Übersetzung aktuellster Themen in Literatur. Im vorliegenden Fall habe Don DeLillo anhand eines Rechtfertigungsversuchs des Irakkrieges und inspiriert von einer 24stunden Videoinstallation, die Hitchcocks berühmte Dusch-Szene aus "Psycho" zerlegt, sich mit der Frage befasst, ob es einen Endpunkt der Evolution gibt und der Mensch in dieser Entwicklung irgendwann aufhört Mensch zu sein. Schröder findet den Weg, den DeLillo in seiner literarischen Gestaltung seiner zivilisationstheoretischen Thematik über die kalifornische Wüste, die Geschichte eines Filmemachers und eines PR-Strategen der Bush-Administration bis ins Museum of Modern Art in New York kommt, ausgesprochen fesselnd und spürt am Ende sogar eine "Hauch von Erlösung".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.03.2010

Höchst fasziniert hat Rezensentin Iris Radisch Don DeLillos neuen Roman gelesen, den sie als eine "vibrierende Meditation" über die Wahrheit, die Zeit und Männer erlebte, "die sich verlieren in Leere und Einsamkeit", wie sie schreibt. Bereits der von Douglas Gordons Videoinstallation "24 Hours Psycho" inspirierte Prolog beeindruckt die Kritikerin als Versuch, die reine Zeit durch die Sanduhr des Lebens tröpfeln zu lassen. Doch auch im restlichen Roman folgt die Kritikerin DeLillos Figuren mit großer Spannung durch die Panoramaformate, die dieser Autor für sie entwirft, eine Bretterbude im Nirgendwo einer amerikanischen Wüste. Auch Frank Heiberts Übersetzung wird für ihre elegische Scharfkantigkeit hochgelobt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.03.2010

Keine Frage, hier schreibt ein echter DeLillo-Fan. Leider liest sich Thomas Davids Besprechung ähnlich erratisch, wie wir uns den "Omega-Punkt" vorstellen müssen, Don DeLillos neuen und dabei mit 110 Seiten recht kurzen Roman, in dem, wie es scheint, die Postmoderne mit der Mystik des Jesuiten Teilhard de Chardin rückgekoppelt werden: "Intensives Nachdenken über die Metaphysik der Zeit." Worum es geht, ist offenbar folgendes: Ein Filmemacher besucht den 73-jährigen Philosophen und Militärstrategen Richard Elster, der sich nach dem Irakkrieg in die Wüste zurückgezogen hat. Dabei spielen auch Hitchcock eine Rolle, die Paranoia, der Tod, die Angst vor ihm und das weiße Rauschen. David hat den Roman natürlich als einen Kommentar auf das intellektuelle Amerika der Bush-Ära gelesen, bewundert die "meisterhafte Konstruktion" des Buchs und preist in seiner an Zitaten reichen Kritik die vielen Aphorismen, die er sich herausschreiben konnte und preist schließlich auch die "sprachliche Haute Couture", in den DeLillo seine Protagonisten kleidet.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.03.2010

In diesem novellistischen Roman von Don DeLillo stößt Christopher Schmidt auf die besten Passagen dieses literarischen Frühjahrs. Das hat kaum begonnen, doch wenn Schmidt sich daran macht, DeLillos Figuren, darunter ein Wiedergänger von Norman Bates und eine junge Frau, die plötzlich verschwindet, durch den Plot des metaphysischen Thrillers zu folgen, bekommt man wirklich Lust auf das Buch. Für Schmidt nämlich erweist sich DeLillo nicht nur einmal mehr als listiger Großmeister der Postmoderne, dem die durchaus ausgearbeitete Hitchcock-Referenz bloß Hohlform ist, die er mit Theoremen des Philosophen Teilhard de Chardins füllen kann. Die spirituelle Idee einer Entäußerung des menschlichen Bewusstseins in den Kosmos, der Aufstand der Zeichen gegen das Bezeichnete, das "große Indifferentwerden", Schmidt liest das auch als aktuelle Auseinandersetzung des Autors mit seinem Land und einer universell gewordenen Paranoia. So erratisch ihm der Text vorkommt, so schmerzhaft scharf konturiert erscheint er ihm auch, so voll von elektrisierender Spannkraft.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.02.2010

"Bar jeder Ironie", wie Rezensent Christian Thomas betont, gelingen Don DeLillo hier mal wieder Prägungen wie: "Es gab eine Zeit, da existierte keine Landkarte von der Wirklichkeit, die wir erschaffen wollten." Hoher Ton ist also angesagt. Und das geht in diesem Fall nicht ab ohne den Spätmystiker Teilhard de Chardin, die kalifornische Wüste, Meditationen über die Form des Haiku, den Irakkrieg und eine Videoinstallation Douglas Gordons, die Hitchcocks "Psycho" auf 24 Stunden dehnte. Thomas betont mehrfach den Ton der Beiläufigkeit, mit der DeLillo Allertiefstes über Zeit, Existenz, die "Zeit-Raum-Kompression" sowie ihrer Hinfälligkeit zu bedenken gibt. Sehr ausgeklügelt sei auch die Konstruktion des Romans, "möglicherweise auch überkonstruiert" meint Thomas noch, um am Ende zu kapitulieren: "Diese Sinnlosigkeit macht hilflos."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.02.2010

Hier kommt Stoff für sämtliche Oberseminare der Amerikanistik! Und die armen Studenten müssen jetzt nicht nur Don DeLillo studieren, was an sich schon anspruchsvoll genug wäre, sondern auch noch den Spätmystiker Marie-Joseph Pierre Teilhard de Chardin, der wahrscheinlich nicht zu ihrer Jugendzimmerlektüre gehörte. Seine Theorie vom "Omegapunkt", auf den irgendwie alle Evolution zusteuere, gibt dem Roman den Titel. Angela Schader erklärt es auch brav in ihrer feierlichen Rezension des kurzen (112 Seiten) Werks von Don DeLillo, das sie besonders zu einer anderen Novelle des Autors, "The Body Artist" in Beziehung setzt. An Fassbarem erwähnt sie außerdem die Installation "24 Hour Psycho" des Videokünstlers Douglas Gordon im New Yorker Moma, die Hitchcocks "Psycho" auf 24 Stunden dehnte und die tatsächlich existierte und die Inspiration zu dem Roman abgab. Außerdem spielen der (fiktive) Philosoph, Haiku-Liebhaber und Irakkriegsberater Elster, ein Haus in der Wüste und Elsters verschwundene Tochter eine Rolle, sowie das Bemühen des Romanhelden, Elster in einen Dokumentarfilm aus einer einzigen Einstellung festzuhalten. Um mehr Klarheit zu gewinnen, wird man den Roman wohl lesen müssen. Fest steht laut Schader jedenfalls, dass "Zeit und Zeitlosigkeit, künstlerische Verfremdungs- und Identifikationsprozesse und die im Herzen menschlicher Existenz lauernde Leere" verhandelt werden.
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