Dan Diner

Feindbild Amerika

Über die Beständigkeit eines Ressentiments
Cover: Feindbild Amerika
Propyläen Verlag, München 2002
ISBN 9783549071748
Gebunden, 236 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Amerika ist wenig geliebt. Je nach politischer Couleur wurden ihm seit eh und je Kulturlosigkeit, schnöder Materialismus oder zynischer Imperialismus vorgeworfen. Trotz aller nach dem 11. September 2001 abgelegten Lippenbekenntnisse verkehrte sich die bekundete Solidarität schon bald in demonstrative Distanz, die weit über kritische Einwände in Detailfragen hinausreicht. Der dabei aufscheinende Antiamerikanismus ist beileibe keine Erfindung der deutschen politischen Kultur allein. Vielmehr stellt er einen Reflex traditionsverhafteter Gesellschaften oder Gruppen gegenüber der anbrandenden Moderne dar. In einem großen historischen Essay weist der Historiker Dan Diner überzeugend nach, dass sich hinter diesem Ressentiment vielfältige Ängste vor der durch die USA paradigmatisch repräsentierten Moderne verbergen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.12.2002

"Leider", kommentiert Thomas Speckmann den um die Folgen des 11. September aktualisierten Essay von Dan Diner über Europas antiamerikanische Vorurteile, begnüge sich der Historiker vor allem damit, zu beschreiben, wie Europa am Tag des Anschlags mit Amerika sympathisierte, "um sich dann erneut zu distanzieren". Am besten sei Diner dann, wenn er Realist sei und etwa zu den Aussagen der indischen Amerika-Kritikerin Arundhati Roy Stellung nehme und ihr eine Lektion in politischem Realismus erteile. "Klischee um Klischee" wird in diesen lesenswerten Passagen aufgelöst, schreibt der Rezensent, "Mythos um Mythos entzaubert". Oft aber sei Diner etwas zu unkritisch auf der Seite der USA. Speckmanns Rat: Vielleicht hätte Diner doch ein wenig mehr auf Journalisten wie Peter Scholl-Latour hören sollen, die er in seinem Buch jedoch nur "hämisch verspottet".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.10.2002

Offensichtlich überzeugend findet Kersten Knipp die Arbeit des Historiker Dan Diners über den Antiamerikanismus der Deutschen und dessen historische Kontinuität. Die ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass die USA hierzulande unterschwellig als "Herausforderung und Bedrohung der eigenen Lebensweise" wahrgenommen wurden. Deswegen findet er es auch durchaus sinnvoll, dass dieses Buch noch einmal in einer überarbeiteten Fassung herausgegeben wurde, obwohl es bereits 1990 im Eichborn Verlag erschienen ist. Sie lobt die Ausgewogenheit von Diners Perspektive, der bei der Erforschung von strukturellen und auf den deutschen bzw. europäischen kulturellen Rahmen zurückführbaren Hintergründen dieses Antiamerikanismus nicht aus den Augen verliert, dass es immer wieder "ernsten Anlass zur sachlichen Kritik an den USA" gegeben hat. Trotzdem stellt der Autor nach Knipps Ansicht zu Recht fest, dass die Urteile über Amerika sich in den letzten 200 Jahren nicht wesentlich verändert haben, sondern nur dem jeweiligen politischen Kontext angepasst wurden: "der deutsche ‚Tiefsinn’, so viel macht Diners Buch für Knipp auf beklemmende Weise deutlich, speist sich vor allem aus dumpfen Ressentiment, er pflegt einen Antiamerikanismus, der oft auch antisemitische Züge aufweist."

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2002

Sehr viel Richtiges und trotzdem eine Menge Streitbares steckt in diesem Buch von Dan Diner, der Neuere und jüdische Geschichte in Leipzig und Jerusalem lehrt, findet der Rezensent Paul Nolte, auch wenn der Autor einen Großteil des Buches schon mal unter einem anderen Titel 1993 veröffentlicht hat und viele seiner Gedanken so neu nicht sind. Das Buch hat seiner Meinung definitiv Stärken, zum Beispiel das Kapitel zum 11.September. Gut findet Nolte auch, dass Diner den Anti-Amerikanismus chronologisch aufarbeitet und schon im frühen 19. Jahrhundert anfängt. Damals begann Europa nämlich, Amerika "als Negation der eigenen Identität" wahrzunehmen und somit das Grundmuster zu etablieren, Amerika "als Sinnbild einer unaufhaltsamen, einer entfesselt dynamischen Moderne" zu verstehen. Diners historische Einordnungen findet Nolte großenteils überzeugend, auch seine These, dass die Amerikaskepsis in der Nachkriegszeit ein größere Kontinuität hatte als gemeinhin angenommen, ist seiner Meinung nach teilweise richtig. Doch bemängelt Nolte, dass Diners Blick auf Europa nicht ganz ausgewogen ist, dass er beispielsweise die "dezidierte Hinwendung der geistig-kulturellen Elite Westdeutschlands zu Amerika" unbeachtet lässt. Das ist nicht die einzige Kritik, die Nolte an Diners Thesen hat. Er findet, dass dessen Modernitätsbegriff etwas kurz greift und dem Konzept der "multiple modernities" keinen Platz einräumt: "Steckt hinter Diners Diagnose nicht ein eindimensionales, ein gar zu lineares Bild der Moderne?", fragt Nolte, der nicht einsehen will, dass Amerika das einzige Modell der Moderne repräsentieren soll.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Hochaktuell findet Dieter Buhl die Thematik von Dan Diners Essay über das deutsche Amerikabild. Zur Enttäuschung des Rezensenten geht Diner allerdings recht polemisch ans Werk, operiert mit Vorurteilen, nicht sachbezogenen Argumenten. Und zwar so reichlich, empört sich Buhl, "dass er auf den Verdacht eines genetisch bedingten Antiamerikanismus der Deutschen zusteuert". Das geschehe bereits, wenn Diner behaupte, in der deutschen Welterklärung werde Amerika "immer wieder als Ursprung und Quelle aller nur möglichen Übel identifiziert". Das geht dem Kritiker dann doch zu weit, und so nimmt er im weiteren Verlauf seiner Besprechung die Deutschen gegen Diners Vorwürfe in Schutz. Weder Diners Zitate aus der Spätromantik können nach Buhl seine Thesen belegen, noch seine Beschreibung der Weimarer Republik als "Treibhaus" antiamerikanischer Mentalität in Deutschland. Auch die weiteren Argumente, die Diner auffährt, für Buhl Pauschalurteile und Verallgemeinerungen, überzeugen ihn nicht. Insgesamt liefere Diner eine Polemik über das deutsche Amerikabild, urteilt Buhl, "die ein wenig anregt, vor allem jedoch verärgert".