Claude Lanzmann

Der patagonische Hase

Erinnerungen
Cover: Der patagonische Hase
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010
ISBN 9783498039394
Gebunden, 688 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Claude Lanzmanns Memoiren waren "Buch des Jahres" in Frankreich. Sie verstehen sich als Erzählung eines überreichen Lebens, Bild jüdischer Geschichte, Traktat über Freiheit und Gewalt. Lanzmann erzählt über Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, das intellektuelle Paris der Nachkriegszeit, Israel und natürlich über seinen epochalen Film "Shoah".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.09.2010

"Unmöglich", "schockierend", "partiell verrückt" und "wunderbar": mit all diesen Vokabeln versucht Klaus Harpprecht, der Memoiren von Claude Lanzmann Herr zu werden. Denn dieses Buch schone seine Leser nicht, schreibt Harprecht. Schon im ersten Kapitel überfalle Lanzmann mit schlimmsten Szenen der Vollstreckung der Todesstrafe. Aber auch jedes weitere Kapitel sei "ein Drahtverhau, in dem Leichen hängen". Wenn die Sprache auf die Zeit der Resistance kommt, muss der Kritiker allerdings seufzend konstatieren, dass die schwankende, ja moralisch fragwürdige Haltung des mit Lanzmann eng befreundeten Paares Sartre-Beauvoir zum Stalinismus seinen Schatten auch auf Lanzmann werfe. Doch auch andere Schattenseiten dieser Biografie bleiben für Harpprecht grundsätzlich nebensächlich angesichts von Leben und Werk Claude Lanzmanns. Den Titel der Biografie versuchte er umsonst zu entschlüsseln, die Übersetzung ist, wie er schreibt, eine "bewundernswerte Leistung".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.09.2010

Kaum mehr unternimmt Hanns Zischler in seiner durchaus ausführlichen Rezension, als die Lebensstationen des Verfassers, wie Claude Lanzmann sie selbst beschreibt, in wichtigen Zügen und charakteristischen Details zu rekapitulieren. Wie reich dies Leben gewesen ist, erkennt man spätestens daran, dass für Lanzmanns berühmteste Leistung, den Dokumentarfilm "Shoah?, und alles, was damit zusammenhängt, am Ende kaum noch Platz ist - so interessant und verblüffend und bedeutsam ist, was davor geschah. Frühe Jahre in der Resistance, Dozent an der Freien Universität in Berlin nach dem Krieg, Begegnung mit Sartre (intellektuell) und de Beauvoir (auch erotisch), Redakteur bei den "Temps modernes?, Teilnehmer der politischen Schlachten um den Algerien-Krieg, erster Besuch in Israel 1952, Begegnung ebendort mit seiner späteren Frau Angelika Schrobsdorff, der erste Israel-Film "Warum Israel?? 1972, dann "Shoah? (das "lässt sich?, so Zischler, "nicht resümieren?), dann Lobgesänge auf die israelische Armee und dann ist, weil kein Platz mehr ist, mit der Rezension Schluss. Sie lässt, ohne groß herumzuwerten, keinen Zweifel daran, dass man das Buch von der ersten bis zur letzten Seite unbedingt lesen muss.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.09.2010

Rezensentin Grete Götze hat ein Buch für alle gefunden, für die Bewunderer wie für die Kritiker von Claude Lanzmann. Letztere sieht mit diesen Memoiren mit neuem Stoff versorgt, um dem Autor und Filmemacher Angeberei und "Geschichtsfälschung" vorzuwerfen. Erstere aber können laut Götze mitleiden und mitfiebern, wenn Lanzmann glühend und sprunghaft sein Leben erzählt, und mehr noch, mit unerschöpflicher Radikalität, wie Götze staunt, noch einmal die großen Probleme des letzten Jahrhunderts wälzt: Shoah, Israel, Algerienkrieg, DDR, Mondlandung. Ausdauer braucht dieses dicke Buch, warnt uns die Rezensentin, und ein Verständnis von Wahrheit als öffentlich gemachte Subjektivität.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.09.2010

Rezensentin Franziska Augstein erlebt in den Erinnerungen des jüdisch--französischen Regisseurs Claude Lanzmann einen Abenteurer, der seine Leser durch seinen Elan und seinen Witz fesselt. Es schwingt Bewunderung, aber auch ein kleines Lächeln bei der Rezensentin mit, wenn sie Lanzmann auf seine physische Vitalität und sein bewegtes Leben pochen sieht. Hervorhebenswert findet sie die erstaunliche Diskretion, die Lanzmann bei der Schilderung seiner "erotischen Verwicklungen" an den Tag legt und die, wie sie meint, ansonsten unter französischen Intellektuellen doch so unüblich sei. Glanzpunkt dieser Memoiren aber sind nach ihrer Einschätzung die Schilderungen der Dreharbeiten zu "Shoah", und hier beobachtet Augstein vor allem eine außerordentliche "Lebenskraft", die in ihren Augen Lanzmann in die Lage versetzte, Überlebende und alte Nazis zum Sprechen zu bringen. Insgesamt preist sie seine Erinnerungen als unterhaltsam, bei aller Diskretion als äußerst "mitteilsam" und dabei sehr spannend.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.09.2010

Rezensent Micha Brumlik widmet der umfangreichen Autobiografie des jüdisch-französischen Regisseurs Claude Lanzmann eine eingehende Kritik. Er hat nicht nur viel über das "säkulare und intellektuelle Diasporajudentum" gelernt. Besonders fasziniert hat ihn Lanzmanns Engagement in der französischen Resistance, das den jüdischen Geschichten von Flucht und Vernichtung eine seltener zu lesende Perspektive des Widerstands entgegensetzt. Hier vermutet der Rezensent auch die Quelle des ungebrochenen Selbstbewusstseins des späteren Regisseurs des bahnbrechenden Dokumentarfilms "Shoah". Das Kapitel über die Dreharbeiten zu diesem Film haben Brumlik außerordentlich gefesselt , weil hier zu erfahren ist, wie detektivisch und umsichtig der Autor sein musste, um beispielsweise untergetauchten Nazis vor die Kamera zu bekommen. Über andere Themen wäre der Rezensent dagegen gern weniger detailliert worden: Lanzmanns Liebesbeziehungen, unter anderem mit Simone de Beauvoir oder die mitunter zu "Kitsch und Apologetik" neigenden Ausführungen zu Israels Militär aus, über das Lanzmann den Dokumentarfilm "Tsahal" gedreht hat. Insgesamt aber findet Brumlik diese "unschätzbare Quelle" eines Zeitzeugen außerordentlich fesselnd.