Botho Strauß

Mikado

Cover: Mikado
Carl Hanser Verlag, München 2006
ISBN 9783446208087
Gebunden, 176 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

"Zu einem Fabrikanten"- so beginnt eine Geschichte dieses Buches -,"dessen Gattin ihm während eines Messebesuchs entführt worden war, kehrte nach Zahlung eines hohen Lösegelds eine Frau zurück, die er nicht kannte und die ihm nicht entführt worden war." Zufall, Schicksal, Fügung? Die Kalendergeschichten, Märchen und Träume erzählen von Merkwürdigkeiten, die selten gut ausgehen, in denen die geringste Bewegung oftmals in einem katastrophalen Erdbeben endet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2006

In seiner Besprechung versucht der Rezensent Hubert Spiegel sich vorzustellen, wie Botho Strauß' Miniaturenband "Mikado" in 200 Jahren gesehen werden könnte. Warum er dies tut? Weil ihm die geistige Verwandtschaft zwischen "Mikado" und Johann Peter Hebbels mittlerweile 200 Jahre alten Kalendergeschichten aus dem "rheinischen Hausfreund" aufgefallen ist. Im Gegensatz zum "Hausfreund" haben Strauß' Erzählknoten (die 140 Texte sind nicht länger als eine Seite) keine praktischen Ratschläge zu vergeben, sondern verstörend-verwickelte Schicksale zu erzählen. Der Autor selbst erscheint dem Rezensenten ein wenig wie ein "zufriedener Apokalyptiker", der seinen 140 Mikadostäben eine sinnstiftende Ordnung verweigert. Und doch offenbart Strauß eine Seite von sich, die man so nicht kennt, wie der Rezensent verwundert bemerkt: In diesem Miniaturenkonvolut herrscht ein neuer, ein "menschenfreundlicher Ton".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006

Liegt für viele Autoren der Interessenschwerpunkt auf dem "Fremden", so arbeitet sich Botho Strauß wie gewohnt am Heimatlichen ab, stellt Lothar Müller im Aufmacher der SZ-Buchmessenbeilage fest. Die 41 Geschichten der Prosasammlung "Mikado" spielen allesamt in Deutschland und sind stilistisch an die Kalendergeschichten des 19. Jahrhunderts angelehnt, so der Rezensent, für den die Texte dennoch keineswegs im Gestrigen stecken bleiben. Der Autor fülle die alte Form mit aktuellen Motiven und Inhalten und lasse die Protagonisten zu einer Art "Widergänger" der alten Kalendergeschichten a la Johann Peter Hebel oder Heinrich Kleist werden, so Müller eingenommen. Nur eben in moderner Version, Scheidungskinder, nervende Handys und Debattenklapperer inklusive. Interessant findet das Müller vor allem, weil die Gewissheiten des 19. Jahrhunderts endgültig verflogen sind. Anknüpfungspunkt sind nur die "alten Sprachmasken", die dem Menschen des 21. Jahrhunderts helfen können, gewissermaßen Kontakt zu ihren Vorfahren aufzunehmen. In ihnen, so Müller, finden wir "Bundesgenossen im Ertragen und Deuten dessen", was uns widerfährt - das gilt sogar für Väter, denen das Sorgerecht entzogen wurde.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2006

Sehr angetan zeigt sich Martin Meyer im Aufmacher der NZZ-Buchmessenbeilage von Botho Strauß' neuem Erzählband, der in seiner gekonnten Mischung aus Alltagsrealismus und Phantastischem das Mystische hervorzaubere und damit ganz als zeitgemäßer Nachfolger des Märchen-Genres gelesen werden könne. Strauß habe sowohl von Freud wie von Kafka gelernt, beweise sein unvergleichliches Talent als melancholischer Humorist und verstehe es wie kein Zweiter, den geneigten Leser mit seinen parabelhaften Erzählungen voll detaillierter Hingabe für die gewöhnlichen Nebensächlichkeiten des Lebens zu faszinieren. Aus Meyers schwärmerisch-andeutender Nacherzählung der Geschichten spricht somit die wärmste Empfehlung, was sich nicht zuletzt durch seinen stilistischen Kniff offenbart, sein Urteil in der vereinnahmend gemeinten ersten Person Plural abzufassen, was dem Leser (der Rezension) suggerieren möchte, in der Meyerschen Lobeshymne schon seine eigene Meinung zu lesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.09.2006

Die Rezensentin Ursula März bewundert ausführlich einerseits den Grad der gegenseitigen Verachtung zwischen dem Schriftsteller Botho Strauß und der Kunst- und Kulturgemeinde. Andererseits jedoch auch das neueste Buch des gefürchteten Autors, das sich durch Humor, Uneitelkeit und "dezente" Selbstironie auszeichne. Die Geschichten kreisen um das "Verhuschen und Verblassen des Subjekts", konkreter: um kleine traumhafte Episoden der Verwechslung und Vertauschung, die parabelhaft und trotzdem leicht wirken, so kunstvoll geschrieben wie die Hebelschen Kalendergeschichten, findet die Rezensentin, die sich durchweg sehr gut unterhalten gefühlt hat.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.09.2006

Sowohl eingefleischte Fans als auch notorische Strauß-Kritiker werden sich über diesen Band mit einundvierzig Erzählungen freuen können, versichert Dirk Knipphals. Endlich einmal lasse Botho Strauß seine Verachtung der Gegenwart und die permanente Kulturkritik beiseite und präsentiere seine Geschichten in leichtem Ton und mit überraschenden Wendungen, die zuweilen ins "Wunderliche" gleiten, so der Rezensent hoch erfreut. Nur selten stimmt der Autor einen allzu hohen Ton an, beispielsweise wenn er von einem sich "vereinigenden" Liebespaar schreibt, kritisiert der Rezensent, dem auch die Ausflüge ins Märchenhafte nicht gefallen. Das wird aber durch die vielen phantasievollen und treffenden Beschreibungen aufgewogen, findet Knipphals, dem es zwar zu früh erscheint, hier eine Straußsche "Wende" zu bejubeln, der das Buch aber als viel versprechenden "Anfang" für eine entspanntere Schreibweise des Autors zu würdigen weiß.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.09.2006

"Erstaunlich" nennt Rezensent Ulrich Greiner diesen Band mit kurzen Prosastücken, die seinen Informationen zufolge von Johann Peter Hebels Kalendergeschichten inspiriert worden sind. Botho Strauss beeindruckt ihn darin mit "ebenso rätsel- wie sinnhaften" Geschichten, mit denen er aus Sicht Greiners einen neuen Gipfel seiner Erzählkunst erreicht hat. Streckenweise hat Greiner das Buch als "Lehrbuch der Gefühle, der Täuschungen und der Verwandlungen" gelesen. Auch verdankt er diesen Kalendergeschichten offenbar eine Fülle an unvermuteten und lohnenden Einsichten. Die Sprache beschreibt Greiner als "knapp und anschaulich", sie sorge mit ihrem Platz für "Fremdes, Inkompatibles" dafür, dass die Imaginationskraft des Lesers stets stimuliert wird. Und trotzdem bestechen diese Erzählminiaturen den Rezensenten immer wieder durch eine amüsante Leichtigkeit.
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