Anatol Regnier

Du auf deinem höchsten Dach

Tilly Wedekind und ihre Töchter. Eine Familienbiografie
Cover: Du auf deinem höchsten Dach
Albrecht Knaus Verlag, München 2003
ISBN 9783813502237
Gebunden, 409 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Als Frank Wedekind 1918 im Alter von 54 Jahren stirbt, hinterlässt der provokanteste Dramatiker seiner Zeit eine bildschöne junge Frau und zwei kleine Töchter. Hinter der Schauspielerin Tilly Newes liegt ein knappes Jahrzehnt kräftezehrenden Zusammenlebens mit einem Mann, dessen erotischen Phantasien der Realität nicht Stand hielten. Wedekinds Tod ist bei aller Trauer wie eine Befreiung. Tilly blüht auf und hat unzählige Verehrer. Die Töchter Pamela und Kadidja wachsen hinein in die Künstlerboheme der 20er Jahre. Pamela freundet sich eng mit den Mann-Kindern Erika und Klaus an; Vierter im Bunde ist der junge Schauspieler Gustaf Gründgens. Zum Eklat kommt es, als Pamela den fast 30 Jahre älteren Dramatiker Carl Sternheim heiratet. Tilly, die immer stärker unter einer manischen Depression leidet, beginnt um diese Zeit eine stürmische Liaison mit dem Lyriker Gottfried Benn. Als die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, geht Kadidja ins Exil nach Amerika. Pamela und Tilly bleiben und arrangieren sich. Kadidja wird ihnen dies nie verzeihen. Nach ihrer Rückkehr 1946 kommt es zum Bruch. Anatol Regnier, Enkel von Frank und Tilly Wedekind und Sohn der Wedekind-Tochter Pamela, hat erstmals das unter Verschluss gehaltene Familienarchiv ausgewertet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.12.2003

Dass die Ehe zwischen der Schauspielerin Tilly Newes und dem doppelt so alten Dramatiker Frank Wedekind nicht einfach gewesen sein muss, ahnt Katharina Rutschky, seit sie die 1969 erschienenen Memoiren Tilly Wedekinds gelesen hat. Der Verfasser der neu vorliegenden Familienbiografie, welche das Leben Tilly Wedekinds und ihrer beiden Töchter Pamela und Kadidja erzählt, ist Tilly Wedekinds Enkel, Sohn von Pamela Wedekind, die mit Charles Regnier verheiratet war, referiert Rutschky kurz. Pamela war aber auch eine Zeitlang mit dem an Wahnzuständen leidenden Carl Sternheim verheiratet, an dem sie Rutschky zufolge ihren Vaterkomplex abarbeitete. Alle drei Frauen, so vermittele es Regniers Familiengeschichte, wurden vom Schatten des Ehemannes beziehungsweise Vaters erdrückt und vom "süßen Gift des Nachruhms" verformt. Was Frank Wedekind angeht, so sieht Rutschky die Zeit für eine Revision des Urteils gekommen, er sei ein Mann der Frauenemanzipation gewesen; sie hält ihn nun weniger für einen Aufklärer als vielmehr für einen bürgerlichen Mann, der zutiefst in der obsessiven Vorstellung von einer unendlichen weiblichem Potenz und seiner eigenen Impotenz gefangen war.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.10.2003

Franziska Speer zollt Anatol Regnier, einem Sohn von Pamela Wedekind, für sein "wunderbar kompaktes, interessantes, gut geschriebenes Buch" uneingeschränktes Lob. Pamela Wedekind war eine von zwei Töchtern des Dramatikers Frank Wedekind, der 1918 auf dem Gipfel seines Ruhmes starb; ihre Schwester hieß Kadidja, ihre Mutter Tilly, und um diese drei Frauen, um ihr Leben nach dem Tod des egomanen Provokateurs Wedekind, geht es in dieser "klugen, vergnüglichen Revue": um die psychologischen Hinterlassenschaften des Gatten bei der psychisch labilen Schauspielerin Tilly, die schließlich "seelischen und erotischen Trost" bei Gottfried Benn fand; um die Bohème-Prominenz der Töchter, die in den 20er Jahren mit den Mann-Kindern und Gustav Gründgens die "Herzogpark-Clique " bildeten; um den Hass der dann nach Amerika emigrierten Kadidja auf Schwester und Mutter, die in Nazideutschland geblieben waren - eine "Familiensaga", die ein Jahrhundert ausleuchte. Das verdankt sich vor allem der Form, die der Autor gefunden hat, seiner Souveränität im Umgang mit der eigenen Familiengeschichte und den Quellentexten aus oftmals prominenter Hand (von denen ihm viele exklusiv zur Verfügung standen), seinen gelungenen Charakterisierungen von Zeit und Charakteren, seinem gelungenen Stil, lobt nachdrücklich die Rezensentin.
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