Altaf Tyrewala

Kein Gott in Sicht

Roman
Cover: Kein Gott in Sicht
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783518418468
Gebunden, 190 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Karin Rausch. Die Wirklichkeit des heutigen Bombay ist kontrastreich, aufwühlend, packend: Altaf Tyrewala präsentiert sie in knappen Szenen, die Ausschnitte aus dem Leben verschiedener Menschen zeigen: aus dem Leben der jungen Minaz, die ungewollt schwanger wird und ihr Kind abtreiben lassen will - und dann aus dem Leben des Mannes, der mit seiner Tätigkeit als Abtreibungsarzt Schande über die Familie gebracht hat; aus dem seiner Mutter, die in Mekka, wo sie Buße für die Schuld des Sohnes tun wollte, zu Tode getrampelt wurde; und aus dem seines Vaters, der seine Arbeit als Schuhmacher verliert, als der Besitzer des Ladens in die USA emigriert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.01.2007

Der Rezensentin Yvonne Gebauer gefallen diese "Short cuts" aus dem indischen Bombay, die der Autor Altaf Tyrewala in seinem mosaikgleichen Roman aneinander gereiht hat. Ein Puzzle ist daraus nicht geworden, dafür passt zu vieles nicht zusammen. Doch dieses Nicht-Zusammenpassen reflektiert eben die abgebildete, oft von Gewalt geprägte Realität. Ein aussagekräftiges Bild entsteht nach Meinung der Rezensentin trotzdem. Gebauer konstatiert, dass das Buch kein "Sozialbericht" ist, der sich nur mit den gesellschaftlich Marginalisierten beschäftigt: "Die Armut und die Traurigkeit gehen hier durch alle gesellschaftlichen Schichten."
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.10.2006

Rezensentin Ria Endres ist ziemlich beeindruckt von der "aufwühlenden" Art, mit der es diesem jungen Autor in seinem Roman gelungen ist, aus einem Chor unterschiedlichster Stimmen und Geschichten "eine Art Kollektivbewusstsein" der Riesenstadt Bombay abzubilden und gleichzeitig ihre "kranke Atmosphäre" präzise zu beschreiben. Hauptschauplatz ist ihren Informationen zufolge ein Apartmenthaus, auf dessen Dach sich ein Slum befindet. Der 1977 geborene Altaf Tyrewala führe seine Leser von einem Stockwerk ins andere, zeige manches näher, anderes dagegen deute er nur an, und montiere Erzähl- und Biografiesplitter "locker" zu einem szenischen Kosmos von Bombay. "Tief" habe sich dieser Autor dabei in die Lebensgeschichten seiner Figuren eingefühlt und jedem von ihnen in einem "Chor von über vierzig Stimmen" einen "unverwechselbaren Platz" gegeben. Diese Stimmen und Skizzen haben für die Rezensentin insgesamt etwas enorm Trostloses. In ihrer Summe entsteht dennoch auch "etwas schillernd Impressionistisches" für sie, in dessen Hintergrund sie stets eine alles dominierende, "ungenaue Alltagsangst" zu spüren glaubt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.09.2006

Als "Kunstwerk der Verknappung" lobt Rezensent Ilija Trojanow den Roman von Altaf Tyrewala, in dessen aus präziser Beobachtung geschöpften "grandiosen Visionen" er die Essenz der Megastadt Bombay wieder erkennen kann. Bereits die Idee, auf dem Dach eines Wolkenkratzers einen Slum entstehen zu lassen, findet Trojanow "fulminant". Immer wieder kann Tyrewala ihn mit Idiosynkrasien dieser Riesenstadt, mit Bildern und Szenen überraschen, in denen er die Wirklichkeit Bombays auf das Äußerste verdichtet findet. Trotzdem hat Trojanow auch einiges zu kritisieren. Haupteinwand ist das Fehlen einer "gewissen Unmittelbarkeit", die für den Rezensenten ein "Mangel der Sprache" ist. Denn Tyrewalas Figuren sprechen für Trojanows weltenbummlerisch geschultes Schrifftstellerohr eine Spur zu stilisiert. Ihr Ton ist aus seiner Sicht eher "ein sprachliches Pendant zu den Videoclips von MTV-India": zu elegant und flüchtig, um noch wirklich authentisch zu klingen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.09.2006

Rezensent Martin Lüdke ist ausgesprochen begeistert vom "kühn konstruierten" Romandebüt dieses jungen Autors. Inhaltlich sieht er darin Motive von Salman Rushdies, vor dreißig Jahren erschienenem Roman "Mitternachtskinder" weiterentwickelt. Stilistisch fühlt er sich entfernt an Botho Strauss erinnert. Oberflächlich gesehen reihe der 1977 in Bombay geborene Autor scheinbar zusammenhangslose Episoden und Lebensläufe unterschiedlichster Menschen aneinander. Oft bestehen sie Lüdke zufolge nur in wenigen Zeilen, meist aber in wenige Seiten umfassenden Kapiteln. Doch trotz seines fragmentarischen Stils erzeuge Altaf Tyrewala einen "gewaltigen Sog", in den nicht nur die Figuren, sondern auch der Leser hinein gerissen werde, wie uns der staunende Rezensent mitteilt. Besonders beeindruckt ihn der erstaunlich geringe Aufwand an erzählerischen Mitteln, die Fähigkeit dieses Autors, noch "im unscheinbarsten Fragment das Ganze" aufscheinen zu lassen. Doch auch Tyrewalas Lesart der "Dialektik der Aufklärung" in der immer noch von der Religion beherrschten indischen Gesellschaft überzeugt ihn sehr.
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