Adolf Muschg

Eikan, du bist spät

Roman
Cover: Eikan, du bist spät
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783518416693
Gebunden, 318 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Ohne seine Freundin Sumi hätte Andreas, der begnadete Cellist, den Mut zu seinem schwierigen Pariser Konzert nicht aufgebracht. Mit ihr aber hat er den entscheidenden Termin fast versäumt - weil die Nacht die beiden beinahe verschluckt hätte. Warum sie ihn danach abrupt verlässt und nach Japan zurückfährt, kann er nicht begreifen. Überhaupt wird Andreas aus den Frauen, mit denen er sich tröstet und die ihn trösten, nie klug: aus Catherine nicht, aus Vera nicht und nicht aus Jacqueline. Und immer ist er einen Schritt zu spät - was er auch anpackt, wem er sich auch nähert, er bleibt im Korsett seiner Herkunft sowie im Korsett seiner so großen Begabung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.01.2006

Nicht immer einfach zu lesen sei Muschgs letzter Roman, meint Rezensentin Irmela Hijiya- Kirschnereit, doch immer mit großer Könnerschaft und einem "brillianten" Faible für Sprachspiele geschrieben. Ein Cellist, referiert die Rezensentin die Handlung, erhält von einem Jugendfreund kurz vor dessen Tod einen Brief mit einer ihm gewidmeten Komposition, die ihm zunächst fremd ist, bis eine "geheimnisvolle Japanerin" als Muse in seinem Leben auftaucht. Muschg beschreibe die Prosa der Wirklichkeit im Alltag des Musikers mit Ehefrau und Liebschaften, so die Rezensentin, und mache dann einen Schnitt vom zweiundvierzigjährigen Cellisten zum knapp sechzigjährigen, der von der früheren japanischen Geliebten als Jurymitglied eines Cellowettbewerbs eingeladen wird. Aus dieser Japanreise mache Muschg eine "ein wenig überfrachtete" Kulturgeschichte Japans, kritisiert die Rezensentin, doch die "kulturelle Distanz" des Helden diene nur als Hintergrund für den "Abgrund" in ihm selbst. Seine "Don Juan"-Mentalität, die Hassliebe zu seinem lange verstorbenen Jugendfreund und allerlei sonstige "Lebensbürden" träten nun zu Tage. Zuletzt bedeute der Zusammenbruch gewissermaßen eine Art Erleuchtung. Der Roman, lobt die Rezensentin, enthalte "geist- und temporeiche Dialoge" und einen mitunter "thrillerhaften" Plot. Wahrhaft "großartig" sei es aber, wie Muschg "Musik in Bilder umzusetzen versteht".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.07.2005

Einen "Künstlerroman" hat Adolf Muschg geschrieben und einen Roman über eine "problematische Männlichkeit", benennt Rezensent Martin Krumbholz zwei Hauptthemen und Handlungen des Buches. Die Hauptfigur Andreas Leuchter sei ein erfolgreicher Cellist und Intellektueller, der gleichwohl an der Musik und an den Frauen scheitere. Zuletzt werde "vage optimistisch" beschrieben, wie ihm die eigene Person als Maske auf- und zerfalle. Der Autor liebt "Symbole und triftige Bilder", notiert der Rezensent, bis zum mahnenden Buddha-Wort sei alles "sorgfältig und mit Bedacht ausgewählt". Allerdings hat der Erzähler einen stets "spröden und akademischen Habitus", der selbst noch Passagen der Sinnlichkeit "verschwitzt und angestrengt" erscheinen lässt, findet Krumbholz. Beim Vergleich mit den Künstlerromanen eines Max Frisch oder Louis Begley, so der Rezensent, würden die künstlerischen "Grenzen" des Romans offenbar. Vielleicht hätten ihm Ironie und Witz die "entscheidende Dimension mehr" verleihen können, mutmaßt der Rezensent, zumal von ihnen häufig die Rede sei.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 30.06.2005

Die Geschichte eines Cellovirtuosen, der eine außereheliche Affäre mit einer Japanerin hat und eine hochkomplexe Partitur nicht zu spielen vermag, was sein Leben endgültig zerrüttet - Maja Rettig zeigt sich von Adolf Muschgs neuem Roman "Eikan, du bist spät" entnervt. Die Handlungsstruktur empfindet sie als "eine enervierend pompöse Verrätselung ohne erkennbaren Zweck", und wenn es auch Passagen gebe, die "perfekt" gebaut sind, gleichsam kurze Erzählungen inmitten des labyrinthischen Textungeheuers - das Ganze scheint ihr in Unverständlichkeit und Belanglosigkeit zusammenzubrechen unter der Last eines übersteigerten Kunstwollens. Vor allem das bedingungslose Fischen nach Bedeutungsschwere war der Rezensentin des Guten zuviel: "auf die Dauer ermüdend".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.06.2005

Robin Detje rechnet mit Adolf Muschg ab, in einer Rezension, die eindeutig rekordverdächtig ist, was die Bosheiten pro Zeile angeht. Muschg hat Probleme, meint Detje. Muschg sucht nach Erlösung und findet, dass Literatur dafür da ist, alles Ungelöste therapeutisch-kathartisch in lauwarme Soße zu verwandeln. Muschg sei gebildet und kenne sich in Japan aus, weshalb er feinsinnig und akademiepräsidentenmäßig hochintellektuelle "Verstrickungsmuster" weben kann. Muschg wiederholt sich: immer derselbe lebensunfähige Mann der Hochkultur, immer derselbe "Triebstau", immer dieselben willigen Frauen. Immer dasselbe Melodrama. Im speziellen Fall des vorliegenden Romanes wiederholt sich alles in der Gestalt des Andreas Leuchter, der empfindsam ist, traumatisiert und "spitz wie Lumpi". Leuchter ist lächerlich, was nicht schlimm wäre, sogar gut sein könnte, wenn sein Autor es nur wüsste. Der Stil ist "süffig". Und am Ende ist alles versöhnt - nur der Rezensent nicht.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2005

Jochen Jung hat mit Adolf Muschgs Roman über einen Cellisten und sein Musiker- wie Liebesleben so seine Schwierigkeiten. Die Strenge Muschgs, der sehr darauf bedacht ist, ja nichts Überflüssiges zu erzählen, stört ihn. "Was auch immer berichtet wird, es dient der Erkenntnispflicht". Aber nicht nur das "Enigmatische" zehrt schnell an den Nerven Jungs, sondern auch die seiner Meinung nach übertriebene Präzision der Sprache. Wenn da Opferrauch aus Bündeln "wolkt", stößt der Rezensent schon einmal verzweifelt ein "Heiliger Bimbam!" aus. In den häufigen Beschreibungen von Musik stoße der sprachliche Genauigkeitsdrang Muschgs ebenso an seine Grenzen. Und weil der Protagonist eben aus dieser Musik seine Erkenntnisse zieht, wird die Sache noch schwieriger. "Kein Wunder, wenn dann manches klingt, als wolle der Steppenwolf den Doktor Faustus erklären." Unangenehm kommt dem Rezensenten auch das "Grämliche" vor, das er im Hintergrund mitschwingen zu fühlen glaubt, wenn es um Sexualität geht. Zu viele Windungen, zu viele Umstände. "Könnte das nicht auch einfacher und doch nicht weniger treffend erzählt sein?"

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2005

Thematisch sieht Roman Bucheli den neuen Roman von Adolf Muschg mit einem früheren Buch des Autors verbandelt: "Der rote Ritter" las sich für ihn wie jetzt auch "Eikan, du bist spät" als moderne Version des Parzival-Mythos, worin sich der Held den Weg zu einem verschütteten Teil seines Ich mit einer großen Wanderung frei kämpft. Soviel haben die beiden Bücher gemeinsam, aber noch viel mehr trennt sie, stellt Bucheli fest: die Geschichte eines an der Kunst und an der Liebe scheiternden Musikers sei überkonstruiert, lautet sein Hauptvorwurf, die Sprache aber leider spannungslos. Di Handlung sei ohnehin vertrackt, schimpft der Rezensent, der nicht einsehen will, warum Muschg ihr dann zusätzlich amouröse Verstrickungen, musiktheoretische Exkurse und undurchschaubare Wendungen aufbürdet. Das Ergebnis: der Rezensent ist genervt, auch wenn er den guten Bodensatz des Romans hier und da durchschimmern sieht: letztlich seien dies vielleicht 30 Seiten in einem 300-Seiten-Roman, schimpft er, zu wenig, um einen guten Eindruck zu hinterlassen.
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