Roberto Bolano

Lumpenroman

Cover: Lumpenroman
Carl Hanser Verlag, München 2010
ISBN 9783446235465
Gebunden, 112 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Dies ist der letzte Roman, den Roberto Bolano vor seinem Tod schrieb. Schauplatz ist Rom, wo sich Bianca und ihr Bruder mit den schäbigsten Jobs durchschlagen. Ihre Freizeit verbringen sie mit Pornofilmen und Quizshows - bis eines Tages der Plan reift, den Tresor von Maciste zu knacken, einem erblindeten Bodybuilder und B-Star aus den fünfziger Jahren. Um den Safe auszukundschaften, gibt sich Bianca Nacht für Nacht dem glatzköpfigen Muskelprotz hin. Doch als das Verbrechen vergeblich scheint, dreht sie schließlich den Spieß um.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.12.2010

Rezensentin Cristina Nord zeigt sich sehr angetan von Roberto Bolanos "Lumpenroman", dem letzten Werk des 2003 verstorbenen chilenischen Schriftstellers. Dessen Talent, mit klaren Worten eine diffuse, undurchschaubare Atmosphäre zu erzeugen - sie spricht von einer "paradoxen Gabe" -, kommt auch hier wieder zum Tragen. So bleibt für sie auch im vorliegenden Roman unklar, was es eigentlich mit der Beziehung der jungen, haltlosen Bianca, die sich und ihren Bruder nach dem Tod der Eltern über Wasser halten muss, zum einstigen Bodybuilder und Filmstar Maciste auf sich hat, den sie regelmäßig besucht, um einen vermuteten Tresor in dessen Haus auszukundschaften. Nord findet aber eine Vielzahl von Anspielungen und Verweisen auf Mythen, Märchen und andere literarische Werke. Allerdings scheint ihr das Werk weniger aus- und abschweifend wie etwa Bolanos Roman "2666". Gleichwohl birgt das Buch nach Einschätzung von Nord "nicht weniger Könnerschaft im scheinbar fühllosen Vermessen moralischer Grauzonen".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.2010

Zunächst, stellt die Rezensentin Katharina Teutsch fest, ist dieses Vermächtnis des chilenischen Autors Roberto Bolano eher eine "Lumpennovelle" als ein Roman. Auch wenn wieder die ewigen Randgestalten, die Prostituierten und Waisen, die Gaukler und Galgenvögel auftreten, für Teutsch steckt in diesem kleinen Text eine große Hoffnung. Aller von ihr konstatierten Skizzenhaftigkeit zum Trotz entwickelt Bolano offenbar eine ganze Welt, beschwört literarische Vorbilder ("Hänsel und Gretel") und erzählt außer von Schrecken, von Tod und Verbrechen von einer "Seelenrettung".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.08.2010

Für Andreas Breitenstein stellt Roberto Bolano den Beginn der Literatur des neuen Jahrtausends dar, auch und gerade mit dem letzten, vor seinem Tod veröffentlichten Werk "Lumpenroman". Es handelt von einem Geschwisterpaar, das aus seinem tristen Leben in Rom ausbrechen will und einen Raubüberfall auf einen blinden Bodybuilder plant. Gleichermaßen "monumental wie filigran" seien Bolanos Werke, so der überschwängliche Rezensent, ebenso furchteinflößend wie wunderschön, ein "Theater fremder Albträume". Bolano gelänge es, mit einer brillanten Mischung aus Märchen, Porno, Sozialstudie und Krimi einer Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, die sich schon längst selbst verloren habe. "Von der Wahrheit seiner Bücher werden wir noch lange zehren", zieht Breitenstein seinen Hut vor Bolano.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 26.08.2010

Dieser Roman verwebt auf 110 Seiten "schlechterdings alles Essentielle der vergangenen Jahrtausende", schreibt Adam Soboczynski höchst ergriffen über dieses aus dem Nachlass Roberto Bolanos publizierte Buch, das aus seiner Sicht auch eine grandiose, archaische Männerfantasie ist. Darin sieht der Kritiker Mythen der Antike und christlicher Weltschöpfung sowie die ewigen Gegensätze von Hell und Dunkel, Aufklärung und Barbarei, Reinheit und Schuld miteinander im Bild einer Frau verschmelzen. Bianca (die Weiße) heißt sie, wie man liest, und lebt in der ewigen Stadt Rom nach dem Unfalltod der Eltern mit ihrem Bruder in der elternlosen Wohnung, "wie das erste Menschenpaar". Freunde des Bruders kommen hinzu, Sex, sinnloser Fernsehkonsum und irgendwann ein blinder Bodybuilder, der Bianca wie eine Hure nimmt, die daraufhin wie eine Madonna schwanger wird. So eine auf den Kopf gestellte Schöpfungsgeschichte habe nur ein gefallener Engel erfinden können, seufzt der Kritiker am Schluss.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.08.2010

Dieser Lumpenroman ist ein weiterer Fund aus dem Nachlass des 2003 verstorbenen Roberto Bolano, und Rezensent Christopher Schmidt hat nur bewundernde Worte für das Buch übrig, dessen Inhalt er recht ausführlich beschreibt. Es geht um die junge Bianca, eine "betrügerische Betrogene", die um ihre Jugend gebracht nun versucht, das Beste für sich aus einer kaputten, brutalisierten Gesellschaft herauszuschlagen. Sie soll der Köder sein, den ihr Bruder und seine Freunde auswerfen, um an den Tresor eines abgehalfterten und erblindeten, aber offenbar immer noch vermögenden Schauspielers zu gelangen. Renzensent Schmidt sieht hier zwar eine klassische rites-de-passage-Geschichte erzählt, macht aber sehr deutlich, dass Bolanos "dunkel leuchtende, phosphoreszierende Poesie" dieser Erzählung etwas ganz Einmaliges, Würdevolles und Wunderschönes ist, und ganz einfach von Bolano ist.
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